Der EuGH hat am Dienstag entschieden, dass das Framing fremder Youtube-Videos grundsätzlich keine Urheberrechte verletzt. Damit passt er seine Rechtsprechung nicht unerwartet dem Zeitgeist an, meint Andreas Biesterfeld-Kuhn. Und warnt User trotzdem davor, fremde Inhalte allzu sorglos einzubinden.
Vier Gerichte, drei Meinungen. So lässt sich der Fall kurz zusammenfassen, über den am Dienstag nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied. Nachdem das Landgericht (LG) München die Frage, ob das „Framing“ einen Urheberrechtsverstoß darstellt, noch mit Ja, das Oberlandesgericht (OLG München dann mit Nein und schließlich der Bundesgerichtshof (BGH) mit Vielleicht beantwortet hatte, schafft nun Luxemburger Richter Klarheit: Das Einbetten von Youtube-Videos mittels eines elektronischen Verweises in die eigene Webseite verstößt nicht gegen das Recht zur öffentlichen Wiedergabe in Art. 3 Abs. 1 der Multimedia-Richtlinie (Richtlinie 2001/29/EG) (EuGH, Beschl. V. 21.10.2014, Az. C-348/13).
Für Rechteinhaber dürfte es schwer werden, sich mit dieser Aushöhlung ihres Urheberrechtsschutzes zu arrangieren, bedeutet diese Entscheidung doch einen erheblichen Kontrollverlust bei der Verwertung ihrer Werke.
Ob auf der anderen Seite die Nutzer sozialer Medien das Machtwort der Luxemburger Richter als Sieg der Netzfreiheit feiern oder nur mit einem gleichgültigen Schulterzucken quittieren werden, bleibt abzuwarten. Schließlich hat das Damoklesschwert einer möglichen Abmahnung auch schon bislang kaum jemanden davon abgehalten, seine Lieblingsvideos auf Facebook zu teilen. Trotzdem bleibt beim Framing von Videos für die Netzgemeinde auch weiterhin Vorsicht geboten: Neben dem Urheberrecht kommen weitere Rechtspositionen in Betracht, die beim Einbetten fremder Inhalte unter Umständen verletzt werden können.
EuGH: Keine öffentliche Wiedergabe bei gleicher Technik und gleichem Publikum
Für die OLG-Richter war seinerzeit ausschlaggebend, dass sich das eingebettete Video nicht in der Zugriffssphäre des Framenden befindet, weil allein derjenige, der das Video ursprünglich auf Youtube einstellt hat, darüber entscheidet, ob es weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich bleibt oder nicht. Dementsprechend halte der Framende selbst das Video weder zum Abruf bereit noch übermittle er es auf Abruf an Dritte. In seiner Person liege also keine öffentliche Zugänglichmachung nach § 19 UrhG vor (Urt. v. 16.02. 2012, Az. 6 U 1092/11). Der BGH schloss sich dieser Auffassung zwar grundsätzlich an und verneinte ebenfalls eine öffentliche Zugänglichmachung.
Gleichwohl hielten die Bundesrichter es aber für möglich, dass ein über die öffentliche Zugänglichmachung hinausgehendes, im deutschen Recht nicht benanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe verletzt sein könnte und legten die Sache daher dem EuGH vor (Beschl. v. 16.05.2013, Az. I ZR I ZR 46/12 Die Realität).
Der erteilte diesen Bedenken nun eine entschiedene Absage. Es liege keine öffentliche Wiedergabe vor, wenn weder ein neues Publikum erschlossen noch eine neue Technik verwendet wird, meinen die Luxemburger Richter.
Beide Kriterien seien im konkreten Fall zu verneinen. Denn sofern und soweit das Werk auf der Webseite, auf welche der Link verweist, frei zugänglich ist, sei davon auszugehen, dass die Inhaber des Urheberrechts, als sie die Wiedergabe erlaubt haben, an die Gesamtheit aller Internetnutzer als Publikum gedacht haben.
Keine überraschende Entscheidung
Der EuGH hält es dabei auch für unbeachtlich, dass dem Nutzer das Werk beim Anklicken auf der Webseite des Framenden in einer Art und Weise angezeigt wird, die ihm den Eindruck vermittelt, dass es von genau dieser Webseite aus gezeigt wird, obwohl es tatsächlich von einer anderen Seite stammt.
Die Entscheidung war insofern zu erwarten, als der EuGH die Leitlinien bereits jüngst in Sachen Svensson u.a. (Urt. v. 13.04.2014, Az. C 466/12) vorgegeben hat. Dort sprachen die Luxemburger Richter zu der verwandten rechtlichen Problematik des Setzens von Hyperlinks auf für jedermann frei zugängliche Inhalte ein nahezu identisches Diktum aus.
Mit dieser Reihe von Entscheidungen versucht Luxemburg ganz offensichtlich, dem technischen Fortschritt und den wachsenden Bedürfnissen des Zeitgeists gerecht zu werden. Ob er zur Verwirklichung dieses grundsätzlich legitimen Ziels künftig die Anliegen der Urheber noch weiter in den Hintergrund treten lässt, darf man mit Spannung abwarten.
Kein Freibrief fürs Framing
Allerdings bedeutet die Entscheidung aus Europa nicht, dass dem Framing keinerlei Schranken mehr gesetzt sind. Nur weil das Framing keine Urheberrechte verletzt, bedeutet das natürlich nicht, dass auch andere Rechtspositionen plötzlich zurücktreten müssten.
Wer beispielsweise die Persönlichkeitsrechte eines Dritten verletzt, indem er Videos einbettet, welche diesen lächerlich machen oder bloß stellen, muss natürlich auch weiterhin mit Abmahnungen rechnen.
Auch Verstöße gegen das Markenrecht bleiben weiterhin denkbar. Im dem Fall, über den der EuGH zu entscheiden hatte, hätte man übrigens durchaus auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche diskutieren können. Es ging um einen Film über Wasserverschmutzung, den der Rechteinhaber ursprünglich als eigene Werbemaßnahme angedacht hatte, dann aber feststellen musste, dass ein Wettbewerber diesen Film im Wege des Framings für eigene Zwecke nutzte. Die Möglichkeiten, beim Framing von Inhalten in Anspruch genommen zu werden, sind also vielfältig. Bedenkenlos sollte daher auch künftig kein Internetnutzer fremde Inhalte einbetten.
Der Autor Andreas Biesterfeld-Kuhn ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum Partnerschaft in Köln. Er ist spezialisiert auf das Urheber- und Medienrecht und dort insbesondere auf Rechtsverletzungen im Internet.
Andreas Biesterfeld-Kuhn, EuGH erlaubt Framing von Youtube-Videos: . In: Legal Tribune Online, 24.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13601 (abgerufen am: 12.10.2024 )
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