Das EuG ordnet die Einspeisevergütung für regenerativ erzeugten Strom nach dem EEG sowie Ausnahmen für einige Industriezweige von der EEG-Umlage als Beihilfe ein, wenn auch wohl als zu rechtfertigende. Felix Ekardt überzeugt das nicht.
Über kaum ein Gesetz im deutschen Energie- und Klimaschutzrecht wird so viel gestritten wie über das Erneuerbare-Engergien-Gesetz (EEG). Das Gesetz sowie sein Vorläufer, das Stromeinspeisungsgesetz, sehen eine für 20 Jahre verbindliche Vergütung nach staatlich festgesetzten Preisen für regenerativ erzeugten Strom vor, um klimafreundliche Stromquellen in den Markt zu bringen. Seit 2014 und noch mehr in der anstehenden Novelle 2016 wird dieses Vergütungssystem für neue Energieanlagen schrittweise durch ein Ausschreibungssystem abgelöst. Nach diesem schreibt der Staat regelmäßig bestimmte Mengen an Erneuerbare-Energien-Strom aus und erteilt Bewerbern einen Zuschlag zur Realisierung entsprechender Projekte für die Errichtung von Erneuerbare-Energien-Anlagen.
Anhand der Gesetzesfassung von 2014 hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) einem Beschluss der EU-Kommission folgend die deutsche Einspeisevergütung europarechtlich als Beihilfe eingestuft (Urt. v. 10.05.2016, Az. T-47/15). Ebenso wurde das weitgehende Ausnehmen bestimmter Industriezweige von der Umlage der Einspeisevergütungskosten auf alle Stromverbraucher als Beihilfe eingestuft. Die Nichtigkeitsklage der Bundesrepublik, die jenen Kommissionsbeschluss angefochten hat, wurde vom EuG abgewiesen. Dass die Beihilfen durch Ausnahmebestimmungen des Art. 107 Abs. 3 AEUV aus Gründen des Umweltschutzes allerdings nicht rechtswidrig seien, war zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig.
Abkehr von der Preussen-Elektra-Rechtsprechung?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied 2001 entgegen der Ansicht der EU-Kommission, dass Einspeisevergütungen keine Beihilfen seien. Denn das Geld fließt an die Erneuerbare-Energien-Erzeuger seitens der Netzbetreiber und wird durch eine Umlage von allen Stromverbrauchern finanziert. Eine staatliche Behörde hat mit diesen Zahlungsflüssen nichts direkt zu tun. Dabei erfordert das Vorliegen einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäische Union (AEUV), dass etwas aus staatlichen Mitteln gewährt wird. An das EuGH-Urteil fühlte sich das EuG mit der Entscheidung vom Dienstag nicht mehr gebunden, weil - anders als noch im Jahr 2001 - im heutigen EEG genauer geregelt sei, wie die Netzbetreiber das Geld von den Stromkunden erhalten.
Der Unterschied zwischen der heutigen und der damaligen Rechtslage erscheint dabei etwas konstruiert, denn die Logik des Gesetzes war damals die gleiche wie heute, wenn auch weniger genau normiert. Im Kern wirkt es deshalb eher so, als wolle das EuG den Beihilfebegriff ausdehnen. Das EuG kann sich damit des Beifalls vieler Stimmen sicher sein, die immer wieder geäußert hatten, dass ein staatliches Gesetz mit einer Preisregelung so oder so als Beihilfe eingeordnet werden müsse.
Zweifelhafte Erweiterung des Beihilfenbegriffs
Dabei übersieht das EuG, dass ohne einen engen Beihilfenbegriff das Beihilfenregime faktisch zum alles überragenden Regularium des Europarechts werden würde, obwohl gar keine staatliche Stelle Mittel auszahlt. So würde jede beliebige wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahme der Mitgliedstaaten einer Art generalklauselartigem Untersagungsvorbehalt unterworfen und damit der Charakter der EU als trotz aller Vorzüge eher subsidiäre Staatenverbindung konterkariert werden.
Gespannt darf man sein, ob der EuGH dem folgen wird. Fast noch spannender ist, ob künftig dann sämtliche wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen wie beispielsweise diverse Subventionierungen zugunsten der fossilen Brennstoffe ebenfalls als Beihilfen eingeordnet werden. Dabei ist theoretisch unstreitig, dass auch Verschonungssubventionen Beihilfen sein können. Dass beispielsweise Braunkohlekraftwerke dank staatlicher Genehmigungen gesellschaftliche Folgeschäden wie Klimaveränderungen und jährliche Kosten im Gesundheitssystem in Milliardenhöhe erzeugen, müsste konsequenterweise ebenfalls als Beihilfe gelten. Erst recht Beihilfen sind Steuervergünstigungen wie beispielsweise reduzierte wasser- oder bergrechtliche Abgaben für Braunkohletagebaue.
Anders als die EEG-Einspeisevergütung, die dem Klimaschutz dient und deshalb durch eine Ausnahme vom Beihilfenregime in Art. 107 Abs. 3 AEUV gerechtfertigt werden kann, dürften solche eindeutig umweltschädlichen Beihilfen übrigens nicht zu rechtfertigen sein. Nimmt das EuG seine eigenen Maßstäbe ernst, könnte es die Energiewende – allerdings womöglich entgegen seiner eigenen Intention – mit seiner neuen Linie deutlich beschleunigen.
2/2: Industrieausnahmen nicht zu rechtfertigen
Überzeugend erscheint dagegen die Einordnung der Industrieausnahmen als Beihilfe, da insoweit mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eine staatliche Behörde in die Geldflüsse eingeschaltet ist und sogar in gewissen Grenzen ein Ermessen ausüben kann. Anders als von Bundesregierung und EU-Kommission angenommen, dürften die Industrieausnahmen im EEG allerdings ebenso wenig nach Art. 107 Abs. 3 AEUV zu rechtfertigen sein wie die Verschonungssubventionen für die Braunkohle.
Natürlich würden die EU-Kommission und die Bundesregierung hier eine zweifache Rechtfertigung der Industrieausnahmen versuchen: Die neuen Beihilfeleitlinien der EU-Kommission, an denen sich das EEG 2014 besonders bei den Ausnahmeregelungen für die Industrie orientiert, sehen die Herausnahme von Wirtschaftszweigen aus dem Beihilfenbegriff vor. Sie betonen außerdem, dass Industrieausnahmen zum Erfolg einer Umweltschutzmaßnahme beitragen könnten, indem diese damit durchsetzbar würden. Jedoch sind die Beihilfeleitlinien teilweise unvereinbar mit dem EU-Primärrecht, in diesem Fall mit Art. 107-109 AEUV. Die EU-Kommission hat mit diesen Leitlinien ihren Gestaltungsspielraum für den Erlass einer solchen Leitlinie überschritten, was die Leitlinien ungültig macht.
Zwar dürfen gemäß Art. 1 Abs. 3 Ermächtigungsverordnung des EU-Ministerrates – die basierend auf einer Verordnungsermächtigung zum Erlass von Durchführungsverordnungen in Art. 109 AEUV eine Grundlage des Erlasses von Beihilfeleitlinien durch die EU-Kommission sind – bestimmte Wirtschaftszweige vom Anwendungsbereich des Beihilfenrechts ausgenommen werden. Allerdings passen weitgehende Ausnahmen für eine Vielzahl von Industriezweigen schlecht zum Begriff der "Durchführung". Ebenso wenig überzeugen kann der Gedanke, Industrieausnahmen als Umweltschutzbeihilfen zu deuten, denn diese entlasten Strom-Vielverbraucher von Kosten.
Perspektiven des EEG
Die ohnehin schon hochkontroverse Diskussion um das EEG wird durch dieses EuG-Urteil noch ein Stück bewegter. Denn mit der Einordnung auch der Einspeisevergütung als Beihilfe sichert sich die EU-Kommission eine ständige Interventionsmöglichkeit auf die Berliner Politik zum regenerativ erzeugten Strom. Denn diese Einordnung zwingt zur regelmäßigen Prüfung, ob eine Ausnahme gewährt werden kann.
Dass die EU gerade dem Pariser Klimaabkommen zugestimmt hat, scheint die EU-Kommission dabei etwas aus dem Blick zu verlieren. Dieses verlangt in seinem Art. 2 Abs. 1, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad, besser noch 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dies ist nach den Daten des Weltklimarats nur noch zu erreichen, wenn die Nutzung fossiler Brennstoffe weltweit mittelfristig vollständig beendet wird.
Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A. leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin und ist Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Rostock.
Felix Ekardt, EuG zum Erneuerbare-Energien-Gesetz: Die Energiewende als Beihilfe? . In: Legal Tribune Online, 10.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19341/ (abgerufen am: 22.04.2024 )
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