Das EuG erklärte das Verbot der Übernahme von Paketzusteller TNT durch UPS für nichtig – und zwar wegen der Verletzung von Verteidigungsrechten. Christian Karbaum begrüßt das Urteil – auch wenn UPS möglicherweise nichts mehr davon hat.
Das Europäische Gericht (EuG) hat die Untersagung der Übernahme des Paketdienstes TNT Express N.V. (TNT) durch den US-amerikanischen Logistikkonzern United Parcel Service Inc. (UPS) am Dienstag für nichtig erklärt (Urt. v. 07.03.2017, Az. T-194/13). Für europäische Fusionskontrollverfahren hat das EuG damit die Bedeutung des rechtlichen Gehörs und der Verteidigungsrechte von Zusammenschlussparteien gestärkt, indem es die zwingende Wahrung dieser fundamentalen Rechtsgrundsätze durch die Europäische Kommission einfordert. Dies ist begrüßenswert, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) zuletzt die Verfahrensrechte von Betroffenen in Bußgeldsachen beschnitten hatte (vgl. etwa Urt. v. 16.02.2017, Az. C-95/15 P).
Weil die Entscheidung der Europäischen Kommission nach Auffassung des Gerichts schon wegen der Verletzung der Verteidigungsrechten nichtig ist, hatten die Richter nicht mehr über die weiteren Klagegründe von UPS zu entscheiden. Dies ist bedauerlich, weil spannende Aussagen zur Bewertung von Effizienzen in der Fusionskontrolle sowie gegebenenfalls auch zu den für Nebenbestimmungen geltenden Anforderungen erwartet wurden.
Nichtsdestotrotz wirft das Urteil aber erneut die Frage nach der Amtshaftung für rechtswidrige Entscheidungen der Europäischen Kommission auf: Denn nachdem anstelle von UPS nun FedEX TNT zwischenzeitlich übernommen hat, ist eine Übernahme von TNT durch UPS faktisch nicht mehr möglich.
Hintergrund: das Zusammenschlussvorhaben
2012 hatte UPS angekündigt, seinen niederländischen Konkurrenten TNT übernehmen zu wollen und dadurch zum europäischen Marktführer DHL aufzuschließen. Die Europäische Kommission hatte dieses Vorhaben am 30. Januar 2013 trotz umfassender Zugeständnisse von UPS untersagt. So würde die Übernahme den Wettbewerb auf den nationalen Märkten für Express-Paketdienste in 15 Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigen, weil die Zahl der großen Anbieter durch die Übernahme jeweils auf drei oder sogar nur zwei Anbieter reduziert würde, argumentierte die Europäische Kommission. Dies hätte Preissteigerungen zu Lasten der Kunden befürchten lassen, wie eine ökonometrische Analyse der Europäischen Kommission belege.
Auch die Angebote seitens UPS, von TNT erworbene Unternehmensteile zu verkaufen, um die Übernahme zu ermöglichen, reichten nicht, um die Bedenken der Europäischen Kommission zu beseitigen. Unter anderem deshalb, weil UPS keinen geeigneten Erwerber präsentieren konnte.
Diese Untersagung des Kaufs durch die Europäische Kommission war insoweit bemerkenswert, weil UPS eben dieser angeboten hatte, die TNT-Tochtergesellschaften in den betreffenden 15 Mitgliedstaaten – also sämtliche Überschneidungsbereiche, die aus Sicht der Europäischen Kommission wettbewerblich kritisch waren – zu veräußern und sein innereuropäisches Flugstreckennetz für fünf Jahre für den betreffenden Käufer zu öffnen.
UPS erhob Nichtigkeitsklage gegen die Untersagungsentscheidung und warf der Europäischen Kommission in mehrfacher Hinsicht offensichtliche Beurteilungs- und Rechtsfehler bei der wettbewerblichen Bewertung des Zusammenschlusses sowie eine Verletzung der Verteidigungsrechte von UPS vor. So habe die Europäische Kommission unter anderem die die nach dem Zusammenschluss zu erwartenden Preise für Expresspaketdienste falsch prognostiziert. Zudem habe sie die Verteidigungsrechte von UPS verletzt, indem sie ein von UPS vorgelegtes ökonometrisches Gutachten zu den Auswirkungen des Vorhabens erheblich abgeändert hatte, ohne UPS hierzu anzuhören oder die vorgenommenen Änderungen angemessen zu erläutern.
EuG hebt Verbot der Übernahme von TNT durch UPS auf: . In: Legal Tribune Online, 07.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22305 (abgerufen am: 13.11.2024 )
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