EU-Kommission zum "Digital Single Market": Alle Macht den Super­be­hörden

26.05.2016

2/2: Online-Handel: Kontrahierungszwang von hinten durch die kalte Küche

Für den Bereich des Online-Handels legt die Kommission den Entwurf einer Richtlinie zur Bekämpfung des Geoblocking vor. Danach soll es Händlern und Dienstleistern grundsätzlich untersagt werden, den Zugriff auf Websites von der Nationalität, dem Sitz oder Aufenthaltsort des Kunden abhängig zu machen. Online-Händler oder –Dienstleister sollen zudem verpflichtet werden, ihre Waren und Dienstleistungen europaweit zu gleichen Konditionen anzubieten.

Sogar bei den Zahlungsbedingungen sollen Anbieter europaweit zu gleichen Bedingungen anbieten müssen. Händler dürften Kreditkartenzahlungen bei Kunden aus bestimmten Ländern künftig nicht mehr  wegen hoher Bankgebühren ablehnen, sondern sollen durch die vorgeschlagene Regelung verpflichtet werden, Kreditkartenzahlungen aus in ganz Europa zu ermöglichen.

De facto bedeutet der Kommissionsvorschlag einen Kontrahierungszwang von hinten durch die kalte Küche. Nicht nur Start-Ups und kleine Händler, sondern auch Mittelständler schrecken bislang davor zurück, Waren und Dienstleistungen in ganz Europa anzubieten. Zu unübersichtlich ist die Rechtslage in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, zu unterschiedlich sind die Retourquoten und Bonitätsrisiken. Allein der Aufwand für eine umfassende Rechtsberatung, die einen Online-Shop in 28 Mitgliedsstaaten rechtskonform macht, lässt viele Anbieter zurückschrecken. Deutlich sechsstellige Beratungshonorare sind keine Seltenheit, der Umsetzungsaufwand ist beträchtlich.

Paketzusteller an den Pranger, Superbehörden an die Macht

Mit einer weiteren Richtlinie will die Kommission die Paketzustellung regulieren. Alle Paketzusteller sollen verpflichtet werden, ihre grenzüberschreitenden Tarife behördlich prüfen zu lassen. Dabei geht es um die Angemessenheit ("affordability") der Tarife. Die Ergebnisse dieser Prüfung will die Europäische Kommission veröffentlichen. Und wird damit Zusteller europaweit an den Pranger stellen, deren Tarife für "unangemessen" erachtet werden.

Beinahe vollständig ändern will die Kommission die Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz. In 53 statt bislang 22 Artikeln werden Verbraucherschutzbehörden aus ganz Europa zur intensiven Zusammenarbeit bei der Durchsetzung des europäischen Verbraucherschutzrechts verpflichtet.

Die Mitgliedstaaten sollen zur Errichtung schlagkräftiger, nach Angaben von Oettinger organisatorisch wie faktisch von Politik und Regierungen unabhängiger Behörden verpflichtet werden. Dies alles unter den wachsamen Augen der Kommission, die damit de facto zur obersten Verbraucherschutzbehörde Europas würde.

Deutschland setzt seit jeher auf eine Durchsetzung des Verbraucherschutzrechts mit den Mitteln des Wettbewerbs- und Privatrechts. Der Kommissionsvorschlag würde auch die Bundesrepublik zur Errichtung einer Verbraucherschutz-Superbehörde zwingen. Das würde allenfalls Planstellen im öffentlichen Dienst schaffen, aber gewiss kein Wachstum und keine Stärkung der deutschen Digitalwirtschaft.

Der Autor Professor Niko Härting ist Partner bei HÄRTING Rechtsanwälte in Berlin, Lehrbeauftragter und Honorarprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR Berlin) sowie Lehrbeauftragter an der Freien Universität Berlin. Einer seiner Beratungsschwerpunkte liegt im Recht des Online-Handels und der Beratung von Startup-Unternehmen. 

Zitiervorschlag

EU-Kommission zum "Digital Single Market": Alle Macht den Superbehörden . In: Legal Tribune Online, 26.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19476/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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