Ab dem 3. Dezember 2018 gilt die Geoblocking-Verordnung. Sie soll EU-Bürgern "barrierefreies" Online-Shopping ermöglichen – ist aber auch nicht die Lösung aller Probleme, zeigen Frédéric Crasemann und Martin Gerecke.
Wer bislang ein Produkt über die Bestellseite eines ausländischen EU-Webshops erwerben wollte, musste mit automatischen Weiterleitungen auf die nationale Shopversion rechnen. Dort angekommen, war das Produkt entweder gar nicht oder nur zu einem erheblich höheren Preis verfügbar.
Anfang 2018 vom Europäischen Parlament gebilligt, gilt die Geoblocking-Verordnung EU 2018/302 ab dem 3. Dezember 2018. Sie schiebt ungerechtfertigtem, sogenanntem Geoblocking einen Riegel vor und soll allen EU-Bürgern pünktlich zum Weihnachtsgeschäft "barrierefreies" Online-Shopping ermöglichen – ein wichtiger Schritt zur Erreichung eines einheitlichen digitalen Binnenmarktes – aber nicht die Lösung aller Probleme.
Die Geoblocking-Verordnung verhindert, dass Kunden beim grenzüberschreitenden Einkauf von Waren und Dienstleistungen innerhalb der EU wegen ihrer Staatsangehörigkeit, ihres Wohnsitzes oder des Ortes ihrer Niederlassung diskriminiert werden.
Was die Verordnung erreichen soll
Zum einen müssen Kunden nun frei wählen können, über welche Shopversion sie Waren oder Dienstleistungen erwerben, ohne automatisch umgeleitet oder blockiert zu werden. Zum anderen werden Händler verpflichtet, an alle Kunden innerhalb der EU zu denselben Preis-, Zahlungs- und Lieferbedingungen zu verkaufen wie an nationale Kunden.
In persönlicher Hinsicht gilt die Verordnung nur für den Vertrieb an Endabnehmer, also Verbraucher und Unternehmer, die Waren oder Dienstleistungen für den Eigengebrauch, nicht aber zum Weiterverkauf oder zur Weiterverarbeitung nutzen.
In räumlicher Hinsicht sind alle grenzüberschreitenden Sachverhalte innerhalb der Europäischen Union erfasst. Einige Wirtschaftsbereiche, insbesondere Finanzdienstleistungen, Gesundheitsdienstleistungen, audiovisuelle Dienste (insbesondere Streaming- und Downloaddienste), Leiharbeit, Telekommunikation, soziale Dienste, Glücksspiel und Sicherheitsdienste sind sachlich vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen.
Keine automatische Weiterleitung auf nationale Website
Verboten ist das Sperren oder Beschränken des Zugangs zu Webseiten, Apps oder Plattformen. Unzulässig ist insbesondere das sogenannte Autoforwarding, also das ungefragte Verweisen auf eine andere Benutzeroberfläche ohne ausdrückliche Zustimmung des Kunden, sofern die Weiterleitung aus herkunftsbezogenen Gründen erfolgt.
So muss jede Online-Shopversion künftig für jeden EU-Bürger frei zugänglich sein und bleiben. Eine sprachliche Anpassung der Webshops ist nicht vorgeschrieben. Eine einmal erteilte Zustimmung zum automatischen Weiterleiten muss jederzeit widerrufbar und die ursprüngliche Seite entsprechend leicht wieder aufrufbar sein. Das Autoforwarding bleibt ausnahmsweise zulässig für Produkte, die nationalen Werbe- oder Vertriebsbeschränkungen unterliegen, etwa aus Gründen des Gesundheits- oder Jugendschutzes.
Wenn es zum Beispiel eine französische Shopversion gibt, muss ein deutscher Kunde die entsprechende Webseite aufrufen können. Stimmt der deutsche Kunde einem Autoforwarding zur deutschen Shopversion zu (etwa durch Setzen eines Häkchens in einem Pop-up-Fenster), muss er im Anschluss ohne Weiteres zurück zur französischen Shopversion gelangen können. Der Shopbetreiber muss die französische Shopversion jedoch nicht in deutscher Sprache zugänglich halten.
Keine Diskriminierung durch allgemeine Kaufbedingungen
Innerhalb der EU müssen gemäß der Verordnung nicht nur sämtliche Webseiten allen EU-Bürgern diskriminierungsfrei zugänglich sein. Jeder EU-Bürger muss auch in den Genuss der dort jeweils gültigen Geschäfts-, Preis- und Lieferkonditionen kommen. Das bedeutet jedoch nicht, dass unterschiedliche Geschäfts-, Preis- und Lieferkonditionen je (landesspezifischer) Shopversion verboten wären. Händler werden durch die Verordnung nicht gezwungen, Kunden innerhalb der gesamten EU zu beliefern oder in allen Shopversionen für dasselbe Produkt identische Preise zu verlangen. Die landesspezifischen AGB müssen auch nicht übersetzt werden. Eine herkunftsbezogene Diskriminierung liegt erst vor, wenn dieselbe Shopversion ausländischen EU-Kunden andere Konditionen anbietet als den nationalen Kunden.
Ein Beispiel: Einem Händler steht es frei zu entscheiden, ein bestimmtes Produkt in der französischen Shopversion mit einem Rabatt und damit preiswerter anzubieten als in der deutschen Shopversion. Der Händler kann auch frei entscheiden, das Produkt zu diesem Preis nur nach Frankreich zu liefern und nicht in andere EU-Länder. Ein deutscher Kunde muss dann aber die Möglichkeit haben, das Produkt zu diesem Preis auf der französischen Shopversion zu erwerben und dabei eine französische Lieferadresse anzugeben, auch wenn seine Rechnungsadresse in Deutschland liegt.
Bietet die französische Shopversion hingegen grundsätzlich Lieferungen nach Deutschland an, können zwar der Bruttopreis (wegen unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze) und die Lieferkosten abweichen, nicht jedoch der Nettopreis für Lieferungen nach Deutschland.
Keine Diskriminierung im Zusammenhang mit Zahlungsvorgängen
Schließlich ist es verboten, im Zusammenhang mit Zahlungsmodalitäten herkunftsbezogen zu diskriminieren. Zwar steht es dem Händler frei zu entscheiden, welche Zahlungsmittel er grundsätzlich akzeptiert. Im Anschluss muss er aber sicherstellen, dass die Zahlungsmöglichkeiten auf der Online-Benutzerfläche für In- und Ausländer einheitlich gestaltet sind. Es wäre unzulässig, für EU-Auslandsbestellungen stets Vorkasse zu verlangen, während nationale Kunden auch auf Rechnung einkaufen dürfen. Bietet hingegen ein Zahlungsdienstleister seine Leistungen nicht EU-weit an, hindert dies dessen Verwendung in bestimmten Shopversionen nicht. Dann geht die Beschränkung nämlich nicht vom Online-Händler aus, sondern vom Payment-Anbieter.
Werden beispielsweise Kreditkarten als Zahlungsmittel in einer Shopversion grundsätzlich akzeptiert, wäre es unzulässig, nur für Zahlungen mit ausländischen Kreditkarten ein Entgelt zu erheben. Bietet eine Shopversion grundsätzlich Paypal und Rechnungskauf als Zahlungsart an, muss auch jeder EU-Ausländer per Paypal oder Rechnungskauf dort bezahlen können.
Geldbuße bei Verstoß in Höhe von bis zu 300.000 Euro
Wer in Deutschland gegen die Vorschriften der Geoblocking-Verordnung verstößt, handelt ordnungswidrig nach § 149 Abs. 1c) Telekommunikationsgesetz (TKG). Ein Verstoß kann mit einer Geldbuße von bis zu 300.000 Euro geahndet werden (§ 149 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TKG). Die Bundesnetzagentur ist für die Durchsetzung der Geoblocking-Verordnung zuständig. Außerdem können Wettbewerber Verstöße kostenpflichtig abmahnen.
Wer ab dem 3. Dezember 2018 ein Produkt über die Bestellseite eines ausländischen EU-Webshops erwerben will, muss nicht mehr damit rechnen, automatisch auf die nationale Shopversion weitergeleitet zu werden. Er kann vielmehr darauf vertrauen, um Zustimmung zur Weiterleitung gebeten zu werden oder sich auf der ausländischen und fremdsprachigen Shopversion wiederzufinden.
Ab dem 3. Dezember 2018 kann jeder EU-Bürger zu denselben Konditionen online einkaufen, wie sie einem Franzosen in Frankreich, einem Finnen in Finnland oder einem Deutschen in Deutschland angeboten werden. Ein Recht auf Lieferungen in ein bestimmtes Heimatland oder gleiche Preise in allen nationalen Shopversionen begründet die Geoblocking-Verordnung aber nicht.
Der Autor Frédéric Crasemann ist Rechtsanwalt und berät Unternehmen in allen Fragen des deutschen und europäischen Kartellrechts. Der Autor Dr. Martin Gerecke ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Urheber- und Medienrecht und berät insbesondere zum Recht neuer Medien. Beide sind am Hamburger Standort der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland tätig.
Geoblocking-Verordnung wird wirksam: . In: Legal Tribune Online, 30.11.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32435 (abgerufen am: 05.10.2024 )
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