Weltfrauentag und Equal Pay: EU will Sank­tionen gegen Loh­n­un­g­leich­heit

von Tanja Podolski

07.03.2023

Frauen verdienen im Schnitt 18 Prozent weniger als Männer – und das trotz AGG, EntgTranspG und GG. Da das in vielen Mitgliedstaaten ähnlich aussieht, arbeitet die EU an neuen Regeln, um die Lohngleichheit herzustellen.

"Jedes Jahr dasselbe", schreibt der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) in seiner Pressemitteilung zum Equal Pay Day. Dieser markiert symbolisch den Tag, bis zu dem Frauen arbeiten müssten, um auf das Gehalt zu kommen, das Männer bereits am 31. Dezember erzielt haben. In diesem Jahr ist das der heutige Dienstag, der 7. März. Der Equal Pay Day fällt also fast zusammen mit dem Weltfrauentag, der jährlich am 8. März begangen wird.

Am Equal Pay Day 2023 werde "dasselbe geschehen wie all die Jahre davor", schreibt der djb: Der Entgeltunterschied zwischen Männern und Frauen von 18 Prozent werde angeklagt. Es werde einige Aktionen geben, damit die Medien dem Problem etwas mehr Raum geben. Und dann? Nichts. Nichts bis zum Equal Pay Day 2024.

Neue Richtlinie Ende März im EU-Parlament

In diesem Jahr stimmt das so nicht ganz – das weiß auch der djb. Denn die Europäische Union (EU) arbeitet an einer Richtlinie, um die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen zu schließen. Die Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, EU-Kommission und Mitgliedstaaten mit dem Ziel, sich auf eine gemeinsame Position zu einigen, sind längst abgeschlossen. Am 29. März 2023 steht die Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments an, die Zustimmung gilt als Formsache.

"Sobald dies geschehen ist, wird die Richtlinie zeitnah veröffentlicht und 20 Tage danach in Kraft treten", sagt Sarah Lincoln von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). Sarah Lincoln ist Expertin für Entgeltgleichheit, die Juristin hat jüngst an der Seite von Susanne Dumas die Klage um die Frage der Entgeltdiskriminierung bei schlechterem Verhandeln vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) betreut – und das Verfahren gewonnen (Urt. v. 16.02.2023, Az. 8 AZR 450/21). Die Bundesrichter:innen aus Erfurt erlaubten in dem Fall keine Lohnungleichheit mit dem Argument, der Mann habe beim Einstieg in den Job sein Gehalt besser verhandelt als die Frau in vergleichbarer Position.

Sarah Lincoln hat sich die Pläne der EU angesehen – und meint: "Die neuen Regeln werden eine deutliche Verbesserung bedeuten".

Deutschland ungleicher als der EU-Durchschnitt

Die EU will den Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche oder gleichwertige Arbeit zwischen Männern und Frauen durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen erreichen, die in der Richtlinie festgeschrieben werden. Denn Lohngleichheit für gleiche oder vergleichbare Arbeit ist zwar ein Grundprinzip der EU seit den Römischen Verträgen aus dem Jahr 1957 – doch das ist in vielen Ländern der EU keine Realität. Noch immer verdienen Frauen in der EU im Durchschnitt 13 Prozent weniger als Männer, in Deutschland sind es 18 Prozent, teilte die Kommission kürzlich mit.

Daran hatte auch das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG), das seit dem 6. Juli 2017 in Kraft ist und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ergänzen sollte, nichts geändert. Das Gesetz sei aber auch handwerklich schlecht gemacht, sagen Arbeitsrechtler:innen. In der Frage sind sich offenbar alle Fachleute dieses Rechtsgebiets einig – unabhängig vom jeweiligen Lager.

Die EU geht nun erstmalig mit der geplanten Richtlinie, der Entwurf liegt LTO vor, konkret gegen den Missstand vor – und stößt in die Lücken vor, die das EntgTranspG noch offengelassen hatte. Insbesondere die Regelungen zum Median, zur Vergleichsgruppe und die fehlenden Sanktionen lassen bisher mögliche Anspruchstellerinnen in vielen Fällen in die Leere laufen.

Was wird genau geregelt?

Mit der EU-Regelung soll das anders werden. Vorgegeben werden darin u.a. diverse neue Transparenzpflichten, Frageverbote und Sanktionen. "Die weitreichendste Neuerung ist wohl der Auskunftsanspruch aus Art. 7 des Entwurfs der RiLi" (RiLi-E), sagt Sarah Lincoln. Während das EntgTranspG auf den Median abgestellt – also den Mittelwert der Gehälter – zielt der Richtlinienentwurf auf den Durchschnitt ab. "Beschäftigte erhalten damit einen Anspruch auf Auskunft über den Durchschnittslohn der Kolleginnen und Kollegen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und vergleichbare Tätigkeiten", erklärt Lincoln. Dieser Anspruch sei zudem unabhängig von der Größe des Unternehmens – bisher gilt das EntgTranspG nur für Unternehmen ab 201 Mitarbeitenden.

Für den Auskunftsanspruch nach dem EntgTranspG muss eine Person zudem mindestens sechs andere Personen des jeweils anderen Geschlechts aus einer Vergleichsgruppe benennen können. Auch dieses Erfordernis entfällt mit der geplanten Richtlinie: "Diese Tatbestandsvoraussetzung hat in vielen Fällen ausgeschlossen, Informationen über Gehälter zu bekommen", weiß Sarah Lincoln. Denn oft gebe es gar nicht so viele Personen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten – und die zudem noch vom anderen Geschlecht sind.

Lohntransparenz schon vor Jobeinstieg

Für Beschäftigte wird es darüber hinaus schon vor dem Einstieg in eine Position leichter werden, Lohnunterschiede zu erkennen: "Mit der Richtlinie werden Unternehmen verpflichtet, schon vor der Einstellung einer Person die Gehaltsspanne und den Einstiegslohn für die konkrete Position mitzuteilen", erklärt Dr. Hans-Peter Löw, Arbeitsrechtler und Senior Counsel bei DLA Piper.

Außerdem wird sich aus der Richtlinie das Verbot ergeben, die Bewerber:innen nach dem bisherigen Gehalt zu fragen. "Ein fortschrittliches agierendes, modernes Unternehmen würde das schon bisher nicht machen", sagt Hans-Peter Löw, aber verboten sei es bisher nicht. Wer jedoch einmal – aus welchen Gründen auch immer – mit einem geringen Gehalt ins Arbeitsleben eingestiegen sei, habe immer Schwierigkeiten, da herauszukommen. Das könnte sich mit der RiLi ändern.

Zudem müssen Unternehmen nach Art. 6 des Entwurfs künftig Kriterien angeben, wie Beschäftigte ihr Gehalt verbessern und sich weiter entwickeln können. "Größere Unternehmen dürften eine derartige Transparenz schon haben, für kleine Unternehmen wird es ein gewisser Aufwand, diese Parameter zu erarbeiten", meint Löw – aber es sei machbar.

Die Gesetzgeber der Mitgliedstaaten können Unternehmen bis 50 Beschäftigte von den Vorgaben aus Art. 6 ausnehmen, Löw geht von aus, dass der deutsche Gesetzgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird.

Berichte und Sanktionen

Ab einer gewissen Größe kommen Berichtspflichten auf die Unternehmen zu, regelt Art. 8 RiLi-E. "Die Unternehmen müssen die im eigenen Betrieb bestehende aktuelle Lohnlücke zwischen Männern und Frauen benennen", erklärt Sarah Lincoln von der GFF. Unternehmen ab 100 Beschäftigten sind künftig zu dieser Veröffentlichung verpflichtet. Abhängig von ihrer Unternehmensgröße müssen sie die Zahlen jährlich oder bis hin zu einem 5-Jahres-Turnus veröffentlichen. Auch kleinere Betriebe sollen aber – so heißt es in dem Entwurf – durch die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert werden, die Angaben auf freiwilliger Basis zu veröffentlichen.

Anders als bisher im EntgTranspG sieht die geplante Richtlinie zudem vor, dass die Mitgliedstaaten Sanktionen einführen für den Fall, dass sich Unternehmen nicht an die Vorgaben halten. Diese sollen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein, heißt es in Art. 20. Die genaue Ausgestaltung wird den Mitgliedstaaten überlassen bleiben.

Von der Einhaltung der Maßnahmen kann künftig der Zuschlag für öffentliche Aufträge abhängen: Die öffentlichen Auftraggeber sollen nämlich Statistiken zur Lohngleichheit verlangen können – wer die nicht liefert, wird künftig wohl leer ausgehen.

Lohngleichheit vielleicht ab 2027

Vermutlich werden Arbeitgeber-Anwälte das EU-Vorhaben mit ähnlichen Begriffen wie "Paukenschlag" oder "Ungemach" titulieren. DLA-Anwalt Hans-Peter Löw aber bleibt gelassen: "Das Ziel der Lohntransparenz und in der Folge Equal Pay ist richtig und unterstützenswert ", so der langjährige Partner einer Großkanzlei. Der Gesetzgeber müsse nur sicherstellen, dass der Aufwand verhältnismäßig bleibt."

Dass die Transparenz kein Problem sein muss, zeige das Bespiel USA. "Dort müssen Unternehmen in vielen Bundesstaaten schon jetzt offenlegen, was sie ihren Mitarbeiter*innen zahlen", sagt Sarah Lincoln von der GFF.

"Die Mitgliedstaaten haben bis zu drei Jahre Zeit, um die Anforderungen in nationales Recht umzusetzen", erklärt Lincoln. "Arbeitgeber müssen sich also darauf einstellen, dass die Löhne in ihrem Unternehmen in den nächsten Jahren transparenter werden. Um Lohnnachforderungen vorzubeugen, sollten sie bereits jetzt sicherstellen, dass Frauen und Männer für gleichwertige Arbeit auch gleich entlohnt werden."

Dann aber, in einigen Jahren, liest sich die Pressemitteilung des djb zum Equal Pay vielleicht anders – und der Weltfrauentag feiert Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen. Vielleicht.

Zitiervorschlag

Weltfrauentag und Equal Pay: . In: Legal Tribune Online, 07.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51241 (abgerufen am: 10.12.2024 )

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