Das Interesse an sportlichen Videospiel-Wettkämpfen wächst kontinuierlich, in der Branche fließt viel Geld. Dieter Frey zu einem komplexen System von Rechtsbeziehungen, das die Ausrichter von Profi-Turnieren vor Herausforderungen stellt.
Rund 380 Millionen E-Sport-Fans verfolgen die virtuellen Wettkämpfe der Top-Spieletitel wie etwa Fifa, League of Legends oder Counter-Strike: Global Offensive im Jahr 2018. Laut aktuellem "2018 Global eSports Market Report" des Marktforschungsunternehmens Newzoo sollen es 2021 550 Millionen sein. Beeindruckend ist auch das weltweite Umsatzwachstum: Newzoo hat für 2017 655 Millionen Dollar ermittelt, welches 2018 auf 906 Millionen und 2021 auf 1,65 Milliarden Dollar ansteigen soll.
Professionelle Wettkämpfe mithilfe von Videospielen haben sich damit längst von einer Subkultur zu einem eigenständigen Ökosystem verwandelt. Anders als klassische Sportdisziplinen hat sich der E-Sport allerdings global und weitgehend frei von korporationsrechtlichen Strukturen entwickelt – und unterliegt einem großen Einfluss der Spielehersteller.
Profispieler, die in sogenannten Clans international organisiert sind, tragen die Wettkämpfe aus, die von Turnier- und Ligaveranstaltern oder durch die Spielehersteller selbst organisiert werden. Nachgelagert verdienen Plattformbetreiber, Investoren oder die Werbe- und Wettindustrie an solchen Events gutes Geld. Sponsoren und Medienpartner zeigen zunehmendes Interesse.
Anerkennung als Sport: auch Daddeln muss gekonnt sein
Der E-Sport ist keine historisch gewachsene Sportart, sondern eher eine Disziplin sui generis, die in Deutschland (noch) nicht als Sport anerkannt ist. Dreh- und Angelpunkt ist die steuerrechtliche Anerkennung der Gemeinnützigkeit nach der Abgabenordnung: Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hat zuletzt - mangels einer Legaldefinition - bei der Einordnung eines Sachverhaltes als Sport auf eine körperliche, über das ansonsten übliche Maß hinausgehende Aktivität abgestellt, die durch äußerlich zu beobachtenden Anstrengungen oder durch die einem persönlichen Können zurechenbare Kunstbewegung gekennzeichnet ist.
Es mehren sich Stimmen, die aufgrund der für den E-Sport notwendigen Fertigkeiten eine Anerkennung verlangen. Im Koalitionsvertrag wird zusätzlich sogar die Schaffung einer olympischen Perspektive gefordert, die auch das Internationale Olympische Komitee kürzlich in einem eigenen E-Sport-Forum erörtert hat.
Ohne die Anerkennung bleiben dem virtuellen Sport bestimmte Privilegierungen vorenthalten. Hierzu gehört zum Beispiel die Partizipation an Fördermitteln des Bundes oder der Länder.
Zocken in doppelter Hinsicht
Hinzu kommen rechtliche Restriktionen:
Ein Veranstalter, der in physischen Räumlichkeiten E-Sport-Events organisiert, benötigt nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) eine Spielhallenerlaubnis, sofern die Besucher selbst spielen und nicht das Zuschauen bei Spielen professioneller E-Sport-Clans im Vordergrund steht. Der Zugang Minderjähriger zu solchen Veranstaltungen scheidet damit aus.
Außerdem ist der E-Sport ein attraktiver Wettmarkt. Auch weil das Glücksspielrecht aufgrund der gescheiterten Reform durch die Länder weiterhin kein handhabbares Regime für Sportwetten bereithält, bewegen sich die Anbieter hier in einem rechtlichen Graubereich. Solange E-Sport nicht als Sport anerkannt ist, könnten Konzessionen für Sportwetten im Internet, die nach dem Glückspielstaatsvertrag zur Regulierung dieses lukrativen Marktes vorgesehen sind, E-Sport-Veranstaltungen gar nicht einbeziehen. Veranstalter müssten sich auf die Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielregimes in Deutschland berufen.
Die Anerkennung als Sport wäre also nicht nur für Spieler und Vereine, sondern auch Veranstalter ein zentraler Schritt für eine breitere Akzeptanz des E-Sports. Daher forciert der E-Sport-Bund Deutschland (ESBD) den politischen Diskurs um die Anerkennung, die der Deutsche Olympische Sportbund bislang verwehrt. Auch auf internationaler Ebene bemühen sich Verbände wie die International E-Sport Federation um die Anerkennung als olympische Disziplin und die Etablierung allgemeingültiger Regularien und Durchführungsbestimmungen.
Spielehersteller am Drücker
Ob Spielehersteller wie beispielsweise Riot Games oder die Valve Corporation gewillt sind, sich in solche Strukturen einzubringen beziehungsweise sich der Kontrolle eines Verbands zu unterwerfen, bleibt offen. Als kreative Schöpfer haben sie jedenfalls die Entscheidungshoheit über die Lizenzierung ihrer Spiele für kommerzielle Events inne und damit einen weitreichenden Einfluss auf das Spielgeschehen. Dies ist eine zentrale rechtliche Herausforderung für die Durchführung von E-Sport-Events.
Der urheberrechtliche Schutz beruht auf dem zugrundeliegenden Computerprogramm wie auch auf den einzelnen gestalterischen Elementen des Spiels. Teilweise kommt sogar der Schutz als Filmwerk in Betracht. Die Vervielfältigung der für den Wettbewerb verwendeten Spiele und auch die öffentliche Wiedergabe der Spielinhalte sind daher urheberrechtlich relevante – und somit erlaubnispflichtige - Verwertungshandlungen.
Zudem unterfällt die Wahrnehmbarmachung des Spielgeschehens für anwesendes Publikum dem Vorführungsrecht, die lineare Übertragung an die Öffentlichkeit dem Senderecht und die Verbreitung über Video-on-demand-Plattformen dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. Die Standard-Lizenzbedingungen der Spielehersteller verbieten üblicherweise solche kommerziellen Nutzungen. Daher sind Veranstalter gehalten, vertragliche Absprachen über die Verwendung eines Spiels für solche Events mit dem jeweiligen Spielehersteller zu treffen.
Außerdem ist es gängige Praxis der Spielehersteller, ihre Spiele regelmäßig auf neuere Programmversionen zu aktualisieren. Solche Updates betreffen neben rein technischen Anpassungen oft auch Eingriffe in die Spielmechanik und die Stärke der Spielfiguren im Verhältnis zueinander. Um einen fairen Spielablauf zu gewährleisten, müssen solche Updates während einer laufenden Spielsaison vertraglich geregelt werden.
Besondere Knackpunkte: Regulierung, Jugendschutz und Werbung
Ursprung jeglicher wirtschaftlichen Nutzung von E-Sport-Events in Veranstaltungshallen ist – wie bei klassischen Arenasportarten auch – das Hausrecht des Veranstalters. Er kann über den Zutritt zum Veranstaltungsort zum Zweck der Bildberichterstattung bestimmen oder das Sendesignal selbst produzieren und an Sender oder Plattformen lizenzieren. Die Gewährung medialer Nutzungsrechte ist in etwa vergleichbar mit dem klassischen Sport. Auch beim Sponsoring von E-Sport-Veranstaltungen, den teilnehmenden Teams oder Spielern ergeben sich grundsätzlich keine spezifischen Probleme.
Anders sieht es für Veranstalter aber bei einer Reihe rechtlicher Vorgaben aus, die sich u.a. aus der Rundfunk- und Medienregulierung oder dem Jugendschutz ergeben.
So regelt der Rundfunkstaatsvertrag (RStV) etwa die Frage nach der Notwendigkeit einer Rundfunkzulassung, sobald ein E-Sport-Event live gestreamt wird. Ein solches Zulassungserfordernis ist immer dann gegeben, wenn es sich bei dem verbreiteten Angebot um linearen Rundfunk und nicht um ein zulassungsfreies Telemedienangebot handelt, das Angebot also für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmt ist und dessen Veranstaltung und Verbreitung entlang eines Sendeplans erfolgt.
Darüber hinaus müssen entsprechende Angebote die im RStV etablierten Grundgebote des Werberechts, nämlich das Trennungs- und Erkennbarkeitsgebot berücksichtigen: Redaktionelle Bewegtbild-Inhalte und werbliche Inhalte sind eindeutig voneinander zu trennen. Es darf keine Vermischung von eigentlichem gesendeten Inhalt und Werbung erfolgen. Letztere muss zudem leicht als solche zu erkennen sein. Daneben ist immer auch das Verbot von Schleichwerbung zu beachten.
Werden E-Sport-Events gestreamt oder auf Abruf angeboten, so sind die Regelungen des Jugendmedienschutzstaatsvertrages (JMStV) zu beachten, wonach jugendgefährdende Angebote grundsätzlich nicht verbreitet bzw. zugänglich gemacht werden dürfen. Bei entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten muss dafür Sorge getragen werden, dass Minderjährige der betroffenen Altersstufen diese üblicherweise nicht wahrnehmen. Im unverschlüsselten Fernsehen und in Telemedien gelten die nach Altersstufen gestaffelten Sendezeitgrenzen des JMStV.
Bei der Alterseinstufung ist das Verhältnis der USK-Kennzeichnung des Videospiels zu den Altersgrenzen-Regelungen des JMStV ungeklärt. Vieles spricht für die Auffassung, nicht die USK-Kennzeichnung heranzuziehen, sondern eine eigenständige Bewertung des durch den moderierten Stream und die Zusammenschnitte neu entstandenen Gesamtberichts durchzuführen. Denn das abgefilmte Geschehen wird nur passiv konsumiert und die fehlende Interaktivität entfaltet nicht die gleiche Wirkungsmacht wie das Spielen selbst.
Fest steht: Die hier aufgeworfenen Themen stellen nur einen Ausschnitt weiterer, zum Teil immer noch offener Rechtsfragen dar. Die Professionalisierung des E-Sport wird hier mit der Zeit mehr Klarheit schaffen – auch wenn es zumindest in Deutschland noch ein wenig dauern könnte.
Der Autor Rechtsanwalt Prof. Dr. Dieter Frey, LL.M. (Brügge) ist Partner der Kanzlei FREY Rechtsanwälte Partnerschaft in Köln, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und Honorarprofessor für Medien- und Sportrecht an der University of Applied Science Europe sowie Vorstand des kölner forum medienrecht e.V.
Professionalisierung des E-Sports: . In: Legal Tribune Online, 21.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30457 (abgerufen am: 13.11.2024 )
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