Startschuss für das digitale Notariat: Erste Online-Grün­dung einer GmbH

von Katharina Uharek

01.08.2022

Das DiRUG ermöglicht es, Gesellschaften online zu gründen, ins Notarbüro muss man dafür künftig nicht mehr. Der Präsident der Bundesnotarkammer im Interview über die neuen Möglichkeiten der Online-Beurkundung.

LTO: Herr Professor Bormann, Montagnacht um kurz nach Mitternacht wurde die erste GmbH über eine Online-Plattform gegründet. Was ist das Besondere daran?

Prof. Dr. Jens Bormann: Bürgerinnen und Bürger können nun von zuhause aus eine GmbH gründen. Der Gang zum Notar ist nicht mehr erforderlich. Die Möglichkeit der Online-Beurkundung stellt einen wesentlichen Fortschritt dar. Ohne Abstriche bei der Sicherheit können Beurkundungen und Beglaubigungen nun online koordiniert und wahrgenommen werden.

Auf diesen Moment haben wir fünf Jahre lang hingearbeitet. Da natürlich um diese Uhrzeit Klienten für gewöhnlich schlafen wollen, handelte es sich bei der ersten online gegründeten Gesellschaft um eine Vorratsgesellschaft des Deutschen Notarvereins – das macht den Moment aber nicht weniger historisch.

Wie läuft so eine Online-Gründung ab?

Zuerst war uns wichtig, dass jeder diese neue Möglichkeit nutzen kann. Technische Voraussetzung sind daher lediglich ein Laptop, ein Smartphone, ein geeignetes Ausweisdokument wie etwa ein Personalausweis mit eID und natürlich eine stabile Internetverbindung.

Das Verfahren läuft dann wie folgt ab: Der Klient kann sich online oder über die Notar-App registrieren und so einen Notar kontaktieren, sein Anliegen schildern und einen Termin vereinbaren. Mit dem Notar findet anschließend eine Videokonferenz statt, bei welcher aus dem Chip des Ausweisdokuments die eID und das Lichtbild ausgelesen werden. Dazu wird der Ausweis an das Smartphone gehalten, auf dem zuvor die Notar-App installiert worden sein muss. Der Notar überprüft im Anschluss die Personendaten und die Übereinstimmung des Lichtbildes mit der Person, die er in der Videokonferenz sieht.

Danach geht es weiter wie bei einer Präsenzbeurkundung: Die Urkunde wird vorgelesen, offene Fragen werden geklärt und am Ende folgt die Unterzeichnung. Dazu wird ad hoc eine qualifizierte elektronische Signatur generiert, die durch den Klienten über die Notar-App bestätigt wird.

"Wir können überprüfen, ob ein Ausweis gefälscht oder gestohlen wurde"

Gibt es mögliche Risiken bei der Online-Gründung?

Um die Sicherheit des Systems zu gewährleisten, verwenden wir eine eigens von der Bundesnotarkammer entwickelte Videoplattform. Um den Datenschutz noch weiter zu erhöhen, hosten wir diese auch selbst mit Servern in Deutschland. Selbstverständlich können aber bei jedem technischen System Störungen auftreten. Notfalls muss man den Termin unterbrechen und später fortsetzen.

Um Identitätstäuschungen vorzubeugen, wird die Identitätsfeststellung mittels eID und ausgelesenen Lichtbilds sichergestellt. Die Überprüfung erfolgt dabei ähnlich wie am Flughafen, wenn der Ausweis durch eine NFC-Schnittstelle ausgelesen wird. Die Bundesnotarkammer ist die einzige Institution, die bisher das Lichtbild remote aus dem Ausweis auslesen kann. Dabei können wir auch überprüfen, ob der Ausweis gefälscht oder gestohlen wurde.

Was kann ab heute alles online erledigt werden?

Die Online-Beurkundung ist momentan noch auf die Gründung einer GmbH begrenzt. Darüber hinaus können aber auch alle Anmeldungen zum Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister über die Plattform erledigt werden. Wenn beispielsweise ein Geschäftsführerwechsel oder die Änderung einer Anschrift ansteht, ist dies nun einfach online möglich.

Kostet eine Online-Beurkundung genauso viel wie der Besuch vor Ort?

Wenn man die bei einem Präsenztermin anfallenden Reisekosten berücksichtigt, dann ja. Für die Inanspruchnahme des Videokommunikationssystems fallen bei einer Beurkundung zusätzlich Kosten in Höhe von 25 Euro und bei einer Beglaubigung acht Euro an. Die Beträge orientieren sich an den Kosten bei Gericht für eine Video-Verhandlung.

"Verfahren wird sich in zwei bis drei Wochen eingespielt haben"

Wer wird das System in Anspruch nehmen?

Notare sind als Träger eines öffentlichen Amtes verpflichtet, das neue System anzubieten. Wir haben zur Vorbereitung Schulungen angeboten. Ich denke, dass sich das Verfahren bereits in zwei bis drei Wochen eingespielt haben wird.

Für uns ist es spannend, wie viele Bürgerinnen und Bürger das Verfahren tatsächlich nutzen möchten. Interessant ist es sicherlich vor allem für Personen, die sich im Ausland befinden. Wenn man möchte, kann man nun aus Paris eine GmbH in Deutschland gründen.

Kann ihrer Ansicht nach eine Online-Beratung tatsächlich das physische Zusammenkommen "an einem Tisch" ersetzen?

Das kommt maßgeblich auf das Rechtsgebiet und die Situation an. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit der Online-Beurkundung vorerst bewusst auf bestimmte Vorgänge im Gesellschaftsrecht beschränkt. In der Regel sind die Beteiligten hier besonders geschäftserfahren und verfolgen ein gemeinsames Ziel.

Das gilt nicht nur für GmbH-Gründungen, sondern auch bei unstreitigen Gesellschafterbeschlüssen. Diese können ab dem 1. August 2023 ebenfalls online umgesetzt werden. Das Online-Verfahren eignet sich damit, solange die Teilnehmenden gleichgerichtete Interessen haben.

Ganz anders liegt die Situation bei familien- und erbrechtlichen Beratungen sowie im Immobilienrecht. Sobald Eigeninteressen im Vordergrund stehen oder es sich um höchstpersönliche Angelegenheiten handelt, ist das Zusammenkommen "an einem Tisch" noch immer die bessere Möglichkeit.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Für das Online-Verfahren kann man sich ab sofort auf online-verfahren.notar.de anmelden.

Zitiervorschlag

Startschuss für das digitale Notariat: Erste Online-Gründung einer GmbH . In: Legal Tribune Online, 01.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49202/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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