Internationale Ermittlungen gegen Unternehmen: Eine Grenze, meh­rere Ver­folger

von Dr. Oliver Sahan

14.10.2016

2/2: Schutz der eigenen Wirtschaft als Nationalinteresse

Vielfach wird Wirtschaftskriminalität im Ausland zudem als Bedrohung der eigenen Wirtschaft und insofern als internationale Wettbewerbsbeeinträchtigung wahrgenommen. Vor diesem Hintergrund wollen Nationalstaaten die Sanktionierung ausländischer Unternehmen nicht allein der Strafverfolgung in deren Sitzländern überlassen.

Im Fokus stehen häufig gerade die Tatbestände, in denen sich der zwischenstaatliche Wettbewerb am stärksten bemerkbar macht. In den vergangenen Jahren ist auch zunehmend ein Trend zur internationalen Bekämpfung der grenzüberschreitenden Steuerhinterziehung erkennbar. Hier sorgen internationale Abkommen für einen Datenaustausch, der Verfahren ermöglicht, denen zuvor unüberwindbare rechtliche Grenzen gesetzt waren.

Zu erwarten sein wird in der Zukunft auch die verstärkte Verfolgung der Korruption in der Privatwirtschaft. Dieser im Westen anerkannte Straftatbestand ist in aufstrebenden Wirtschaftsnationen noch nicht vergleichbar im Fokus. Die großen Wirtschaftsnationen werden den internationalen Druck zur Bekämpfung auch dieser Korruptionsausprägung voraussichtlich erhöhen.

Geldstrafen und Blacklistings als beliebteste Sanktionen

Die Sanktionsvielfalt hält sich dabei in Grenzen. Je nach nationalstaatlichem Regime drohen strafrechtliche Sanktionen gegen den Verband selbst, die zwar bis hin zur Auflösung eines Unternehmens reichen. Im Regelfall droht dem betroffenen Unternehmen jedoch eine – zumeist empfindliche – Strafzahlung. Zudem droht wie im Inland die Abschöpfung desjenigen, was das Unternehmen durch kriminelle Handlungen seiner Mitarbeiter erlangt hat.

Bei Korruptionsstraftaten oder Embargoverstößen können betroffenen Unternehmen außerdem der Ausschluss von Ausschreibungen und ein "Blacklisting" drohen, was erhebliche Einschränkungen für die unternehmerischen Tätigkeiten mit sich bringen kann. In strafrechtlichen Verfahren besteht zudem stets auch die Möglichkeit persönlicher Sanktionen gegen Führungskräfte.

Unternehmen nicht zwangsläufig in der Rolle des Verfolgten

Insbesondere für international tätige Unternehmen werden die Herausforderungen in strafrechtlicher Hinsicht nicht weniger. Wichtig ist, die rechtlichen Anforderungen aller betroffenen Rechtsordnungen zu ermitteln und diese bewerten zu können, um gesetzeskonformes Verhalten in allen Regionen vorgeben und durchzusetzen zu können.

Kommt es zum strafrechtlichen Krisenfall, gilt es, schnellstmöglich die verschiedenen nationalen Behörden im Blick zu haben. Aufgrund der zum Teil weit fortgeschrittenen, internationalen Vernetzung auf Seiten der Ermittler ist eine konsistente Strategie auf Unternehmensseite unvermeidlich. Das Unternehmen wird gezwungen sein, an allen Krisenherden auf Grundlage einer abgestimmten Vorgehensweise mit Ermittlungsbehörden zu kommunizieren und gegebenenfalls zu kooperieren.

An dieser Stelle vermag das Unternehmen schließlich sogar aus der Not eine Tugend zu machen: Die trotz aller Vernetzung freilich bestehenden zeitlichen Verzögerungen im grenzüberschreitenden behördlichen Informationsfluss schaffen für Unternehmen Möglichkeiten, um aus der passiven Verfolgtenrolle gegenüber verschiedenen Behörden in eine aktivere Aufklärungsrolle zu wechseln.

Schadensbegrenzung durch rechtliches Taktieren

Auch für den Fall, dass sich internationale Ermittlungen nicht vermeiden lassen, schafft ein solides grenzüberschreitendes Krisenmanagement Möglichkeiten, Verfahren signifikant zu beeinflussen. Je nach Fallgestaltung und beteiligten Rechtsräumen können dabei vor dem Hintergrund strafrechtlicher Prinzipien wie dem Doppelbestrafungsverbot gar strategische Ansätze entstehen, um weitreichende Sanktionen einzelner Länder durch Kooperation in einem anderen Land zu sperren. 

Entdeckt beispielsweise ein Unternehmen, dass einzelne seiner Mitarbeiter in der Vergangenheit mit Hilfe von Schmiergeldzahlungen international an Aufträge gelangten, und betreffen diese Vorgänge mehrere Jurisdiktionen, so ist es ratsam zu prüfen, ob hieraus ein Vorteil für das Unternehmen erwachsen könnte. Verfolgt nämlich eines der betroffenen Länder die Korruption mit härteren Sanktionen als die anderen, könnte eine zügig erreichte Sanktionierung in einem nachsichtigeren Land eine strengere Ahndung sperren.

Die größte Herausforderung ist in diesen Fällen häufig, sicherzustellen, dass die erste Sanktionierung das Verhalten der Mitarbeiter und etwaige Organisationsdefizite so weit erfasst, dass der Strafklageverbrauch tatsächlich in vollem Umfang erwächst.

Der Autor Dr. Oliver Sahan ist Rechtsanwalt und Managing Partner bei Roxin Rechtsanwälte am Standort Hamburg. Sein Schwerpunkt liegt in der Verteidigung von Unternehmen bei wirtschaftsstrafrechtlichen Vorwürfen  und er betreut Mandanten vornehmlich im Zusammenhang mit Korruption und Steuerhinterziehung.

Zitiervorschlag

Dr. Oliver Sahan, Internationale Ermittlungen gegen Unternehmen: Eine Grenze, mehrere Verfolger . In: Legal Tribune Online, 14.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20817/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen