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Konflikt zwischen Maas und Range: Eine ver­meid­bare Jus­tiz­af­fä­re

von Constantin Baron van Lijnden

04.08.2015

Justizminister Heiko Maas

Bild: Tobias Schwarz / AFP

Seit Dienstagmorgen stehen Justizminister Maas und Generalbundesanwalt Range im offenen Schlagabtausch. Die Netzpolitik-Ermittlungen wachsen sich zur Justizaffäre aus. Soweit hätte es nicht kommen müssen. Und daran tragen alle Beteiligten Schuld.

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Die aktuell vor allem aus den Medien geäußerte Forderung nach der Abschaffung des Landesverrats-Paragraphen würde vielleicht niemandem so sehr nützen wie der Regierung selbst. Das letzte Mal, als er bemüht wurde, kamen darüber mehrere Staatssekretäre sowie der damalige Innenminister zu Fall – das Nachrichtenmagazin  Der Spiegel hingegen, gegen den sich die Ermittlungen richteten, sah seine Stellung als "Sturmgeschütz der Demokratie" in der denkbar wirksamsten Weise bekräftigt.

Nicht viel anders wird es wohl auch jetzt verlaufen. Das Portal netzpolitik.org erklärte am Montag, bereits über 50.000 Euro an Spendengeldern erhalten zu haben; der öffentliche Rückhalt für die Blogger, gegen die der Generalbundesanwalt auf Anzeige des Bundesamts für Verfassungssschutz wegen Landesverrats ermittelt, sei "unvorstellbar". Justizminister Heiko Maas und Generalbundesanwalt Harald Range stehen indes seit Dienstagmorgen in einem öffentlichen Schlagabtausch, die Auswirkungen auf weitere Stellen bleiben abzuwarten.

Ausdrückliche Weisungen gibt es praktisch nie

Der Justizminister hat nun offenbar von seinem Weisungsrecht gegenüber Generalbundesanwalt Harald Range Gebrauch gemacht und die Fertigstellung des von diesem in Auftrag gegebenen, externen Gutachtens gestoppt. Dieser spricht von einem "unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz", wenn auf Ermittlungen Einfluss genommen werde, "weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint".

Tatsächlich ist es höchst ungewöhnlich, dass ein Minister von seinem Weisungsrecht in dieser Weise Gebrauch macht. Ob politisch gewünschte Tendenzen unter der Hand signalisiert werden, und ob dem Folge geleistet wird, darüber wird immer wieder einmal spekuliert – auch im Fall der NSA-Affäre, in der viele Beobachter mutmaßen, dass die Zurückhaltung des Generalbundesanwalts mit der Unerwünschtheit eines Verfahrens gegen die Amerikaner auf Regierungsebene zu tun haben könnte. An einen früheren Fall, in dem offen vom Weisungsrecht Gebrauch gemacht wurde, konnte man sich auf Nachfrage indes weder beim Justizministerium noch beim Generalbundesanwalt erinnern.

Das Timing könnte unglücklicher nicht sein

Allerdings hatte Maas Range durchaus zu verstehen gegeben, was er von dessen Ermittlungen hält. Bereits vor Monaten soll sein Ministerium vor einem Vorgehen gegen die Journalisten "gewarnt" haben – die Bundesanwaltschaft bestreitet jedoch, dass Hinweise, jedenfalls in dieser Deutlichkeit, erfolgt seien.

Spätestens, seit die Ermittlungen öffentlich bekannt geworden sind, hat Maas indes keinen Hehl aus seiner Einschätzung gemacht: Er habe Zweifel, dass der Tatbestand des Landesverrats verwirklicht wurde – um diese zu untermauern, gab er selbst ein Gutachten in Auftrag, das Ende der Woche erscheinen soll und aller Voraussicht nach zu dem Ergebnis gelangen wird, dass kein Anfangsverdacht vorliegt.

Dass der externe Gutachter, der bereits am 19. Juni beauftragt worden ist, gerade jetzt ein vorläufiges Ergebnis präsentiert, dürfte kaum ein Zufall sein. Dass dieses Ergebnis einen Fortgang der Ermittlungen rechtfertigen würde, ist für Maas und letztlich auch für Range selbst höchst misslich. Allein mit der Feststellung, dass es sich bei den veröffentlichten Dokumenten um Staatsgeheimnisse handelt, ist der Tatbestand des Landesverrats zwar noch nicht verwirklicht – aber sie bildet einen bedeutenden und in Politik, Presse und Justiz bislang vielfach angezweifelten Baustein in dem Verfahren, welches das Bundesamt für Verfassungsschutz veranlasst hatte. Wohl auch, um die Wellen der öffentlichen Empörung nicht noch höher schlagen zu lassen, hat Maas daraufhin anscheinend die Weisung erteilt, das Gutachten zu stoppen

Die Unabhängigkeit der Gerichte ist verbürgt – nicht die, der Staatsanwaltschaft

Doch ausgerechnet Harald Range, dem nicht nur in Sachen NSA-Affäre Entscheidungsschwäche und Wankelmut vorgeworfen worden waren, zeigt sich kampfbereit. In einer allerdings schwer verständlichen Begriffsverwirrung bezeichnet er die Weisung des Ministers als "unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz", die gleichfalls Verfassungsrang genieße.

Man kann mit guten Gründen  gegen das Weisungsrecht der Justizminister an die Staatsanwaltschaften argumentieren, die Forderung nach seiner Abschaffung erklingt immer wieder. Doch verfassungsrechtlich verbürgt ist die Unabhängigkeit der Gerichte, und gerade nicht jene der Strafverfolgungsbehörden – das weiß sicherlich auch der Generalbundesanwalt.

Versäumnisse auf allen Ebenen

Mit seiner Äußerung ist die nächste Eskalationsstufe erreicht. Dabei wurden die Fehler schon viel früher gemacht. Ob es eines externen Gutachtens wirklich bedurfte, damit die oberste Strafverfolgungsbehörde entscheidet, ob ein Tatbestandsmerkmal erfüllt ist oder nicht, kann man bezweifeln – vor allem aber hätte der Generalbundesanwalt im Wissen, dass die Verjährung drohte und er die Vorwürfe Ende Juli offiziell den Beschuldigten würde mitteilen müssen, auf eine viel schnellere Anfertigung des Gutachtens dringen müssen. Dass dessen Verfasser angeblich im Sommerurlaub weilen soll, von dort aus aber ausgerechnet jetzt die Zeit zu einer vorläufigen Einschätzung findet, welche die Lage erwartbar weiter eskalieren lässt, dafür lässt sich eine vernünftige Erklärung nur noch schwer finden.

Doch auch der Justizminister hätte seinen offensichtlich nun gewaltigen Zweifeln früher zur Geltung verhelfen sollen. Vielleicht hat er darauf vertraut, dass die Hinweise seines Hauses an den Generalbundesanwalt dort willfähriger befolgt werden würden – doch darüber hätte er sich Gewissheit verschaffen können, bevor die Ermittlungen bekannt und damit, auch das prognostizierbar, zur Affäre wurden.

Verfassungsschutzpräsident Maaßen schließlich spielt in diesem aktuellsten Akt des von ihm in Gang gesetzten Schauspiels nur noch eine Nebenrolle. Gewiss: Er kann sich darauf berufen, dass er lediglich ein Gutachten vorgelegt und eine Anzeige erstattet habe, zu deren weiterer Verfolgung der Generalbundesanwalt nicht verpflichtet war. Zugleich muss ihm klar gewesen sein, dass von seiner Behörde in dieser Dringlichkeit vorgetragene Vorwürfe ein Verfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit nach sich ziehen würden. Vielleicht blickt er nun selbst mit Staunen und Entsetzen auf die Geister, die er rief.

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Constantin Baron van Lijnden, Konflikt zwischen Maas und Range: . In: Legal Tribune Online, 04.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16488 (abgerufen am: 13.11.2025 )

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