Entwurf des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes: Ein guter erster Auf­schlag

Gastbeitrag von Dr. Sebastian Klaus

17.12.2018

Das BMI hat einen Gesetzentwurf für die Einwanderung von Fachkräften vorgelegt. Damit soll die Arbeitsmigration für Nicht-EU-Bürger erleichtert werden. Das Vorhaben greift viele Forderungen von Unternehmen auf, erklärt Sebastian Klaus.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) ist eine logische Konsequenz aus den Missständen, die Unternehmen, Fachkräfte selbst seit langem beklagen und Anwälte in der Betreuung beider Gruppen ebenso tagtäglich erfahren: Dabei ist der rechtliche Rahmen für die Arbeitsmigration in Deutschland schon bisher nicht schlecht und wird gerade für Akademiker im OECD-Vergleich als einer der besten angesehen. Doch die umständlichen und langwierigen Verwaltungsverfahren, die Komplexität der Regelungen und ihre geringe Flexibilität bei Fehlen einer formalen Ausbildung sind einige, aber wesentliche Aspekte der Kritik. Daneben stehen Themen wie der so genannte Spurwechsel, d.h. der Wechsel aus einer humanitär geprägten Aufenthaltslage in die Arbeitsmigration, und die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse.

Für Unternehmen und Fachkräfte sind die ersten drei der genannten Kritikpunkte besonders wichtig. Die Unternehmen spüren den Fachkräftemangel in ihren Betrieben unmittelbar, müssen ihn schnellstmöglich decken und dies so unbürokratisch wie möglich. Diesen Bedürfnissen will das FEG Rechnung tragen. Es ist kein Einwanderungsgesetzbuch, sondern ein 38 Artikel umfassendes Artikelgesetz, welches vor allem im Aufenthaltsgesetz (AufenthG), in der Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (BeschV) und dem Aufenthaltsverordnung (AufenthV) Änderungen vorsieht.

Es ist damit zu rechnen, dass das Gesetzgebungsverfahrens gegen Jahresende eingeleitet und das FEG frühestens im Herbst 2019 in Kraft treten wird.

Lange Wartezeiten bei den Auslandsvertretungen

Zugrunde liegt dem Vorhaben die rechtliche Situation, dass zwar EU-Bürger zur Arbeitsplatzsuche in Deutschland von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen können, Nicht-EU-Bürger hingegen grundsätzlich für die Einreise und den Aufenthalt sowie für die Arbeitsaufnahme einer Erlaubnis bedürfen. Die Einreise wird in der Regel durch ein Visum ermöglicht, welches bei den deutschen Auslandsvertretungen im Ausland von der Fachkraft selbst zu beantragen ist.

Zuletzt hat sich die Terminlage dort prekär entwickelt, was die Webseiten zur Terminvereinbarung der deutschen Auslandsvertretungen zeigen: Beispielsweise sind in Bangalore, einer Hochburg von indischen IT-Fachkräften, reguläre Termine bis Ende Februar 2019 nicht zu erhalten. In San Francisco, einer Stadt mit vielzähligen IT-Unternehmen im Einzugsbereich, sind Termine erst ab Mitte Februar 2019 verfügbar.

Je nach anwendbarer Rechtsgrundlage muss zudem die Bundesagentur für Arbeit der Visumserteilung zustimmen. Hat sich die Fachkraft bereits in der Vergangenheit schon länger in Deutschland aufgehalten, könnte zusätzlich noch die Zustimmung der Ausländerbehörde am künftigen Wohnort notwendig sein.

Beschleunigtes Verfahren für Fachkräfte

Darauf möchte das FEG mit drei Regelungen in Form eines § 71 Abs. 1 S. 3 und eines § 81a AufenthG-E sowie eines § 31a AufenthV-E reagieren. Mit § 71 Abs. 1 S. 3 AufenthG-E sollen die einzelnen Bundesländer verpflichtet werden, mindestens eine zentrale Ausländerbehörde zu schaffen. Diese soll bei der Arbeitsmigration von Fachkräften eine Schnittstellenfunktion wahrnehmen. Ihr obläge die Einholung der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit, falls diese notwendig ist, und sie würde die Migranten bei Anerkennungsverfahren ausländischer Abschlüsse zusammen mit den zuständigen Anerkennungsstellen unterstützen.

Auch wenn die Auslandsvertretungen nach wie vor nur über das Visum entscheiden würden, wäre die inhaltliche Bewertung bereits für den langfristigen Aufenthaltstitel getroffen. Diesen muss die zentrale Ausländerbehörde nach der Einreise auf Antrag der Fachkraft erteilen. Faktisch dient das Verfahren der Sicherung inhaltlicher Kongruenz in den ersten beiden Verwaltungsverfahren. Gleichzeitig sollen durch die Vorprüfung und die in diesen Fällen immer notwendige Vorabzustimmung der zentralen Ausländerbehörde die Auslandsvertretungen entlastet werden.

Bereits nach Einleitung des beschleunigten Fachkräfteverfahrens und Information darüber durch die zuständige zentrale Ausländerbehörde müssen Auslandsvertretungen nach § 31a AufenthV-E binnen zwei Wochen einen Termin mit der Fachkraft vereinbaren. Binnen insgesamt drei Wochen nach der Vorabzustimmung sollen sie das Visum erteilen und so die Einreise ermöglichen. Derartige Visa enthalten (wie bisher) eine Arbeitserlaubnis, so dass die Fachkraft weitaus schneller in Deutschland beschäftigt werden kann.

Ganz neu geregelt: fachkundiger Ausländer

Dieses beschleunigte Verfahren wäre unter anderem bei Aufenthaltstiteln für Fachkräfte nach § 18a bis § 18d AufenthG-E und für besondere Beschäftigungszwecke nach § 19c AufenthG-E anwendbar, in denen die entsprechenden Personenkreise festgelegt sind. Die derzeit in § 6 Abs. 1 BeschV geregelte Anerkennung von Ausbildungsberufes soll in § 18 Abs. 4 sowie § 18a und § 18b AufenthG-E geregelt, aber inhaltlich nicht verändert werden.

Vorgesehen ist jedoch die Einführung der Unterscheidung in Fachkräfte mit Berufsausbildung und akademischer Ausbildung. Wie bisher enthält § 18d AufenthG-E spezielle Regelungen für Forscher (aktuell: § 20 AufenthG), § 18c AufenthG-E jene für die direkte Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels (Niederlassungserlaubnis) an besonders qualifizierte Wissenschaftler und Lehrpersonen.

Einen Paradigmenwechsel kündigen indes die § 19c Abs. 2 AufenthG-E und § 6 BeschV-E an: einen Aufenthaltstitel für besondere Beschäftigungszwecke oder eben fachkundige Ausländer, die keine Fachkraft nach der gesetzlichen Definition sind. So könnte ein fachkundiger Ausländer mit berufspraktischen Kenntnissen auch ohne Berufsausbildung oder akademischen Abschluss ein Visum und eine längerfristige Aufenthaltserlaubnis erhalten, falls für die Berufsausübung üblicherweise ein solcher Abschluss notwendig wäre. Insbesondere Autodidakten hätten damit zukünftig eine klare Einwanderungsperspektive. Sie müssten ihre Fähigkeiten etwa durch Zertifikate oder standardisierte Tests belegen können. Gerade für die IT-Branche ist dies eine langgehegte Forderung, die der Gesetzgeber mit dem FEG berücksichtigen möchte.

Bei Berufen aus dem IT-Branche wäre eine mindestens fünfjährige einschlägige Erfahrung in den vergangenen sieben Jahren nachzuweisen sowie deutsche Sprachkenntnisse des Niveaus B1 (§ 6 Abs. 1 BeschV-E). Über die IT-Branche  hinaus könnte das Bundesarbeitsministerium (BMAS) mittels einer so genannten Whitelist weitere Berufe festlegen (§ 42 Abs. 1 Nr. 11 AufenthG-E), für die dies ebenso gelten würde (§ 6 Abs. 2 S. 1 BeschV-E). Zusätzlich zur erforderlichen Berufserfahrung müssten für jene Whitelist-Berufe Kostenverpflichtungserklärungen des Arbeitgebers erfolgen. Wie auch in der IT-Branche sind Ausnahmen vom Vorliegen deutscher Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 vorgesehen, jedoch in einem geringeren Umfang.

Arbeitgeber stark beteiligt

Bei den beschleunigten Fachkräfteverfahren sollen Unternehmen in bemerkenswerter Weise beteiligt werden. Zwar ist und bleibt grundsätzlich die Fachkraft selbst der Antragsteller für das Visum und die längerfristigen Aufenthaltstitel. Doch die Arbeitgeber haben durch ihr Arbeitsplatzangebot (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG-E) einen wesentlichen Beitrag im Verfahren der Fachkraft zu erbringen. Vor allem aber sind sie durch die persönliche Rekrutierung und Betreuung der unmittelbarste Ansprechpartner der Fachkraft. Deshalb sollen sie im beschleunigten Fachkräfteverfahren in Vollmacht die Fachkraft vertreten. Eine solche Vollmacht wird als notwendig erachtet, da für das beschleunigte Fachkräfteverfahren mit der zentralen Ausländerbehörde und dem Unternehmen handelnd für und im Interesse der Fachkraft eine Vereinbarung geschlossen würde.

Diese Vereinbarung hat das Ziel, die Mitwirkungspflichten der Fachkraft in den Verwaltungsverfahren zu  konkretisieren (§ 82 Abs. 1 AufenthG) und den Verfahrensablauf für die Erteilung des Visums und des ersten längerfristigen Aufenthaltstitels schriftlich für alle Beteiligten festzulegen. Über die Vereinbarung festgelegt werden sollen zudem Fristen, in denen die einzelnen Verfahrensabläufe zu erledigen sind. Diese Fristen gelten nicht nur für das Unternehmen und die Fachkraft, sondern auch für die Behörde.

Noch zu klären sein werden die rechtlichen Wirkungen, die sich aus einer solchen Vereinbarung ergeben können, vor allem bei Nichterfüllung. Da diese Vereinbarung nicht die Grenzen der gesetzlichen Mitwirkungspflicht des Antragstellers abändern oder die zentrale Ausländerbehörde zu rechtswidrigem Verhalten verleiten kann, könnte nur zweierlei daraus folgen: Die Vereinbarung kann nur konkretisierend und beschreibend wirken. Sie kann nur Bedingung für die Anwendung des beschleunigten Fachkräfteverfahrens sein anstelle des regulären Verfahrens ohne bevorzugende Termine, einer zugesicherten Regelentscheidungsdauer für das Visum und ohne zentrale Ausländerbehörde im Boot, die koordiniert Insofern würde die Vereinbarung neben der Verfahrensbeschleunigung einen weiteren Aspekt wieder aufgreifen: Die Komplexität der aufenthaltsrechtlichen Verfahren durch individuelle und konkrete Absprachen und  Erwartungsmanagement zu vermindern.

Der Autor Dr. Sebastian Klaus ist Anwalt bei KPMG Law.

Zitiervorschlag

Entwurf des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes: . In: Legal Tribune Online, 17.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32775 (abgerufen am: 07.12.2024 )

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