Laut und heftig wurde diskutiert über den Gesetzesentwurf zur Herstellung der Lohngleichheit. Nun wurde es deutlich entschärft verabschiedet. Mit der Neuregelung sind die Unternehmen glimpflich davon gekommen, meint Anke Kuhn.
Laut dem Statistischen Bundesamt besteht bei gleicher Qualifikation zwischen Mann und Frau ein messbarer Entgeltunterschied von sieben Prozent. Um diese Lohnungerechtigkeiten auszugleichen, haben die Regierungsparteien am Mittwoch das "Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern" (Entgelttransparenzgesetz – EntgTransG) verabschiedet.
Der ursprünglich von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig eingebrachte Entwurf musste mehrmals nachgebessert werden und war bis zur Einigung der Regierungsparteien im Oktober 2016 in vielen Punkten umstritten. Denn pauschal gesagt bedeutete der frühe Referentenentwurf für die Unternehmen enormen bürokratischen Aufwand, und das obwohl bereits Artikel 3 Grundgesetz (GG), §§ 2,3,7,13 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), Artikel 21 der EU-Grundrechte Charta, sowie §§ 75, 80 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) Lohngleichheit garantieren.
Die bürokratische Last der Arbeitgeber wurde in der jetzigen Gesetzesfassung deutlich reduziert. So wurden beispielsweise die Angabe von Mindestentgelten bei Stellenausschreibungen und ein zusätzliches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der "Durchführung von Maßnahmen im Sinne der tatsächlichen Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern" ersatzlos gestrichen. Auch kleine und mittelständische Unternehmen sind nicht mehr Adressaten des nun erlassenen Gesetzes.
Auskunft über das durchschnittliche Entgelt
Nach dem neuen Gesetz haben alle Beschäftigten gegen ihren Arbeitgeber einen Anspruch auf die Zahlung des Entgeltes, das zu zahlen gewesen wäre, wenn keine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung beim Entgelt aufgrund des Geschlechts vorgelegen hätte. Dafür gilt die dreijährige Regelverjährungsfrist nach §§ 195, 199 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Eine rückwirkende Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers ist ausdrücklich gewollt. Gleichzeitig sind Vereinbarungen in Arbeits- oder Tarifverträgen, die eine kürzere Ausschlussfrist gegenseitiger Ansprüche vorsehen, unwirksam.
Im Gegensatz zum Referentenentwurf können Arbeitnehmer in Unternehmen ab 200 regelmäßig beschäftigten Mitarbeitern einen individuellen Auskunftsanspruch geltend machen. Zudem muss der Arbeitnehmer seine Vergleichsgruppe bei seinem Auskunftsersuchen angeben.
Hat ein Arbeitnehmer Hinweise, dass mindestens fünf Kollegen des anderen Geschlechts bei gleicher oder gleichwertiger Leistung besser bezahlt werden, kann er sein Einkommen mit dem Durchschnittseinkommen durch den Arbeitgeber vergleichen lassen. Dabei werden Informationen über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung und auch bis zu zwei Entgeltbestandteile wie die private Nutzungserlaubnis des Dienstwagens, Jubiläumszuwendungen oder Prämienregelungen erfasst. Dem Antragsteller ist allerdings nur das Durchschnittsentgelt mitzuteilen, da sämtliche personenbezogene Daten anderer Mitarbeiter vom Arbeitgeber zu anonymisieren sind.
Nur im selben Betrieb beim selben Arbeitgeber
Vom Auskunftsanspruch sind auch nur solche Entgeltregelungen umfasst, die in demselben Betrieb und bei demselben Arbeitgeber Anwendung finden. Regional unterschiedliche Entgeltregelungen bei demselben Arbeitgeber fallen aus dem Anwendungsbereich heraus.
Bei tarifgebundenen Unternehmen ist hingegen der Betriebsrat Ansprechpartner der Arbeitnehmer. Dieser hat alle Auskunftsverlangen zu bündeln und kann in die Entgelttabellen des Arbeitgebers Einsicht nehmen.
Aufgrund bestehender Übergangsregelungen kann der Auskunftsanspruch frühestens sechs Monate nach Verkündung des Gesetzes geltend gemacht werden. Wer in den ersten drei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes Auskunft verlangt, kann dies erst nach drei Jahren wiederholen, später alle zwei Jahre.
2/2: Berichtspflicht über Lohngleichheit
Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten sind mit dem EntgTransG aufgefordert, mit Hilfe betrieblicher Prüfverfahren ihre Entgeltregelungen und die verschiedenen gezahlten Entgeltbestandteile sowie deren Anwendung mindestens alle fünf Jahre auf die Einhaltung des Gleichheitsgebots hin zu überprüfen. Für tarifgebundene Unternehmen mit einem Betriebsrat entfällt das betriebliche Prüfverfahren ersatzlos.
Das Prüfverfahren gilt auch als erfüllt, wenn ein herrschendes Unternehmen das Prüfverfahren für seine Tochtergesellschaften übernimmt. Eine vorherige Genehmigungspflicht entworfener Entgeltkonzepte bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wird im Gesetz nicht mehr verlangt – dies war noch im Referentenentwurf vorgesehen.
Abschließend müssen Unternehmen mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten, die zur Erstellung eines Lageberichts nach dem Handelsgesetzbuch verpflichtet sind, berichten, ob und wie sie Frauen fördern und wie sie Lohngerechtigkeit herstellen. Dabei ist der Bericht erstmalig für das Jahr 2018 zu erstellen. Danach müssen tarifgebundene Betriebe im Rhythmus von fünf Jahren, alle anderen großen Unternehmen im Rhythmus von drei Jahren über Lohngleichheit und Frauenförderung berichten.
Keine Sanktionen zu befürchten
Bei Auskunftsverlangen eines Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber diese innerhalb eines Monats zu erteilen. Kommt der Arbeitgeber dem Verlangen nicht nach, wird die Ungleichbehandlung vermutet. Zwar steht es dem Arbeitgeber frei, verhältnismäßige Rechtfertigungsgründe für eine ungleiche Bezahlung vorzutragen. Für das Vorliegen arbeitsmarktbezogener Gründe oder außergewöhnliche Leistungen des bevorzugten Mitarbeiters trägt er allerdings die Darlegungs- und Beweislast.
Unabhängig davon sind – mit Ausnahme des Imageschadens und der Lohnnachzahlungspflicht nach entsprechendem Urteil – keine Sanktionen für ungleich bezahlende Arbeitgeber in das Gesetz aufgenommen worden.
Bei ungleicher oder nicht gleichwertiger Arbeit besteht kein Auskunftsanspruch. Wenn der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer angegebenen Tätigkeiten für nicht vergleichbar hält oder die Tätigkeiten in der gelebten Praxis nicht gleich oder gleichwertig ausgestaltet sind, muss er eine andere Vergleichstätigkeit angeben und dies begründen Eine Pflicht, unterschiedliche Beschäftigtengruppen miteinander zu vergleichen besteht nicht. Ist das Unternehmen tarifgebunden und hat einen Betriebsrat kann nur dieser die Ansprüche der Arbeitnehmer geltend machen. Der Arbeitgeber kann diesem Begehren mit Verweis auf die tarifvertraglichen Regelungen relativ simpel begegnen.
Keine unverzügliche Beseitigung nötig
Im Vergleich zur Vorgängerversion muss der Arbeitgeber geschlechterbedingter Ungleichbehandlungen auch nicht "unverzüglich beseitigen", sondern lediglich "geeignete Maßnahmen zu deren Beseitigung ergreifen".
Mit den besagten 200 regelmäßig beschäftigten Mitarbeitern wurde – an §§ 27, 38 BetrVG angelehnt – ein für den Auskunftsanspruch neuer Schwellenwert geschaffen, den man bei der Personalplanung im Auge behalten sollte.
Abschließend lässt sich festhalten, dass das nunmehr verabschiedete Gesetz die zum Referentenentwurf ergangene Kritik in vielen Teilen berücksichtigt, für Kritiker gehen die Regelungen nun nicht mehr weit genug.
Größere Unternehmen ab 200 Mitarbeiter müssen insbesondere bei der Beantwortung der Auskunftsansprüche jedoch die Gesetzesvorgaben beachten. Denn nach wie vor gilt: Rechtsfolge einer unrichtigen oder unzureichenden Antwort ist eine vermutete Diskriminierung verbunden mit einer rückwirkenden Lohnnachzahlungspflicht.
Anke Kuhn ist Rechtsanwältin bei CMS in Deutschland.
Anke Kuhn, Entgelttransparenzgesetz verabschiedet: Es droht nur ein Imageschaden . In: Legal Tribune Online, 12.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21751/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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