Jüngste Änderungen im Energierecht betreffen so gut wie jedes deutsche Unternehmen und teilweise sogar Privathaushalte. Franziska Lietz erläutert, was künftig einfacher wird und warum dennoch vieles komplizierter ist als je zuvor.
Mit dem am 1. Januar 2019 in Kraft tretenden Energiesammelgesetz hat sich im Energierecht einiges getan: Ganze 14 Gesetze und Verordnungen werden teilweise rückwirkend geändert. Unter anderem hat sich der Gesetzgeber erstmals an eines der größten Konfliktfelder im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) herangewagt – die Regelung der sogenannten Drittmengenabgrenzung. Damit sollten eigentlich vor allem die aktuell bestehenden erheblichen Rechtsunsicherheiten bei der korrekten Abführung der EEG-Umlage abgemildert werden. Es deutet sich jedoch bereits an, dass zwar einige Fragen gelöst, aber gleichzeitig viele neue aufgeworfen wurden.
Das Energiesammelgesetz, das während des Gesetzgebungsverfahrens im Sommer 2018 noch optimistisch als "100-Tage-Gesetz" bezeichnet wurde, hat zum Jahresende für erheblichen Aufruhr gesorgt. Es ändert unter anderem das EEG, das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) und die Strom-Netzentgeltverordnung (StromNEV).
Dabei beinhalten die Neuregelungen eine ganze Menge Sprengstoff: Sehr zum Schrecken der Solarwirtschaft wurden z.B. bestimmte Photovoltaik (PV)-Fördersätze und damit auch die sog. Mieterstromförderung, deren Stärkung gerade erst noch im Koalitionsvertrag ausgerufen worden war, drastisch abgesenkt. Desweiteren entfällt im Rahmen der sog. Marktraumumstellung von L (Low calorific)- auf H (High calorific)-Gas die Pflicht der Gasnetzbetreiber, Verbraucher an das sog. L-Gasnetz anzuschließen. Die Regelungen zu den Ausschreibungen für die geförderte Einspeisung von erneuerbaren Energien werden deutlich erweitert: Mit Sonderausschreibungen für Windenergie an Land und Solaranlagen werden in den Jahren 2019 bis 2021 die vorgesehenen Ausschreibungsmengen um vier Gigawatt je Technologie erhöht, daneben sollen künftig technologieneutrale Innovationsausschreibungen durchgeführt werden, die besonders netzdienliche Projekte im Fokus haben.
In Teilen sind die Änderungen europarechtlich motiviert, z.B. wenn es um die Erhaltung der von der EU-Kommission zunächst als beihilferechtswidrig qualifizierten EEG-Umlageprivilegien für hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)-Anlagen oder die Fortführung des KWKG bis 2025 geht. Auch die Reduzierung der PV-Förderung ist europarechtlich veranlasst, da die Einordnung als beihilferechtswidrige Überförderung drohte.
Deutschland – das Land der Stromlieferanten
Die größten Wellen schlagen jedoch die neu in das Gesetz eingefügten Regelungen zu Drittbelieferungen, denn hierbei handelt es sich um eines der bislang größten Konfliktfelder im EEG.
Schon nach dem bisher geltenden Recht war jede natürliche oder juristische Person, die Strom an Dritte abgab, sog. Elektrizitätsversorgungsunternehmen bzw. Stromlieferant im Sinne des EEG. Dabei bleibt es auch, das hat der Gesetzgeber nunmehr ausdrücklich klargestellt. Stromlieferanten sind damit regelmäßig all diejenigen Unternehmen, auf deren Gelände Drittfirmen Strom ohne eigenen Liefervertrag beziehen. Dazu gehören auch eher unauffällige Konstellationen, z.B. der Stromverbrauch einer Mobilfunkantenne auf dem Dach, eines von einer Fremdfirma aufgestellten Automaten oder einer externen Putzkolonne.
Damit dürfte die Mehrzahl deutscher Unternehmen mittlerweile Stromlieferant im Sinne des EEG sein. Auch Privatleute können – vielfach ohne es zu wissen – zum Stromlieferanten werden, wenn sie beispielsweise den Mieter einer Einliegerwohnung mit Strom versorgen. Dies umfasst sogar die unentgeltliche Abgabe von Strom. Bagatellgrenzen gab es bislang keine; einzig die Bundesnetzagentur hat in einer unverbindlichen Auslegungshilfe versucht, mit großzügigen Ausnahmen die unfreiwilligen Stromlieferanten zu entlasten. Rechtsfolge der Eigenschaft als Stromlieferant war bisher ebenso wie heute, dass der Stromlieferant für die gelieferten Strommengen selbst die EEG-Umlage an den Netzbetreiber abführen sowie bestimmte, sanktionierte Meldepflichten erfüllen musste.
Rechtsunsicherheiten für Eigenversorger und stromkostenintensive Unternehmen
Während die Sanktionen für einen Verstoß gegen diese allgemeinen Pflichten eines Stromlieferanten im EEG noch überschaubar sind, wird es dann richtig brisant, wenn die EEG-Umlage für eigene Verbräuche aufgrund von Privilegierungstatbeständen reduziert ist oder gänzlich entfällt. In diesen Konstellationen können unentdeckte Drittbelieferungen weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen haben.
Dies gilt einmal in Fällen der sog. Eigenversorgung, d.h. wenn ein Unternehmen oder Privathaushalt sich selbst mit Strom aus eigenen Erzeugungsanlagen versorgt, z.B. aus einem Blockheizkraftwerk, und für den selbst verbrauchten Strom ganz oder teilweise von der EEG-Umlage, die ansonsten bei jedem Verbrauch von Strom anfällt, befreit ist. Weil es sich um eine privilegierende Ausnahmeregel handelt, ist und bleibt das Gesetz in diesen Fällen grundsätzlich äußerst streng. Es muss der eindeutige mess- und eichrechtskonforme sowie viertelstundenscharfe Nachweis erbracht werden, dass die privilegierte Strommenge ausschließlich vom Stromerzeuger selbst verbraucht wurde. Für an Dritte gelieferte Strommengen ist dagegen die volle EEG-Umlage zu zahlen.
Ist man sich dieser Rechtslage nicht gewahr oder hat man einen Dritten, z.B. eine Mobilfunkantenne, übersehen und deswegen nicht messtechnisch abgegrenzt, so kann dies zur Folge haben, dass die Voraussetzungen für eine Privilegierung insgesamt nicht gegeben sind. In diesen Fällen verpflichtet das EEG die Netzbetreiber, die zu Unrecht nicht gezahlte EEG-Umlage so weit möglich – d.h. bis zur Grenze der Verjährung – nachzufordern. Das Gleiche gilt für die Privilegierung von stromkostenintensiven Unternehmen mit Strombezügen von mehr als einer Gigawattstunde nach der sog. Besonderen Ausgleichsregelung. Auch diese steht und fällt mit der korrekten Abgrenzung aller Drittmengen. Passieren hier Fehler, drohen den Betroffenen Rückforderungen – teilweise in Millionenhöhe.
Umständliche Lösung des Gesetzgebers
Mit den durch das Energiesammelgesetz neu in das EEG eingefügten Regelungen setzt sich der Gesetzgeber erstmalig mit dieser weitreichenden Problematik auseinander. Es bleibt dabei vom Grundsatz her alles beim Alten – jede Abgabe von Strom an Dritte ist im EEG eine Stromlieferung. Allerdings hat der Gesetzgeber eine Reihe von neuen Ausnahmetatbeständen geschaffen, die größtenteils sogar bereits rückwirkend ab dem 1. Januar 2018 eingreifen.
So dürfen Bagatellmengen wie bspw. geringfügige Verbräuche von Putzkräften erstmals bis zu gewissen Grenzen dem eigenen Letztverbrauch zugerechnet werden. Es handelt sich dann ausnahmsweise nicht um eine Stromlieferung. Leider hat der Gesetzgeber jedoch darauf verzichtet, eine eindeutige Mengenschwelle für diese Bagatellregelung zu regeln, und überlässt das Feld damit letztlich wieder der Auslegung durch Behörden und Gerichte.
Bei größeren Mengen, sofern eine Messung und Abgrenzung des an Dritte abgegeben Stroms unmöglich oder mit unvertretbarem Aufwand verbunden ist, erlaubt das Gesetz in engen Grenzen die Schätzung der von Dritten verbrauchten Strommenge. Wer diesen Vorteil nutzen möchte, muss jedoch umfangreiche zusätzliche Mitteilungspflichten erfüllen. Darüber hinaus erlaubt das Gesetz in bestimmten Konstellationen auch eine Worst-Case-Betrachtung, die aber ihrerseits wieder komplexen Anforderungen unterliegt. Zuletzt enthält das Gesetz noch eine Amnestieregelung, die Unternehmen vor umfangreichen Rückforderungen für die Vergangenheit bewahren soll, aber zugleich voraussetzt, dass der Betroffene sich möglichst schnell ein rechtskonformes Messkonzept für die Zukunft zulegt und dies nachweist.
Damit hat der Gesetzgeber zwar auf eine längst überfällige Problematik reagiert, aber durch die umständliche Lösung letztlich eine ganze Reihe neuer Fragestellungen aufgeworfen. Nahezu jedes Unternehmen wird sich genötigt sehen, alle Stromverbräuche am Standort und den Umgang mit diesen auf ihre EEG-Konformität (ggf. erneut) abzuklopfen. Damit darf sich die im Energierecht tätige Anwaltschaft auf ein arbeitsreiches neues Jahr freuen.
Dr. Franziska Lietz ist als Rechtsanwältin in der Kanzlei Ritter Gent Collegen in Hannover seit vielen Jahren im Energie- und Umweltrecht tätig. Die Kanzlei berät im Schwerpunkt Industrieunternehmen mit hohen Energieverbräuchen. Lietz ist auch Geschäftsführerin des Legal-Tech-Unternehmens RGC Manager GmbH & Co. KG.
Neue Regelungen für die Stromabgabe an Dritte: . In: Legal Tribune Online, 08.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33057 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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