Die EM steht vor der Tür und Tickets sind heiß begehrt. Da locken zahlreiche Ticketportale mit dem Verkauf von Restkarten. Thomas Herro zur grundsätzlichen Frage, ob man Tickets sorgenfrei auf dem Sekundärmarkt kaufen kann.
Die Preisspanne bei den inoffiziellen Ticketportalen ist groß, nach oben gibt es wie immer fast keine Grenzen. Dass Fußballtickets zum Teil für aberwitzige Summen ver- und gekauft werden, kennt der Fußballfan bereits aus dem Bundesligaalltag. Aber erwirbt der Fan über ein solches Portal auch garantiert das erhoffte Stadionerlebnis oder ist der Kauf vielleicht doch nicht so risikofrei wie es die Werbung suggeriert?
Die Veranstalter von Fußballspielen versuchen jedenfalls seit Jahren den Schwarzmarkt im Internet zu unterbinden. Früher hatten die Vereine faktisch ein absolutes Weiterverkaufsverbot in ihren Allgemeinen Ticketbedingungen (ATGB) verankert. Im Jahre 2008 hat dann der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass es privaten Käufern möglich sein muss, im Falle einer Erkrankung oder einer Verhinderung die Karte weiterverkaufen zu können.
Daraufhin hat die Deutsche Fußball Liga (DFL) im Jahr 2014 einen Kodex beschlossen, in welchem neun "Fair-Play-Regeln" festgehalten wurden. Darin haben sich die Vereine verpflichtet, sogenannte Zweitmärkte einzurichten, auf denen Fans risikofrei zum Originalpreis zuzüglich einer Servicegebühr von maximal 15 Prozent Tickets kaufen und verkaufen können. Die ATGB wurden entsprechend angepasst. So stimmen die Vereine inzwischen einem Weiterverkauf unter bestimmten Umständen zu, im Übrigen bleibt das Weiterverkaufsverbot bestehen. Internetauktionen bleiben weiterhin unzulässig. Verstöße gegen die Bestimmungen in den ATGB werden von Seite der Vereine sanktioniert und mit Ticketsperren und Vertragsstrafen geahndet. Auch in den ATGB der UEFA finden sich solche Weiterverkaufsverbote. Doch nicht alle Weiterverkaufsverbote sind auch wirksam.
Personalisierte Tickets sind Legitimationspapiere
Eine zentrale Rolle spielt dabei die rechtliche Einordnung von Fußballtickets. Tickets können entweder als reines Inhaberpapier gemäß § 807 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder aber als qualifiziertes Legitimationspapier im Sinne des § 808 BGB eingeordnet werden. Herkömmliche Tickets sind reine Inhaberpapiere, das heißt, dass der jeweilige Inhaber der Karte hat ein Recht auf Leistung gegenüber dem Anbieter beziehungsweise Veranstalter hat. Der Verkauf bestimmt sich entsprechend ausschließlich über §§ 929 ff. BGB, so dass das Recht auf Besuch der Veranstaltung dem Recht an der Eintrittskarte folgt.
In den vergangenen Jahren sind die Vereine jedoch dazu übergegangen, die Tickets umzugestalten und zu personalisieren. So ist auf den Tickets mittlerweile häufig der Name des Käufers abgedruckt. Alternativ werden Tickets mit einem Blankotextfeld versehen, in welches der Käufer vor dem Spiel seinen Namen eintragen muss. Es bleibt also zu klären, ob diese Gestaltungen den Anforderungen eines qualifizierten Legitimationspapiers im Sinne des § 808 BGB genügen. Denn ein Papier im Sinne des § 808 BGB zeichnet schon nach dem Gesetzeswortlaut dadurch aus, dass der Berechtigte individualisiert, also in der Urkunde benannt ist. Das ist jedenfalls bei der Variante mit dem Textfeld nicht der Fall. Doch auch bei Sammelbestellungen ist auf den Tickets nicht der Name des einzelnen Besuchers, sondern allein der des Käufers aufgedruckt. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg soll jedenfalls die Variante mit dem Textfeld den Anforderungen des § 808 BGB genügen.
Damit geht einher, dass sich die Übertragung der Tickets nicht allein nach den §§ 929 ff. BGB richtet, sondern gemäß §§ 398 ff. BGB. So besteht gemäß § 399 BGB grundsätzlich die Möglichkeit, einen Abtretungsausschluss, sprich ein Weiterverkaufsverbot, zu vereinbaren. Ob dies ohne weiteres auch für die Variante gilt, dass der Name des Käufers auf dem/den Tickets abgedruckt ist, ist damit nicht geklärt. Allerdings spricht viel dafür, dass das OLG Hamburg auch diese Gestaltung unter § 808 BGB subsumiert hätte.
Knackpunkt: Wirksamkeit der Klauseln
Bestehen bleibt somit noch die Frage, ob diese Weiterverkaufsverbote wirksam sind und der AGB-Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB standhalten können. Zu diskutieren wäre zunächst , ob diese Klauseln so ungewöhnlich sind, dass der Käufer mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Gemäß § 305 c Abs. 1 BGB hätte dies die Unwirksamkeit der Klausel zur Folge.
Jedenfalls das OLG Hamburg sieht solche Klauseln nicht als überraschend an, da aufgrund der öffentlichen Diskussion mittlerweile jedem bekannt sein dürfte, dass die Vereine den Schwarzmarkt bekämpfen und Weiterverkaufsverbote in ihren ATGB verankern. Die Klauseln in den alten ATGB, die ein generelles Weiterverkaufsverbot vorsahen, wurden von der Rechtsprechung wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Käufers häufig als unwirksam eingestuft. Dies soll nach Auffassung des OLG Hamburg bei entsprechender Gestaltung der ATGB nun nicht mehr zwingend der Fall sein. Denn Vertragszweck sei nicht, dass der Ersterwerber ein frei handelbares Wirtschaftsgut erhalte, sondern dass er ein Zutrittsrecht zum Stadion erwerbe. Dies sei durch das Verbot nicht gefährdet. Dem ist auch das Amtsgericht (AG) Hamburg in einem späteren Urteil gefolgt.
Hier zeigt sich, dass nach Auffassung einiger Gerichte die Weiterverkaufsklauseln nicht per se unwirksam sind. Allerdings wird die Wirksamkeit im Einzelfall neben der konkreten Ausgestaltung der ATGB auch davon abhängen, welche Möglichkeiten der Verein dem Käufer einräumt, im Falle der Verhinderung seine Karten noch abgeben zu können. Im Ergebnis werden die Gerichte je nach Fallkonstellation eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der Vereine und der Käufer gemäß § 307 Abs. 1 BGB vorzunehmen haben und die Wirksamkeit der Klauseln entsprechend überprüfen.
2/2: Interessenabwägung anhand der Umstände im Einzelfall
Die Vereine verteidigen das Weiterverkaufsverbot regelmäßig mit dem Argument der Aufrechterhaltung der Stadionsicherheit. Denn nur bei einem von den Vereinen kontrollierten Ticketverkauf sei gewährleistet, dass die Zuschauer ein sicheres und friedliches Spiel erleben könnten. Daneben könne nur durch ein Weiterverkaufsverbot ein soziales Preisgefüge aufrechterhalten werden. Auf der anderen Seite steht das Interesse des Käufers an der uneingeschränkten Weiterveräußerung seiner Eintrittskarte. Ob die in den vergangenen Jahren kontinuierlich festzustellende Abnahme von Gewalt in den Stadien tatsächlich ein Verdienst des Weiterverkaufsverbots ist, darf dabei ebenso bezweifelt werden wie die Bezeichnung aktueller Ticketpreisen für Bundesligaspiele von teilweise weit über 50,00 Euro als sozialverträglich.
Wie unterschiedlich diese Abwägung im Einzelfall ausfallen kann, zeigen die gegensätzlichen Gerichtsentscheidungen, die zu dieser Frage bereits ergangen sind. Das AG Hamburg etwa sah in der Erhaltung der Stadionsicherheit und des sozialen Preisgefüges tatsächlich ein berechtigtes Interesse an der eingeschränkten Übertragbarkeit des Besuchsrechts. Dieses überwiege das Interesse des Erwerbers an der uneingeschränkten Weiterveräußerung seiner Eintrittskarte. Auch das AG Mönchengladbach schloss sich dieser Beurteilung an.
Anders hingegen entschied das OLG Hamburg und kam zu dem Ergebnis, dass die Weiterverkaufsklauseln wegen des überwiegenden Interesses des Käufers an der freien Abtretbarkeit der Besuchsrechte unwirksam waren. Das OLG wollte sich dem Argument der Stadionsicherheit nicht anschließen, denn der betroffene Verein konnte nicht hinreichend darlegen, dass bereits bei dem Verkauf der Tickets über den Ticketshop zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen worden waren, wie etwa ein Abgleich mit gelisteten Hooligans oder Stadionverboten. Auch den vorgebrachten schützenswerten Belangen an einem sozialen Preisgefüge wollte sich das OLG im konkreten Fall nicht anschließen. Denn wie sich in dem Verfahren herausstellte lieferte der Verein selbst einem Ticketportal Eintrittskarten und gestattete diesem, die Karten für einen Aufschlag von 100 % auf den Originalpreis zu verkaufen. Das vorgetragene Interesse des Vereins an einem sozialen Preisgefüge war damit kein Argument mehr.
Fazit für die EM
Bei den EM Tickets kommt zu der ohnehin schon unsicheren Rechtslage nochmals erschwerend dazu, dass die ATGB französischem Recht unterliegen sollen. Im Ergebnis bleibt jedoch festzuhalten, dass der Verkauf von Tickets über die Portale oftmals gegen die ATGB des jeweiligen Veranstalters verstoßen wird. Sollten die Karten von Vereinsseite tatsächlich gesperrt werden, so müssten im Streitfall die Gerichte über die Wirksamkeit der Klauseln anhand der Umstände im Einzelfall entscheiden.
Rein praktisch gesehen wird es in den meist überwiegenden Fällen so sein, dass eine gerichtliche Entscheidung erst weit nach Spielende ergeht. Der Zutritt zum Stadion durch die Drehkreuze mit gesperrten Tickets ist zumeist schlicht unmöglich. Die ATGB der UEFA sehen solche Ticketsperren nicht vor. Allerdings hat die UEFA bereits Personen- und Ausweiskontrollen angekündigt.
Nicht zuletzt aufgrund der angespannten Sicherheitslage in Frankreich könnten die Ordner eher dazu geneigt sein, den Zutritt verwehren, wenn die Person des Karteninhabers nicht mit der Person übereinstimmt, deren Name auf dem Ticket abgedruckt ist. Unwirksamkeit hin oder her: Das erhoffte Stadionerlebnis im Nachbarland wäre damit passé.
Thomas Herro, LL.M. ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum in Köln. Er ist spezialisiert auf das Wettbewerbs-, Urheber und Markenrecht.
Thomas Herro, LL.M., EM 2016: Weiterverkaufsverbot von Fußballtickets: Sicher ist mal gar nichts . In: Legal Tribune Online, 10.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19622/ (abgerufen am: 03.12.2023 )
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