Elektronische Fußfessel für Extremisten: Jus­tiz­mi­nis­te­rium legt Gesetz­ent­wurf vor

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller

06.01.2017

2/2: Elektronische Fußfesseln bei Führungsaufsicht: kaum genutztes Instrument

Die EAÜ bei Führungsaufsicht ist seit 2011 bundesgesetzlich geregelt. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen bei Straftätern angeordnet werden, die wegen Begehung von Verbrechen oder einiger benannter Vergehen verurteilt wurden.

Praktiziert wird sie aber relativ selten. Eine erst im vergangenen Jahr vorgelegte, vom BMJV in Auftrag gegebene, kriminologische  Untersuchung von Bräuchle und Kinzig zählt bundesweit seit 2011 nur 76 Fälle.

Die meisten davon (54) wurden in Bayern angeordnet. In den anderen Bundesländern gibt es nur wenige oder überhaupt keine führungsaufsichtlich elektronisch Überwachten. Die Anordnung erfolgte ausschließlich bei Gewalt- bzw. Sexualstraftätern. Die Fußfessel ist – lt. Befragung der Betroffenen wie auch der zuständigen Bewährungshelfer und Polizeibeamten – zwar technisch inzwischen ausgereift, kann aber die Wiedereingliederung behindern.  Die nötigen Polizeikontrollen (Alarme meist wegen leerer Akkus) können aufwändig sein. Insbesondere die Bewährungshelfer sind insgesamt eher skeptisch. Eine Ausweitung wurde von den Kriminologen  nicht empfohlen.

Bald auch präventive Fußfessel für "Gefährder"?  

Allerdings kann damit gerechnet werden, dass, wie in der Übereinkunft der Unions-Innenminister ja bereits formuliert, eine EAÜ bei terroristischen "Gefährdern" auch im Ausländer- und Polizeirecht eingeführt werden soll. Während einer präventiven Inhaftierung, wie sie Michael Kubiciel auf LTO zur Diskussion stellt, rechtsstaatliche Bedenken entgegenstehen, erscheinen solche  hinsichtlich einer EAÜ weniger erheblich.

Seit Anfang 2016 ist nach § 56 AufenthaltsG bei ausreisepflichtigen Ausländern ohnehin schon die Anordnung empfindlicher Meldeauflagen möglich, die auch strafrechtlich bewehrt sind (§ 95 AufenthaltsG). Dass man Meldeauflagen beim späteren Attentäter Amri versäumt hat, wird aktuell zu Recht kritisiert, da ihm die Mobilität seine Tatvorbereitung möglicherweise erleichtert hat.

Allerdings darf man sich von einer elektronischen Überwachung keine präventiven Wunderdinge erwarten: Nach der Untersuchung von Bräuchle/Kinzig kam es bei einigen der elektronisch Überwachten dennoch zu Rückfallstraftaten, immerhin 20 Prozent wurden im Untersuchungszeitraum erneut zu Freiheitsstrafen verurteilt. Einen zur Tatbegehung entschlossenen Extremisten wird auch eine EAÜ nicht von einem Anschlag abhalten. Einer der beiden islamistisch motivierten Mörder eines Priesters im französischen  Rouen im August 2016 trug eine Fußfessel.

Der Autor Prof. Dr. Henning Ernst Müller ist Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Regensburg.

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Prof. Dr. Henning Ernst Müller, Elektronische Fußfessel für Extremisten: Justizministerium legt Gesetzentwurf vor . In: Legal Tribune Online, 06.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21680/ (abgerufen am: 26.03.2024 )

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