To-Go Becher, Zigarettenfilter und alte Luftballons - Einwegverpackungen sind nicht nachhaltig und vermüllen Straßen. Abhilfe soll nun ein Einwegkunststofffondsgesetz schaffen. Doch an der Effektivität dieses Gesetzes bestehen Zweifel.
Hersteller von Einwegkunststoff sollen weniger Müll produzieren und öffentliche Straßen und Plätze frei von Einwegverpackungen werden. Eine Lösungsidee dafür: Eine Sonderabgabe. Die Bundesregierung hat hierzu einen Entwurf für ein Einwegkunststofffondsgesetz (EWKG) vorgelegt. Demnach sollen die Hersteller von Einwegkunststoff in einen Fonds einzahlen. Dieses Geld soll dann unter anderem öffentlichen Müllentsorgern ihre Kosten erstatten und so die Hersteller letztendlich selbst für die Entsorgung und Reinigung ihrer Produkte aufkommen.
Abgaben in Höhe von 450 Millionen Euro erwartet
Diese "erweiterte Herstellerverantwortung" (Art. 8 des EWKG-Entwurfs) ist der vorerst letzte Schritt bei der Umsetzung der EU-Einwegkunststoffrichtlinie. In vorherigen Schritten hatte Deutschland zum Beispiel einige Einwegprodukte wie Wattestäbchen und Strohhalme verboten.
Bei Einwegkunststoff geht es – wie der Name schon sagt - um Produkte, die nur einmal genutzt werden. Betroffen sind beispielsweise Lebensmittelbehältnisse wie To-Go-Becher, Feuchttücher, Luftballons, Tabakwaren mit Filtern, Folien und Kunststofftüten. Hersteller solcher Produkte müssen dem Gesetzentwurf zufolge in den Fonds einzahlen und sind verpflichtet, sich beim Umweltbundesamt, das den Fonds verwaltet, zu melden. Dabei richtet sich die Höhe der Abgabe nach der Masse der verkauften Produkte. Registrieren und melden sich Unternehmen nicht oder nicht ordnungsgemäß, kann gegen sie ein Vertriebsverbot erlassen werden.
Die jährlichen Einnahmen in den Fonds werden nach den ersten Ergebnissen eines Forschungsvorhabens des Umweltbundesamtes auf bis zu 450 Millionen Euro geschätzt, heißt es in einer Mitteilung der Bundesregierung. Neben Reinigungs- und Entsorgungskosten sollen auch Verwaltungs- und Sensibilisierungskosten, also Kosten für die Aufklärung über Müll und seine Trennung, auf die Hersteller umgelegt werden können.
Sonderabgabe ein "ordnungspolitischer" Fremdkörper?
Ein vergleichender Blick auf das bereits existierende Verpackungsgesetz (VerpackungsG) sorgt bei Unternehmen jedoch für Verwirrung. Hersteller ist nach § 3 Nr. 3 des EWKG-Entwurfs, wer als "Produzent, Befüller, Verkäufer oder Importeur Einwegkunststoffprodukte erstmalig auf dem Markt bereitstellt". Praktisch könne diese Definition mit der Herstellerdefinition des VerpackungsG kollidieren, meint die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V.. Denn dort steht, dass die Verpackung erstmalig dem Markt zur Verfügung gestellt wird, wenn sie mit Ware befüllt ist. Ein solcher Unterschied könne in der Praxis zu Anwendungsproblemen führen, so der Verein. Es geht also um die Frage, ob Hersteller der ist, der den Kunststoff beziehungsweise die Verpackung herstellt oder derjenige, der die Verpackung nimmt und befüllt. Auch der Handelsverband Deutschland und die Deutsche Industrie- und Handelskammer befürchten, dass sich nicht deckende Definitionen Rechtsunsicherheiten mit sich bringen.
Wenig begeistert zeigt sich ebenso die Tabakindustrie: Der Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE) sowie der Deutsche Zigarettenverband (DZV) lehnen einen vom Umweltbundesamt verwalteten Einwegkunststofffonds grundsätzlich ab.
Sie sind nicht die einzigen, bei denen das Konzept auf Argwohn stößt: In einigen Stellungnahmen zum Referentenentwurf wird darauf hingewiesen, dass dieser keine verfassungskonforme Umsetzung der Richtlinie darstelle. Eine öffentlich-rechtliche Lösung sei nicht richtlinienkonform und damit unionsrechtswidrig. Stattdessen müsse der Fonds privatrechtlich angelegt werden. So argumentiert die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen: "Eine Festlegung der umzulegenden Kosten durch das BMUV widerspricht dem ausdrücklichen Wortlaut der Richtlinie und seinem Sinn und Zweck, wonach die Kosten zwischen den betroffenen Akteuren festzulegen sind".
Die Einrichtung eines Einwegkunststofffonds beim Umweltbundesamt mit dazugehöriger Sonderabgabe wäre ordnungspolitisch ein Fremdkörper, beanstandet auch der Bundesverband der Deutschen Industrie. Der vorliegende Referentenentwurf werde mit der Einführung einer Einwegkunststoffabgabe als Sonderabgabe den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundgesetzes nicht gerecht. Diese Aussage teilt auch der Handelsverband Deutschland. Es könnte sein, dass die Sonderabgabe nicht mit dem in Art. 104a Abs. 1 GG verankerten Konnexitätsprinzip vereinbar sei. "Abfallbewirtschaftung sowie die Durchführung von Reinigungsaufgaben sind hoheitliche Landesaufgaben bzw. werden nach Art. 104a Abs. 1 GG den Kommunen zugeschrieben. Die Kosten, die für diese Aufgaben anfallen, sind daher zumindest definitorisch von den Ländern zu tragen und nicht vom Bund," meint der Handelsverband.
Mit einer Sonderabgabe würden neue Wege beschritten, stellt auch die Industrie - und Handelskammer fest. Sie rät dazu, egal ob privatwirtschaftlich oder öffentlich-rechtlich, es sollte auf jeden Fall ein "schlankes und effektives Modell" sein. Das sei der aktuelle Entwurf jedenfalls nicht.
Wird der Entwurf ökologischen Herausforderungen gerecht?
Zentral in dem Gesetzesvorhaben ist außerdem die Nachhaltigkeit. § 1 EWKG legt die Ziele des Gesetzes fest. Einfach und verständlich heißt es dort, dass die Auswirkungen der Einwegkunststoffprodukte "auf die Umwelt, insbesondere die Meeresumwelt, und die menschliche Gesundheit zu vermeiden und zu vermindern sowie innovative und nachhaltige Geschäftsmodelle, Produkte und Werkstoffe zu fördern" sind. Ob das Gesetz aber tatsächlich dazu geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen, daran hat unter anderem sogar der Bundesverband der Deutschen Industrie Zweifel. Der ökologischen Herausforderung, nämlich der Bekämpfung der Vermüllung der Umwelt und die Förderung der Sauberkeit im öffentlichen Raum, werde der Referentenentwurf nicht ansatzweise gerecht, prangert der Verband an.
Auch die Deutsche Umwelthilfe ist von dem Gesetzesvorhaben nicht überzeugt: "Während die Säuberung des öffentlichen Raums von unsachgemäß entsorgten Einwegkunststoffartikeln natürlich zu begrüßen ist, werden die übergeordneten Hauptziele der Kreislaufwirtschaft, nämlich Klima- und Ressourceneffizienz sowie Abfallvermeidung, durch das Vorhaben nicht vorangebracht werden." Auch kritisiert sie, dass sich der Referentenentwurf nur auf eine geringe Anzahl von Einwegkunststoffartikeln beziehe und lediglich der Umverteilung einzelner Kosten diene. "Diese end-of-pipe Maßnahmen sollten nicht als Lösung unseres massiven Abfallproblems propagiert werden", beanstandet die Umwelthilfe.
Am 19. Januar fand die erste Lesung zum Entwurf statt. Nun beraten die Ausschüsse. Falls das Gesetz in Kraft tritt, soll die Kostenerstattung erstmals 2025 für das vorangegangene Jahr 2024 erfolgen.
Entwurf zum Einwegkunststofffondsgesetz: . In: Legal Tribune Online, 26.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50888 (abgerufen am: 12.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag