Einsichtsrecht in medizinische Unterlagen: Die Kran­ken­akte ist Pri­vat­sache

von Dipl.-Jur. Univ. Thomas Bayer

06.04.2016

2/2: Fall Mißfelder: Wunsch nach Aufklärung der Todesumstände

Anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn es – wie im Fall Mißfelder – um das postmortale Einsichtsrecht von Erben und nächsten Angehörigen geht. Auch diesen Fall berücksichtigt das Gesetz in § 630g Abs. 3 BGB.

Die Erben müssen aufgrund ihrer Stellung als Gesamtrechtsnachfolger ein vermögensrechtliches Interesse wahrnehmen wollen, wie etwa Schadensersatzansprüche aufgrund fehlerhafter Behandlung des Erblassers. Die nicht zum Kreis der Erben gehörenden nächsten Angehörigen benötigen dagegen ein immaterielles Interesse an der Einsichtnahme.

Vorliegend ist dem Vernehmen nach offenbar die Witwe, Ann-Christin Mißfelder, Alleinerbin ihres verstorbenen Mannes, sodass sich die Eltern nur auf ihr Einsichtsrecht als nächste Angehörige berufen können. Das dafür notwendige immaterielle Interesse an der Einsichtnahme könnten sie auf ihre Absicht stützen, die wirklichen Todesumstände ihres Sohnes restlos aufklären zu wollen. Diversen Pressemeldungen zufolge gebe es nämlich "Ungereimtheiten" was den letztlich zum Tode führenden Treppensturz Mißfelders angehe.

Darüber hinaus ist anerkannt, dass auch der Wunsch nach Strafverfolgung ein solches Interesse der Angehörigen begründen kann.

Patientenwille als letzte Instanz

Allerdings lehnen sowohl die beklagte Uniklinik als auch die Witwe eine Einsichtnahme durch die Eltern ab. Zur Begründung führen sie an, eine solche entspräche nicht dem Willen des verstorbenen Abgeordneten, da das Verhältnis zwischen Mißfelder und seinen Eltern zerrüttet gewesen sei. Die Eltern bestreiten dies. 

Der Arzt kann den Erben und Angehörigen die Einsichtnahme verweigern, wenn dem der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Patienten entgegensteht. In diesem Punkt setzt sich das postmortale Persönlichkeitsrecht des Patienten und die strafbewehrte ärztliche Schweigepflicht aus § 203 Strafgesetzbuch (StGB) fort, die auch über den Tod hinaus gilt.

Ob die Klinik am Ende die Eltern tatsächlich von einer Einsichtnahme ausschließen kann, wird ganz entscheidend davon abhängen, ob sie den entgegenstehenden Willen Mißfelders im Prozess beweisen kann, denn die Beweislast dafür liegt beim Behandelnden.

Der Autor Thomas Bayer ist Doktorand am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Medizinrecht bei Prof. Dr. Andreas Spickhoff an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Zitiervorschlag

Dipl.-Jur. Univ. Thomas Bayer, Einsichtsrecht in medizinische Unterlagen: Die Krankenakte ist Privatsache . In: Legal Tribune Online, 06.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18978/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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