Einheimischenmodelle : Abschottung im Dorf?

In Urlaubsregionen und Ballungszentren versuchen Gemeinden, Ortsansässigen billiges Bauland zukommen zu lassen. Diese Modelle hat der BGH zwar grundsätzlich gebilligt, aber gleichzeitig auch in einem neueren Urteil klare Grenzen gesetzt. Und noch ein Aspekt kann für die Kommunen teuer werden: "Hinterwäldlerische" Abschottungsmodelle gegenüber EU-Bürgern können europarechtswidrig sein.

In Fremdenverkehrsregionen wie Oberbayern und Sylt, aber auch in den Ballungszentren von Stuttgart, München, Frankfurt und Hamburg wird seit Mitte der 80er Jahre billiges Bauland knapp. Grund ist ein starker weiterhin anhaltender Zuzugsdruck.

Das Städtebaurecht stellt hierfür keine Steuerungsmechanismen zur Verfügung, so dass die Kommunen auf vertragliche Gestaltungen ausweichen. Klassisch ist das Weilheimer Modell, ein Kaufangebot des Grundstückseigentümers, das dieser vor der Baulandausweisung zu einem bestimmten Kaufpreis abgibt. Die Gemeinde darf es nur annehmen, wenn die Veräußerung nicht an einen genau definierten Personenkreis von Einheimischen oder zu einem höheren Kaufpreis erfolgt. Diese Gestaltung hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 11. Februar 1993 (Az. 4 C 18/91) akzeptiert, aber darauf hingewiesen, dass es sich um einen privatrechtlichen Vertrag handelt, der in die Zuständigkeit der Zivilgerichte fällt.

Vergabekriterien im globalen Dorf und der Argwohn der Kommission

Dieses positive höchstrichterliche Signal hat zu zahlreichen Modellen geführt. Ihnen ist gemeinsam, dass eine Veräußerung der neu ausgewiesenen Bauplätze nur an einen nach bestimmten Kriterien ausgewählten Personenkreis erfolgen darf. Regelmäßig wird der Baugrund verbilligt abgegeben und die zweckentsprechende Verwendung für eine bestimmte Zeitdauer gesichert.

Erhebliche Bedeutung hat dabei die Ortsansässigkeit. Jungen Gemeindebürgern soll durch die Möglichkeit des Erwerbs von billigem Bauland ein Anreiz zum Verbleib in der Heimatgemeinde gegeben werden. Eine Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit der Baulanderwerber ist allerdings als unmittelbare Diskriminierung unzulässig.

Aber auch mittelbare Diskriminierungen sind EU-rechtswidrig. EU-Bürgern muss nämlich der Erwerb von Grund und Boden in sämtlichen Mitgliedstaaten möglich sein. Sie dürfen dabei gegenüber Inländern nicht ohne gewichtige Gründe des Gemeininteresses, zu denen auch städtebauliche Ziele gehören, diskriminiert werden. Beispiel sind Anforderungen, die Inländer leichter erfüllen können als andere EU-Bürger. Insofern ist das Anknüpfen an eine bestimmte Zeitdauer des Wohnens in der Gemeinde (z. B. Einwohner und ehemalige Einwohner der Gemeinde nach zehnjährigem Bewohnen) höchst bedenklich.

Ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik läuft. Die Gemeinden können sich dabei schadensersatzpflichtig machen.

BGH: Keine Ewigkeitsbindungen ohne Rechtfertigung

Auch die festgelegte Dauer der zweckentsprechenden Verwendung ist nicht unproblematisch. Während das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt die Verpflichtung zur zwanzigjährigen Eigennutzung als menschenrechtswidrig ansah, differenziert der Bundesgerichtshof (BGH) in einer neueren Entscheidung (Urt. v. 16.4.2010, Az. V ZR 175/09). Eine zeitliche Begrenzung ist stets erforderlich.

Erbbaurechtsmodelle mit Ewigkeitsbindungen sind deshalb unzulässig. Die Höchstgrenze beträgt 30 Jahre. Bei einer Verbilligung um 50 Prozent kann eine zwanzigjährige Bindung noch angemessen sein. Bei einem 14 Prozent-Preisnachlass wurden zehn Jahre akzeptiert. Stets muss die städtebauliche und haushaltsrechtliche Rechtfertigung beachten werden. Pauschale Bindungsfristen und eine zwanzigjährige Bindung ohne jeden Kaufpreisnachlass sind rechtswidrig.

Kommunen, die diese Modelle weiter praktizieren, machen sich schadensersatzpflichtig. Auch frühere Modelle müssen bei einer nun zu treffenden Entscheidung, ob eine Veräußerung vor Ablauf der Bindungsfrist zulässig ist, nochmals überprüft werden.

Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Autor zahlreicher Fachpublikationen unter anderem zum Baurecht.

Zitiervorschlag

Herbert Grziwotz, Einheimischenmodelle : . In: Legal Tribune Online, 11.08.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1183 (abgerufen am: 04.12.2024 )

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