Dethloff zur Forderung, Steuerklasse V abzuschaffen: "Es ist Zeit, das antiquierte Ehegattensplitting zu ersetzen"

Interview mit Prof. Dr. Nina Dethloff, LL.M.

03.01.2013

Unsinnig und demotivierend nennt die FDP die Steuerklasse V vor allem für verheiratete Frauen, die arbeiten wollen. Aber selbst wenn die Liberalen sie abschaffen könnten, wäre das bestenfalls ein guter Anfang, erklärt Famlienrechtlerin Nina Dethloff im LTO-Interview. Eine moderne familiengerechte Besteuerung sollte längst nicht mehr bei der klassischen Ehe ansetzen.

LTO: Am liebsten noch in dieser Legislaturperiode will die FDP die Steuerklasse V abgeschafft sehen, anderenfalls das Thema in den Wahlkampf mitnehmen. Es sei demotivierend, dass der schlechter verdienende Ehegatte, also in der Regel noch immer die Frau, erhebliche Steuerabzüge hinnehmen müsse, während der Besserverdiener sich an einem höheren Nettogehalt freuen kann. Frau Professor Dethloff, was halten Sie von dieser Forderung?

Dethloff: Heute können Ehegatten, die unterschiedlich viel verdienen, statt der Steuerklasse IV die Steuerklasse III für den Besserverdiener und die Klasse V für den geringer verdienenden Partner wählen. Damit können sie das Ehegattensplitting bereits mit dem Lohnsteuerabzug vorwegnehmen – statt erst im Nachhinein bei der Einkommensteuerveranlagung von dessen Vorteilen zu profitieren.

Allerdings geht dieses Verfahren faktisch einseitig zu Lasten des geringer verdienenden Ehegatten – und dies ist in der Tat in der Regel die Ehefrau. Denn die Splittingvorteile erhält allein der Besserverdienende in der Klasse III. Wer wie viel in einer Ehe verdient, macht aber einen erheblichen Unterschied. Denn das Familienrecht geht davon aus, dass grundsätzlich jeder Ehegatte über sein Vermögen und seine Einkünfte verfügen kann. Hier hat frau aufgrund der Steuerklasse V weniger zur Verfügung und sieht den Wert der eigenen Arbeit nicht richtig geschätzt.

"Mehr Frauen würden eine normale Erwerbstätigkeit aufnehmen"

LTO: Ist das denn zwingend so?

Prof. Dr. Nina Dethloff, LL.M.Dethloff: Schon jetzt haben Eheleute zwar die Möglichkeit, auch bei Wahl der Steuerklasse III und V den Lohnsteuerabzug von vornherein so zu gestalten, dass er eher der tatsächlich geschuldeten Einkommensteuer entspricht. Sie können nämlich ein so genanntes Faktorverfahren wählen. Dadurch kommt die steuermindernde Wirkung des Splittingverfahrens bereits beim Abzug der Lohnsteuer zum Tragen. Das setzt allerdings voraus, dass die Eheleute einen solchen Antrag auch tatsächlich stellen – und das unterbleibt in der Regel eben.

LTO: Auch die FDP begründet ihre – nicht ganz neue – Forderung insbesondere mit einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit in letzter Konsequenz auch dem drohenden Fachkräftemangel. Eigentlich geht es doch aber nur um die vorläufige Aufteilung der beiden Einkommen, wenn die Eheleute am Ende doch gemeinsam veranlagt werden. Würden tatsächlich mehr Frauen sich ohne eine Steuerklasse V entschließen, mehr als nur einen Mini-Job auszuüben?

Dethloff: Es würden sicher mehr Frauen eine normale Erwerbstätigkeit aufnehmen, weil ihr Nettoeinkommen sofort höher wäre. Außerdem müssen Sie einen weiteren Effekt bedenken: Gegenwärtig fließt ja auch die Rückzahlung von in der Steuerklasse V zu viel gezahlter Lohnsteuer in der Praxis regelmäßig auf das Konto des besser verdienenden Ehemannes. Dass die Frau dieses Geld nachträglich erhält, wäre zwar rechtlich richtig, ist aber keineswegs gesichert.

"Ehegattensplitting abschaffen: Entscheidend sind die Kinder"

LTO: Nicht nur Sie setzen sich im Zuge der aktuellen Diskussion um die Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften mit der Ehe dafür ein, womöglich nicht das Ehegattensplitting auf eingetragene Lebenspartnerschaften auszudehnen, sondern vielmehr das Splitting auch für Ehegatten abzuschaffen. Wäre der FDP-Vorstoß, nur die Steuerklasse V abzuschaffen, aus Ihrer Sicht ein guter Anfang oder nur Symbolpolitik, die das eigentliche Problem gar nicht anginge?

Dethloff: In der Tat besteht ein Gleichbehandlungsanspruch von Lebenspartnern gegenüber Ehegatten im Einkommensteuerrecht. Dieser sollte aber kein Grund sein, das Ehegattensplitting auf Lebenspartnerschaften zu erstrecken. Vielmehr sollte diese antiquierte Form der Besteuerung endlich aufgegeben werden.

Sie setzt einen Anreiz für den Erwerbsverzicht oder geringfügige Beschäftigungen von Frauen, die mit vielfältigen Nachteilen verbunden sind. Den Vorstoß der FDP halte ich daher für einen wichtigen ersten Schritt in die richtige Richtung. Ihm müssen aber weitere folgen.

LTO: Wie sollte eine moderne Form der Besteuerung von Lebensgemeinschaften Ihrer Ansicht nach aussehen? Woran sollte sie anknüpfen?

Dethloff: Es ist schon lange an der Zeit, das Ehegattensplitting durch eine familiengerechte Form der Besteuerung zu ersetzen. Diese sollte alle Familien erfassen - und zwar unabhängig davon, ob sie auf einer Ehe, einer eingetragenen Lebenspartnerschaft oder einer sonstigen Verbindung beruhen.

Entscheidend ist, dass in einer Gemeinschaft Kinder aufwachsen. Deshalb sollte das Einkommensteuerrecht Gemeinschaften mit Kindern entsprechend ihrer zusätzlichen Belastung finanziell entlasten.

LTO: Frau Professor Dethloff, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Prof. Dr. Nina Dethloff, LL.M. ist Direktorin des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht der Universität Bonn. Sie ist Verfasserin zahlreicher Veröffentlichungen zum Familienrecht.

Die Fragen stellte Pia Lorenz.

Zitiervorschlag

Dethloff zur Forderung, Steuerklasse V abzuschaffen: . In: Legal Tribune Online, 03.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7896 (abgerufen am: 04.12.2024 )

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