Ehegattennachzug: Tau­ziehen um Deutsch­kennt­nisse vor oder nach Ein­reise

Dirk Wüstenberg

17.06.2011

Bei einer Anhörung des Innenauschusses des Bundestags Anfang Juni waren sich die Experten uneins, wie künftig mit dem Spracherfordernis bei zuwanderungswilligen Ehegatten verfahren werden soll. Baldige Gesetzesänderungen wären dabei dringend nötig, denn das aktuelle Recht priviliegiert klar nur eine Gruppe: Die gebildeten Migranten. Ein Kommentar von Dirk Wüstenberg.

Geht es um den Ehegattennachzug aus Nicht-EU-Staaten, gilt seit dem Inkrafttreten der gegenwärtigen Gesetze im August 2007 Folgendes: Hat der Zuwandernde die Staatsangehörigkeit von Kanada, den USA, Australien, Neuseeland, Japan, Südkorea, Israel, Honduras, Andorra, Monaco oder San Marino, braucht er keine Deutschkenntnisse nachzuweisen, § 41 Aufenthaltsverordnung. Dieser Personenkreis ist aus politischen Gründen privilegiert.

Das mit dem Sprachkenntniserfordernis verfolgte Ziel der Integration wird durch die Gewährung dieses Privilegs allerdings durchlöchert. Im Ergebnis stärker war offenbar das nationale Interesse an einer friedlichen Außenpolitik etwa mit mächtigen Staaten und Staaten, zu denen ein historisch belastetes Verhältnis besteht – Pragmatismus siegte über eine stringente Ordnungspolitik.

Alle übrigen Zuwanderungswilligen und deren deutsche Ehegatten teilt das gegenwärtige Recht in zwei Gruppen auf: Personen ohne Kinder ("bloß Ehe") und solche mit Kindern ("schon Familie"). Haben die beiden Ehegatten ein gemeinsames Kind, hat dieses in der Praxis nahezu ausnahmslos die deutsche und die ausländische Staatsangehörigkeit. Weil es deutsch ist, darf das Kind dann ohne Einschränkung einreisen (Art. 11 Grundgesetz). Außerdem darf der ausländische Elternteil dem Kind folgen, ohne vor der Einreise Deutschkenntnisse nachweisen zu müssen, § 28 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 Aufhenthaltsgesetz (AufenthG).

Nicht jeder kann im Ausland eine Sprachschule besuchen

Im Ausland teilen die deutschen Botschaften diese Rechtslage nicht gerne von sich aus mit. Offenbar wird befürchtet, der Hinweis könnte vom Deutschen und dessen Ehegatten als Aufforderung zur Familiengründung verstanden werden - mit den Folgen, dass Deutschland um einen Bürger reicher wird, der dann womöglich zweisprachig aufwächst, und außerdem der zuwandernde Ehegatte den Spracherwerb innerhalb von zwei bis drei Jahren ab der Erteilung des ersten Dreijahresvisums nachholen muss.

Das Erfordernis von Deutschkenntnissen trifft also – vorbehaltlich einer von vier Ausnahmen – die Ehegatten, die mit dem beziehungsweise der Deutschen kein gemeinsames Kind haben. Dies ergibt sich aus § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 5 AufenthG in Verbindung mit dem häufig kritisierten § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufenthG. Demnach muss der Ehegatte "zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen" können. Gemeint ist das international anerkannte Sprachniveau namens B 1, welches nach 600 Schulstunden Unterricht erreicht werden kann.

Dieses Sprachniveau wird derzeit vor der Visumserteilung und Einreise verlangt. Daran scheiden sich nun die Geister, denn ganz offensichtlich haben nicht alle Menschen auf der Welt die organisatorische und finanzielle Möglichkeit, im Ausland in einer Sprachschule vor Ort Deutsch zu lernen. Großstädter und damit in der Regel Gebildetere haben es leichter. Tatsächlich war das politisch so gewollt.

Die Konsequenz ist nun allerdings, dass einige Deutsche auf die Einreise ihres Ehepartners "ewig" warten müssen, weil dieser es etwa als Analphabet nicht zustande bringt, schreiben zu lernen und sich die deutsche Sprachkenntnisse in Grundzügen anzueignen.

Sprachkurse sollten erst nach Einreise verpflichtend werden

Im wirklichen Leben eine wichtige Rolle spielt die Ausnahme, dass die verlangten Deutschkenntnisse stattdessen erst nach der Einreise erworben werden müssen. Das ist etwa bei der Konstellation der Fall, in dem das gemeinsame Kind vom deutschen Partner stammt.

Ein Nicht-EU-Staatsbürger, der als Ehegatte einreisen will, braucht dann vorab keine Deutschkenntnisse vorzuweisen, wenn er etwas gleichwertiges mitbringt. Darunter zu verstehen ist ein Hochschulabschluss der dazu berechtigt, innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Einreise eine der Qualifikation entsprechende Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet aufzunehmen, § 30 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AufenthG in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Integrationsverordnung.

Das bedeutet: Hochschulabschlüsse, die nicht unmittelbar zur Berufsausübungsberechtigung führen, genügen nicht. Mediziner und Juristen etwa benötigen zusätzlich noch eine praktische Berufserfahrung und dürfen deshalb trotz des Abschlusses und theoretischer Fachkenntnisse nicht ohne vorherige Deutschkenntnisse einreisen. Sonst liegen sie womöglich binnen Kürze dem Staat auf der Tasche. Ungerecht? Das Ergebnis lautet in jedem Fall auch hier: Gebildetere haben es leichter.

Zwar schlagen nun Parlamentarier der Opposition vor, die Anforderung von im Ausland nachzuweisenden Deutschkenntnissen wieder rückgängig zu machen, weil einzelne Paare ohne gemeinsame Kinder sonst Jahre warten müssen, bis sie in Deutschland zusammenleben können – was unzumutbar sei und es tatsächlich auch ist.

Konstruktiver erscheinen aber in Bezug auf das Ziel der Integrationsförderung außerparlamentarische Vorschläge: Danach wird der Sprachkurs stets erst nach der Einreise verpflichtend. Bloß berechtigt zu einem entsprechenden Kurs werden Menschen, die fließend Englisch sprechen. Alle anderen Privilegierten wie etwa Japaner und Israelis, müssten ebenfalls Deutsch lernen – aber eben erst nach der Einreise. Mit der englischen Sprache gäbe es dann nur noch eine nachvollziehbare Ausnahme.

Der Autor Dirk Wüstenberg ist Rechtsanwalt in Offenbach am Main.

 

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Zitiervorschlag

Ehegattennachzug: . In: Legal Tribune Online, 17.06.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3479 (abgerufen am: 11.10.2024 )

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