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"Der Holocaust auf Ihren Tellern": EGMR bestätigt Verbot der Peta-Kampagne

08.11.2012

Peta-Aktivisten in Dortmund

Peta-Aktivisten bei einer Aktion in Dortmund, © Copyright by fotos.peta.de

Deutsche Gerichte hatten die Plakataktion "Der Holocaust auf Ihren Tellern" der Tierschutzorganisation Peta zu Recht untersagt. Die Meinungsfreiheit durfte aus Rücksicht auf die deutsche Vergangenheit, die Überlebenden des Holocaust und die heute in Deutschland lebenden Juden eingeschränkt werden. Das stellte der EGMR am Donnerstag fest.

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Mit der Kampagne wollte die Tierschutzorganisation 2004 die Bedingungen der Massentierhaltung anprangern. Auf den insgesamt sieben Plakaten wurden Bilder von toten und lebenden Juden in einem Konzentrationslager neben Fotos aus der Massentierhaltung  gezeigt. So waren etwa unter der Überschrift "Wandelnde Skelette" KZ-Häftlinge neben verhungernden Rindern zu sehen.

Mitglieder des Zentralrates der Juden in Deutschland, unter anderem der damalige Vorsitzende Paul Spiegel, waren empört und fühlten sich in ihren Rechten verletzt. Vor dem Landgericht (LG) Berlin erwirkten sie eine einstweilige Verfügung, die es Peta untersagte, die Plakate überhaupt öffentlich zu verbreiten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigte das Verbot 2009 in einem Nichtannahmebeschluss (Beschl. v. 20.02.2009, Az. 1 BvR 2266/04 und 1 BvR 2620/05). Anders als ihre Berliner Kollegen stellten die Karlsruher Richter aber fest, dass die Menschenwürde der Holocaust-Überlebenden verletzt sei, sondern eine schwere Persönlichkeitsverletzung der heute lebenden Juden das Verbot rechtfertige.

Die Tierschützer sahen sich dadurch in ihrer von der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Meinungsfreiheit beschränkt und klagten vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Doch Straßburg stimmte den deutschen Gerichten zu.

Besondere deutsche Verpflichtung gegenüber Juden rechtfertigt Verbot

Zwar erkannten die Richter eine Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit an und bestätigten, dass die mit der Plakataktion verfolgten Ziele des Tier- und Umweltschutzes von öffentlichem Interesse seien. Ansonsten schloss sich der EGMR aber der Linie des BVerfG an. Die "Instrumentalisierung des Leids" der Holocaust-Opfer verletze die Persönlichkeitsrechte der in Deutschland lebenden Juden und der Überlenden des Holocausts. Ein so schwerwiegender Grund rechtfertige das Verbot der Werbekampagne (Urt. v. 08.11.2012, Az. 43481/09).

Für die Entscheidung spiele die spezielle deutsche Geschichte eine entscheidende Rolle. Die Plakate könnten nicht losgelöst vom sozialen und historischen Kontext in Deutschland beurteilt werden. Die Haltung der deutschen Regierung, die sich gegenüber den in Deutschland lebenden Juden besonders verpflichtet habe, sei zu berücksichtigen und rechtfertige das Verbot. Dass Gerichte in anderen europäischen Ländern, etwa in Österreich, die Kampagne erlaubt hatten, ändere an dieser Bewertung nichts.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßte das Urteil ausdrücklich. Die Richter hätten zu Recht festgestellt, dass das Verbot nicht die Meinungsfreiheit verletzt, sondern die Plakatkampagne auf unverantwortliche Weise den Holocaust banalisiere, erklärte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann.

asc/LTO-Redaktion

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"Der Holocaust auf Ihren Tellern": EGMR bestätigt Verbot der Peta-Kampagne . In: Legal Tribune Online, 08.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7500/ (abgerufen am: 13.08.2022 )

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