Dieter Bohlen und Ernst August Prinz von Hannover sind mit einer Grundrechtsbeschwerde gegen Werbung mit ihren Vornamen gescheitert. Der EGMR hat am Donnerstag die Klage der beiden Deutschen wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte abgewiesen. Das dürfte das letzte Wort in Sachen Werbung mit Prominenten ohne deren Einwilligung sein, fürchtet Markus Ruttig.
Mehr als 5 Jahre haben der Musikproduzent und das Oberhaupt des Hauses von Hannover auf diese Entscheidung warten müssen. Am Donnerstag wurden sie enttäuscht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sieht ihr Recht auf Schutz des Privatlebens aus Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) durch die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Werbung mit ihren Namen ohne deren Einwilligung nicht als verletzt an.
Die Vornamen der beiden Deutschen waren Teil einer ironisch-satirischen Werbekampagne für die Zigarettenmarke Lucky Strike in den Jahren 2000 und 2003. Sie enthielten Anspielungen auf ein Buch Bohlens und tätliche Auseinandersetzungen von Ernst August.
Der Poptitan und der Ehemann von Caroline von Monaco sind nun auch in Straßburg leer ausgegangen und mit den Prozesskosten belastet. Die europäischen Richter lobten in ihrem Urteil, dass der BGH "ein verbindliches Gleichgewicht zwischen Meinungsfreiheit und Achtung des Privatlebens gefunden" habe. Die Werbung habe die Beschwerdeführer "weder abwertend noch negativ dargestellt", befand der EGMR (Urt. v. 19.02.2015, Az. 53495/09 (Bohlen) und 53649/09 (Ernst August von Hannover)).
Prominente gegen Lucky Strike
Die beiden Prominenten hatten im Oktober 2009 den EGMR in Straßburg in der Hoffnung angerufen, für Werbung der Zigarettenmarke Lucky Strike entschädigt zu werden. 100.000 bzw. 60.000 Euro verlangten sie vom Tabakkonzern British American Tobacco, weil dieser ohne ihr Einverständnis ihre Vornamen in einer lange zurückliegenden satirischen Werbekampagne verwendet hatte.
"Schau mal, lieber Dieter, so einfach schreibt man super Bücher", titelte ein Plakat, gegen das sich Musikproduzent Bohlen wendet. Einzelne Wörter waren geschwärzt, aber lesbar, weil auch ein 2003 erschienenes Buch des 61-Jährigen nach mehreren Gerichtsverfahren Prominenter nur mit geschwärzten Textpassagen vertrieben werden durfte.
Zum Bild einer eingedrückten Zigarettenschachtel von Lucky Strike hieß die Textzeile: "War das Ernst? Oder August?" Sie nahm satirisch Bezug auf Medienberichte, wonach der Prinz in gewalttätige Auseinandersetzungen mit einem Kameramann und dem Geschäftsführer einer Diskothek verwickelt gewesen war.
Beide sahen in diesen Anzeigen eine Verletzung ihres Rechts auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Aber schon der Bundesgerichtshof (BGH) wies ihre Klagen im Jahr 2008 ab und lehnte Schadensersatzansprüche ab (BGH, Urt. v. 05.06.2008, Az. I ZR 96/07, und I ZR 223/05).
2/2: Unautorisierte Werbung mit Prominenten und ihre Grenzen
Der EGMR schließt sich mit seiner Entscheidung vom Donnerstag den Urteilen des BGH an. Die Straßburger Richter betonen aber in ihrer Entscheidung, dass sie Art. 8 EMRK nur deshalb nicht als verletzt ansehen, weil der BGH die Meinungsfreiheit des Werbenden richtig mit dem Recht auf Privatsphäre des in der Werbung Instrumentalisierten abgewogen habe.
Bei dieser Abwägung sind für den EGMR vier Punkte von besonderer Bedeutung.
- Die Werbung muss sich mit einem Thema befassen, an dem ein öffentliches Informationsinteresse besteht.
- Die Persönlichkeiten, mit deren Identitätsmerkmalen geworben wird, müssen in hinreichendem Maße im Fokus der öffentlichen Diskussion stehen.
- Die Werbung muss sich eng auf ein Thema beziehen, mit dem die beworbene Persönlichkeit ohnehin der Öffentlichkeit durch entsprechende Presseberichterstattung bekannt ist.
- Schließlich darf mit Blick auf den Inhalt, die Form und die Bedeutung der Werbung die Persönlichkeit des Prominenten durch die Werbung nicht herabgewürdigt werden.
Diese Grenzen sieht der EGMR jedenfalls dann als überschritten an, wenn für Produkte oder Dienstleistungen geworben wird, die nicht allgemein akzeptiert sind. Ein solcher Fall hat zwar die Rechtsprechung in Deutschland, soweit ersichtlich, noch nicht beschäftigt. Er ist aber in der Praxis bereits einmal aufgetreten, als ein Seitensprungportal Werbung mit dem Konterfei eines Politikers machte und behauptete, diskreter zu sein als jede Hotelbar.
Ist das letzte Wort gesprochen?
Mit der Entscheidung des EGMR vom heutigen Tag dürfte der Kurswechsel, den der BGH in seiner Entscheidung vom 26.10.2006 (Az. I ZR 182/04 – Rücktritt des Finanzministers), die eine SIXT-Werbung betraf vollzogen hatte, unumkehrbar sein.
Zwar könnten die Kläger theoretisch die Kammer-Entscheidung des EGMR durch die Große Kammer des Gerichts überprüfen lassen. Ob die befassten Richter eine solche erneute Kontrolle für erforderlich ansehen werden, ist äußerst zweifelhaft.
Prominente müssen sich daher nun damit abfinden, dass ihr Bildnis, ihre Stimme oder ihr Name zu Werbezwecken verwendet werden, wenn der Werbende die von BGH und EGMR herausgearbeiteten Grenzen beachtet. Werbende Unternehmen können sich mit einer solchermaßen rechtskonformen Werbung nicht nur der besonderen Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit bewusst sein, sondern auch Honorare in fünf- oder sechsstelliger Höhe sparen, die Prominente üblicherweise verlangen, wenn sie sich werblich engagieren.
Ein guter Tag, auch für Sixt
Noch glücklicher als bei British American Tobacco, Inhaberin der Marke Lucky Strike, wird die Entscheidung des EGMR wohl der Autovermieter Sixt aufnehmen, der seit Jahren Prominente in seine Anzeigen einbezieht.
Im Jahr 2013 warb das Unternehmen ungefragt mit dem Opfer des wohl größten Justizskandals der jüngeren deutschen Geschichte Gustl Mollath ("Wenn hier jemand verrückt ist, dann Sixt mit seinen Preisen") jüngst etwa mit GDL-Chef Claus Weselsky, der während des Lokführerstreiks auf einem Plakat zum "Mitarbeiter des Monats" gekürt wurde, weil SIXT-Mietwagen auch an allen Bahnhöfen erhältlich seien.
Hätte der EGMR solche Werbemaßnahmen vom Einverständnis der Prominenten abhängig gemacht, hätte es vor allem für SIXT teuer werden können.
Der Autor Prof. Dr. Markus Ruttig ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner bei CBH Rechtsanwälte in Köln. Er ist Dozent für Medienrecht an der Hochschule Fresenius. Einer der Schwerpunkte seiner Tätigkeit liegt im Urheber- und Presserecht.
Mit Materialien von dpa.
Markus Ruttig, EGMR erlaubt satirische Kampagne mit Promis: Lucky Strike durfte mit Bohlen und Ernst August von Hannover werben . In: Legal Tribune Online, 19.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14745/ (abgerufen am: 18.04.2024 )
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