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EGMR bestätigt Legitimation des CAS: CAS 2, Pech­stein 0

Gastkommentar von Dr. Paul Lambertz

02.10.2018

Claudia Pechstein bei einer Pressekonferenz im Februar 2018

© dpa - Hendrik Schmidt

Die Erschütterung der Sportwelt ist ausgeblieben: Der EGMR hat die Legitimation des internationalen Sportschiedsgerichtshofs CAS bestätigt und die Klage von Claudia Pechstein abgewiesen. Paul Lambertz erläutert die Entscheidung.

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Ebenso ausdauernd, wie Claudia Pechstein auf dem Eis war, so ausdauernd ist sie auch vor den Gerichten. Seit nunmehr fast zehn Jahren versucht sie, sich vom Vorwurf des Dopings - auch juristisch - zu befreien. Auf sportlicher Ebene wurde sie zumindest in Deutschland 2015 rehabilitiert, als der DOSB sich bei ihr entschuldigte und sie als Opfer bezeichnete. Doch der Kampf gegen den internationalen Eisschnelllaufverband und mittlerweile auch gegen den internationalen Sportschiedsgerichtshof in Lausanne (CAS)  gingen unvermindert weiter. Mit dem heutigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) schließt sich ein weiteres Kapitel im Buch der Rechtstreite der Claudia Pechstein.

Denn am heutigen Tage urteilte der EGMR in dem von Frau Pechstein gegen die Schweiz angestrengten Verfahren. Vor den dortigen nationalen Gerichten war sie mit ihren Klagen gegen ein Urteil des CAS, der eine Zwei-Jahres-Sperre Pechsteins wegen Dopings bestätigt hatte, gescheitert. Doch wie auch schon der Bundesgerichtshof (BGH) zuvor lehnte der EGMR ihre Klage ab und stellte fest, dass das Verfahren vor dem CAS sie nicht in ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt hat (Az. 67474/10).

Drei Fragen galt es für den EGMR zu klären: 1. War Artikel 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der das Recht auf ein faires Verfahren regelt, auf das CAS-Verfahren überhaupt anwendbar? 2. Ist der CAS ein "unabhängiges und unparteiisches Gericht" im Sinne dieser Bestimmung? und 3. Verstieß die Weigerung des CAS, eine öffentliche Anhörung abzuhalten, gegen Artikel 6 EMRK?

Pyrrhussieg für Pechstein

Nur im letzten Punkt gaben die Richter Frau Pechstein Recht. Indem ihr eine mündliche Verhandlung vom CAS verweigert wurde, habe man ihr Recht auf ein faires Verfahren missachtet, befanden sie und sprachen ihr eine Entschädigung i. H. v. 8.000 Euro zu. Ein Sieg, der ihr aber nicht als solcher vorkommen dürfte, da die Straßburger Richter ihr in dem für sie viel entscheidenderen Punkt nicht Recht gaben. Denn sie bestätigten den CAS als neutralen Entscheider im Sport.

Wie der BGH (Entscheidung vom 7. Juni 216, Az. KZR 6/15) erkannte auch der EGMR, dass die Schiedsvereinbarungen, aufgrund derer der CAS über die Sportler urteilen darf, nicht freiwillig unterzeichnet werden. Denn dem Athleten steht der Zugang zu den Wettkämpfen, mit denen er seinen Lebensunterhalt bestreitet, nur nach Unterzeichnung einer solchen Schiedsvereinbarung offen. Anders als der BGH, der sich mit der Frage der Rechtmäßigkeit dieses Zwangs auseinandersetzte und diesen bejahte, stellten sich die EGMR-Richter direkt die Frage, ob der CAS ein neutrales Schiedsgericht sei.

Hauptangriffspunkt war auch in diesem Verfahren die geschlossene Schiedsrichterliste. Pechstein kritisierte, dass die Schiedsrichter von einem Gremium bestimmt werden, dessen Zusammensetzung mehrheitlich von den Verbänden bestimmt wird. Dies sahen zwar auch die Richter in Straßburg so, doch konnten sie keine Hinweise dafür finden, dass allein deshalb die Unabhängigkeit der so bestellten Schiedsrichter nicht gewährleistet sei. Außerdem gereichte es ihr zum Nachteil, dass sie nur den Präsidenten des CAS wegen Besorgnis der Befangenheit angegriffen und diesen Antrag auch nicht ausreichend begründet hatte.

Auch BVerfG wird Pechstein wohl nicht helfen

Auch in der Tatsache, dass Schiedssprüche vor Veröffentlichung dem CAS vorgelegt werden müssen, um formale Änderungen vorzunehmen oder auf andere Rechtsprechung des CAS in vergleichbaren Fällen aufmerksam zu machen, sahen die Richter kein Problem. Denn dass die Entscheidung deshalb zum Nachteil Pechsteins geändert worden wäre, stand nicht zur Überzeugung der Richter fest.

Damit bekam der CAS nun zum zweiten Mal bescheinigt, dass er eine neutrale Schiedsinstanz ist. Die Hoffnungen von Frau Pechstein vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu obsiegen, dürften damit sinken, denn eine abweichende Entscheidung der Karlsruher Richter ist nicht sehr wahrscheinlich. Das gilt ungeachtet der Frage, ob auch das BVerfG in der fehlenden mündlichen Verhandlung einen Rechtsverstoß sehen sollte, denn an der Rechtstatsache, dass der CAS neutral ist, dürfte ein solcher Verstoß nichts ändern.

Zudem ist die Straßburger Entscheidung durchaus nachvollziehbar. Zwar ist das Konzept der geschlossenen Schiedsrichterliste überaus fragwürdig. Doch muss man wohl auch feststellen, dass die Tatsachen, dass aus über 300 Schiedsrichtern gewählt werden kann und die Schiedsrichter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden können, den Athleten genügend Schutz vor einem parteilichen Schiedsgericht bieten.

Athleten müssen System von innen verändern

Ende gut, alles gut also? Nein, denn ungeachtet der Frage, wie neutral die Schiedsrichter des CAS sind, muss auch die Frage nach der Qualität der Richter gestellt werden. Denn nur dann, wenn Urteile "Hand und Fuß" haben, sind sie auch über jeden Zweifel erhaben. Schiedssprüche wie beispielswiese der im Fall des früheren deutschen Profi-Radrennfahrers Patrik Sinkewitz verdienen diese Bezeichnung nicht. Ein Schiedsrichter des höchsten Sportgerichts der Welt muss mehr mitbringen, als von einem Verband vorgeschlagen zu werden. Es ist Aufgabe des CAS, die juristische Qualität seiner Schiedsrichter zu überprüfen, um die schwarzen Schafe auszusortieren. Zudem gilt es für den CAS seine Schiedsordnung dahingehend zu ändern, dass auch mündliche Verhandlungen möglich sind, wenn der Athlet dies wünscht.

Aber nicht nur der CAS ist gefordert, sondern auch die Athleten. Diese sind dazu aufgerufen, die Besetzung der CAS Schiedsrichterliste aktiv zu gestalten. Für sie gilt es unter den wenigen guten Sportrechtlern die herauszupicken und dem CAS als Schiedsrichter vorzuschlagen, die sie für geeignet halten, ein Gegengewicht zu den von den Verbänden vorgeschlagenen Schiedsrichtern darzustellen. Da der CAS gestärkt aus den Pechstein-Verfahren herausgehen wird, müssen sich die Athleten damit abfinden und das System CAS von innen heraus ändern. Nur so kann der Übermacht der von Verbänden bestellten Schiedsrichter Einhalt geboten werden.

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EGMR bestätigt Legitimation des CAS: . In: Legal Tribune Online, 02.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31281 (abgerufen am: 24.05.2025 )

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