Die DSGVO und die Fotografie: Ach­tung, Schnapp­schuss?

Gastbeitrag von Dr. Niklas Haberkamm, LL.M. oec.

25.06.2018

Im Netz werden seit Inkrafttreten der DSGVO Horrorszenarien für das Ende der Fotografie heraufbeschworen, auch die Politik mischt sich ein und schürt so weiter Panik. Niklas Haberkamm meint, dass dabei viel Aufregung um Nichts gemacht wird.

Muss ich, wenn ich ein Foto von dem Kölner Dom machen möchte, alle Personen, die zwangsläufig mit darauf abgebildet werden, vorher um Erlaubnis bitten? Diese und vergleichbare Fragen stellen sich Fotografen seit des Inkrafttretens der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in großer Aufregung. Im Internet finden sich hierzu zahlreiche Ansichten, die teilweise regelrechte Horrorszenarien für die Fotografie heraufbeschwören. So mancher Fotograf ist daher aktuell massiv verunsichert, ob er seinen Beruf beziehungsweise sein Hobby überhaupt weiter rechtskonform ausüben darf. Es lohnt sich daher ein sachlicher Blick auf die tatsächlichen Auswirkungen der DSGVO.

Dabei ist direkt klarzustellen, dass Fotos oder Selfies, die zu rein privaten Zwecken im persönlichen oder familiären Umfeld aufgenommen werden, gem. Art. 2 Abs. 2 lit. c) DSGVO nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO fallen und damit bereits ein großer Teil der Fotografien von den strengen Vorgaben der DSGVO überhaupt nicht betroffen ist.

Und was ist mit Kommerz und Kunst?

Anders verhält es sich aber bei Fotografien, die zu kommerziellen oder künstlerischen Zwecken aufgenommen werden. Art. 6 Abs. 1 DSGVO stellt die Zulässigkeit einer Verarbeitung, auf denen auch unbekannte Dritte abgelichtet werden, nunmehr unter bestimmte Voraussetzungen. Es ist davon auszugehen, dass bereits die Aufnahme selbst eine Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist, spätestens das Hochladen des Fotos auf einer Website stellt aber eine Verarbeitung im Sinne der DSGVO dar.

Fotografien sind auch ohne Zweifel personenbezogene Daten. Ein personenbezogenes Datum liegt nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO bereits dann vor, wenn eine Information gegeben ist, anhand derer eine natürliche Person in irgendeiner Weise identifizierbar ist. Sobald das Datum –  also das Foto – mithilfe von Zusatzwissen einer konkreten Person zugeordnet werden kann, ist die abgelichtete Person identifizierbar und das Foto stellt ein personenbezogenes Datum dar. Daneben werden bei Fotografien in den meisten Fällen noch weitere Metadaten in der Fotodatei gespeichert, wie etwa der Standort, Datum und die Zeit der Aufnahme.

Bei Fotografien ist eine Zuordnung zu einer Person aber nicht nur über die Metadaten möglich, auch können Gesichter mit entsprechenden Datenbanken abgeglichen werden. Ob der Fotograf im konkreten Einzelfall das Foto einer konkreten Person zuordnen kann, ist nicht von Bedeutung. Allein die Möglichkeit der Zuordnung genügt. Damit greifen die strengen Vorgaben der DSGVO und es ist nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO grundsätzlich immer eine Einwilligung der abgebildeten Personen erforderlich.

Die Sache mit der Einwilligung

Das Erfordernis der Einwilligung war auch schon vor Inkrafttreten der DSGVO eine unabdingbare Voraussetzung in der Praxis der Fotografie. Insbesondere im Bereich der werblichen Fotografie wird eine solche Einwilligung üblicherweise über ein sogenanntes Model-Release vereinbart. Hiermit lässt sich die Bildagentur die Einwilligung der abgebildeten Personen geben, das Foto für die gewünschten Zwecke zu verwenden. Die entsprechende datenschutzrechtliche Einwilligung wird künftig im Rahmen des Model-Releases explizit in Bezug auf die Vorgaben der DSGVO eingeholt werden können, ohne dass sich in der Sache etwas ändert. Die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung bei professionellen Shootings ergibt sich zudem künftig auch immer aus Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO. Hiernach ist eine Verarbeitung immer dann rechtmäßig, wenn sie der Erfüllung eines Vertrages dient.

Eine größere Herausforderung stellt sich Fotografen immer dann, wenn das Einholen der Einwilligung nicht so einfach möglich. Will man beispielsweise Aufnahmen von Sehenswürdigkeiten oder Großveranstaltungen machen, wird man in den meisten Fällen unzählige weitere Personen ablichten müssen. Dass es dabei für den Fotografen praktisch unmöglich ist, jede einzelne mitabgelichtete Person vor Aufnahme des Bildes nach einer Einwilligung zu fragen, steht dabei außer Frage. Bevor man aber nun in Panik ausbricht, weil man das Ende der freien Fotografie kommen sieht, lohnt sich ein weiterer Blick in die Vorgaben der DSGVO, konkret in Art. 6 Abs. 1 DSGVO. Neben der populären Einwilligung gibt es nämlich noch andere Vorgaben, die eine Datenverarbeitung rechtmäßig machen.

Berechtigte Interessen und das KUG

Von Interesse für Fotografen ist dabei insbesondere die Wahrung der berechtigten Interessen, die nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zu einer rechtmäßigen Verarbeitung führt, selbst wenn keine Einwilligung der abgebildeten Person vorliegt.

Fraglich ist, in welchen Fällen von solchen berechtigten Interessen auszugehen ist. Bislang wurden durch Fotografien entstehende Interessenkonflikte zwischen dem Fotografen und den Abgelichteten nach den Vorgaben des Kunsturhebergesetzes (KUG) gelöst, indem die Persönlichkeitsrechte der jeweils Abgebildeten und das Interesse der Fotografen an der Ausübung ihres Berufs gegeneinander abgewogen wurden und nach den gesetzlichen vorgegebenen Regel-Ausnahme-Bestimmungen nach §§ 22f. KUG gelöst wurden.

Um den Interessen der Fotografen bei dieser Abwägung gerecht zu werden, wurde in bestimmten Situationen auf das ansonsten grundsätzlich erforderliche Erfordernis der Einwilligung jedes Abgebildeten verzichtet. Diese Ausnahmeregel griff beispielsweise bei Fotografien von Versammlungen, Demonstrationen oder sonstigen Großveranstaltungen, sodass eine Einwilligung nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG nicht erforderlich war. Auch bei Landschaftsfotografien oder Fotografien von baulichen Sehenswürdigkeiten war eine Einwilligung der nebenbei abgebildeten Personen als Beiwerk nicht erforderlich, § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG.

Auch wenn noch nicht geklärt ist, ob und inwieweit das KUG konkret neben der DSGVO weiterhin zur Anwendung kommen wird, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die grundlegenden Maßstäbe des KUG auch im Rahmen der DSGVO weiter Geltung haben werden. Die Befürchtung, dass sich mit der neuen DSGVO nun schlagartig für Fotografen alles ändert und damit professionellen Fotografen, aber auch jedem Hobby-Fotografen die Arbeit unmöglich gemacht wird, ist damit nicht berechtigt.

Die große Umwälzung kommt nicht

Die DSGVO wird über Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO auch weiterhin die berechtigten Interessen der Fotografen umfassend berücksichtigen und mit den Interessen der Abgelichteten abwägen. Das bedeutet, dass die Verarbeitung der personenbezogenen Daten künftig weiterhin immer dann rechtmäßig ist, wenn die berechtigten Interessen des Fotografen oder eines Dritten gegenüber den Interessen der abgelichteten Personen überwiegen. Und damit werden Personen, die künftig auf Sportveranstaltungen, Demonstrationen, Konzerten, neben berühmten Bauwerken oder in Landschaften lediglich als Beiwerk fotografiert werden, nicht auf ihre Einwilligung bestehen können, weil das berechtigte Interesse des Fotografen in diesen Fällen überwiegen wird.

Auch die Ausnahme von der Ausnahme, wie sie in § 23 Abs. 2 KUG geregelt ist, wonach nämlich im Einzelfall auch bei Großveranstaltungen oder in den weiteren vorgesehenen Ausnahmesituationen doch wieder eine Einwilligung erforderlich wird, wenn aufgrund der Umstände des konkreten Falls ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird, wird künftig vergleichbar über Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO gelöst werden können.

Selbstverständlich sind damit nach Inkrafttreten der DSGVO immer die konkreten Umstände des Einzelfalls bei der Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen zu beachten - aber das war auch schon vorher der Fall.

Der Autor Dr. Niklas Haberkamm, LL.M. oec. ist Partner der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum in Köln. Er ist spezialisiert auf Medienrecht und dort insbesondere auf das Reputationsmanagement sowie den Schutz des Persönlichkeitsrechts.

Zitiervorschlag

Niklas Haberkamm, Die DSGVO und die Fotografie: Achtung, Schnappschuss? . In: Legal Tribune Online, 25.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29345/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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