LG Würzburg zu Verstößen gegen die DSGVO: Start­schuss für Abmahn­an­wälte?

von Tim Wybitul

05.10.2018

Kommt jetzt die befürchtete DSGVO-Abmahnwelle? Das LG Würzburg untersagte einer Anwältin den Betrieb ihrer Website. Eine vertretbare Entscheidung mit möglicherweise weitreichenden Folgen, wie Tim Wybitul analysiert.

Seit dem 25. Mai 2018 gilt die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Experten befürchten, dass Abmahnanwälte das neue Datenschutzrecht dazu nutzen könnten, um aus tatsächlichen oder vermeintlichen Verstößen gegen die DSGVO Kapital zu schlagen. Auch der Gesetzgeber nimmt dieses Risiko ernst und arbeitet an einem Gesetzentwurf gegen missbräuchliche Abmahnungen. Abmahnanwälte können insbesondere fehlende oder unzureichende Datenschutzinformationen auf Internetauftritten nutzen, um Ansprüche geltend zu machen. Das deutsche Wettbewerbsrecht erlaubt es, Konkurrenten kostenpflichtig abzumahnen, wenn diese gegen Vorschriften verstoßen, die das Marktverhalten regeln.

Zwischen Fachleuten ist umstritten, ob die DSGVO nur von der Verarbeitung ihrer Daten betroffene Personen schützt oder auch eine marktsteuernde Wirkung haben soll. Schon kurz nach der Geltung der DSGVO hatten einzelne Anwälte bereits Abmahnungen wegen tatsächlichen oder vermeintlichen Datenschutzverstößen verschickt. Kürzlich hat das Landgericht (LG) Würzburg nun einen Beschluss zu dieser Frage gefasst, der weitreichende Folgen haben kann (Beschl. v. 1309.2018, Az. 11 O 1741/18).

Einstweilige Verfügung wegen Datenschutzverstoß

Die Würzburger Richter erließen eine einstweilige Verfügung gegen eine Rechtsanwältin, die eine Website betreibt. Sie untersagten den weiteren Betrieb dieser Website. Ein anderer Rechtsanwalt hatte sie abgemahnt. Das Impressum ihrer Website enthielt eine lediglich sieben Zeilen umfassende Datenschutzerklärung, die nicht den Anforderungen von Art. 13 DSGVO entsprach. Beispielsweise fehlten Angaben zur nach Art. 4 Nr. 7 datenschutzrechtlich Verantwortlichen, zur Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten durch die Website sowie zu den Zwecken und Mitteln der Datenverarbeitung. Ebenso fehlten Angaben zur Weitergabe von Daten an Dritte, über Cookies oder Analysetools fehlten. Die Datenschutzinformation enthielt auch nicht die nach Art 13 Abs. 2 DSGVO ausdrücklich vorgeschriebenen Hinweise auf die Betroffenenrechte nach der DSGVO.

Zudem geht das LG Würzburg offenbar auch davon aus, dass jede Website, die Daten verarbeitet, auch verschlüsselt sein muss: “Da die Antragsgegnerin jedenfalls über ein Kontaktformular Daten erheben kann, ist zwingend auch eine Verschlüsselung der Homepage erforderlich, die hier fehlt.” Gerade hier wären einige erläuternde Hinweise hilfreich gewesen.

Die inhaltliche Begründung der Entscheidung fällt ausgesprochen knapp aus. Das LG Würzburg sah die unzureichende Datenschutzerklärung und die fehlende Verschlüsselung der Homepage als Verstoß gegen die DSGVO. Die Richter bewerteten die durch den Betrieb der Website der Rechtsanwältin verletzten Vorschriften ohne nähere Begründung als Marktverhaltensregeln. Daher seien andere Rechtsanwälte als Wettbewerber bundesweit (!) berechtigt, gegen die geltend gemachten Verstöße vorzugehen.

Immaterielle Schadensersatzansprüche drohen

Die für eine einstweilige Verfügung erforderliche Verfügungsgrund liege nach Ansicht der Würzburger Richter vor. Denn wegen der bereits erfolgten Rechtsverletzung gebe es eine Wiederholungsgefahr. Auch ein wettbewerbsrechtlicher Verfügungsgrund liege vor (§ 12 Abs. 2 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Die vom Antragsteller geforderte Vertragsstrafe drohten die Richter hingegen nicht an, sondern setzten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft. Es ist erstaunlich, dass das LG Würzburg die einstweilige Verfügung trotz der durchaus komplexen betroffenen Rechtsfragen “wegen Dringlichkeit” ohne mündliche Verhandlung entschied.

Der Beschluss des LG Würzburg ist rechtlich sehr knapp begründet. Dennoch ist die Entscheidung jedenfalls vertretbar. Es ist seit langem umstritten, ob Vorschriften zum Datenschutz auch das Marktverhalten steuern sollen. Bereits vor der Geltung der DSGVO sind unterschiedliche Oberlandesgerichte hier zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. In Blick in Erwägungsgrund 9 DSGVO spricht jedenfalls dafür, dass der EU-Gesetzgeber bei der Verabschiedung des neuen Datenschutzes auch den Wettbewerb im Blick hatte. Sinngemäß heißt es dort, dass Unterschiede im Schutzniveau ein Hemmnis für die unionsweite Ausübung von Wirtschaftstätigkeiten darstellen und den Wettbewerb verzerren könnten. Klarheit könnte hier vor allem der Gesetzgeber schaffen.

Der betroffenen Rechtsanwältin kann man im Hinblick auf die unsichere Rechtslage nur empfehlen, gegen die Entscheidung vorzugehen. Dies bietet sich nicht nur im Hinblick auf den Betrieb ihrer Homepage, auch aus einem anderen Grund an. Denn Art. 82 Abs. 1 DSGVO erlaubt es, immaterielle Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass der Rechtsanwältin auf der Grundlage der genannten Entscheidung nun auch weitere Verfahren über Schadensersatzforderungen nach der DSGVO drohen. Schon kurz nach der Geltung der DSGVO hatten einzelne Anspruchsteller Schadensersatz für die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch Websites mit unzureichenden Datenschutzerklärungen gefordert. Der immaterielle Schaden soll dabei allein in der nicht den Vorgaben der DSGVO entsprechenden Datenverarbeitung liegen. Urteile zu solchen Fällen gibt es bislang aber noch nicht.

DSGVO zügig umsetzen

Die Entscheidung betrifft nicht nur Rechtsanwälte, sondern jeden Marktteilnehmer, der eine Website betreibt oder auf sonstige Weise personenbezogene Daten verarbeitet. Also beispielsweise Wirtschaftsunternehmen, deren IT-Systeme Informationen über bestehende oder potenzielle Kunden verwenden. Wenn diese Gerichtsentscheidung Schule machen sollte, besteht die Möglichkeit, dass sich nicht nur Anwälte gegenseitig abmahnen, sondern Unternehmen die DSGVO künftig flächendeckend nutzen, um Wettbewerbern zu schaden. Bei solchen Sachverhalten dürfte es dann weniger um die sogenannten Abmahngebühren gehen, sondern darum, Konkurrenten den Betrieb der eigenen Homepage oder andere Datenverarbeitungen zu untersagen.

Auch wenn man derzeit eindeutig nicht von einer Abmahnwelle reden kann, könnte der Beschluss durchaus zum Startschuss für Abmahnanwälte werden. Daher sollten Unternehmen und andere Marktteilnehmer ihre Websites und andere Datenverarbeitungen mit “Außenwirkung” schnell auf einen der DSGVO entsprechenden Stand bringen. Wenn man Opfer einer ähnlichen Abmahnung oder Unterlassungsverfügung wird, sollte man sich dagegen wehren. Andernfalls drohen neben Unterlassungsansprüchen und Ordnungsgeldern ggf. später auch zusätzliche Schadensersatzforderungen wegen immateriellen Datenschutzverstößen. Vor allem steht zu hoffen, dass die Gerichte bei künftigen Entscheidungen Augenmaß walten lassen und missbräuchlichen Abmahnungen einen Riegel vorschieben.

Der Autor Tim Wybitul ist Partner einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Frankfurt und berät Unternehmen zum Datenschutz.

Zitiervorschlag

LG Würzburg zu Verstößen gegen die DSGVO: Startschuss für Abmahnanwälte? . In: Legal Tribune Online, 05.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31323/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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