Diskussion um Drohnenabwehr: Polizei aus­statten statt neuer Befug­nisse für die Bun­des­wehr

Gastbeitrag von Simon Gauseweg

07.10.2025

Vermehrt stören Drohnen die Sicherheit deutscher Flughäfen und Kasernen. Deshalb soll die Bundeswehr neue Befugnisse erhalten. Doch die deutsche Kompetenzverteilung ist kompliziert, aber nicht besonders lückenhaft, sagt Simon Gauseweg.

Drohnen beschäftigen Politik und Medien derzeit, wie lange nicht mehr. Traditionell drehen sich deutsche Drohnendebatten seit Jahren um die Frage, ob Drohnen der Bundeswehr Waffen tragen dürfen oder nicht. Der aktuelle Diskurs jedoch dreht sich um vermeintliche Lücken im Rechtsrahmen zur Verteidigung des deutschen Luftraumes.

Doch ist die deutsche Rechtslage tatsächlich nicht auf Drohnen vorbereitet? Richtig ist: In Deutschland kommt durchaus mehr als eine Behörde für den Abschuss unerwünschter Drohnen in Betracht. Damit einher gehen unterschiedliche Rechtsgrundlagen, die zudem funktional nach Gefahrenabwehr und (militärischer) Verteidigung differenziert werden müssen.

Die Landespolizeien

Die beste Abdeckung in der Fläche erreichen wohl die 16 Landespolizeien. Sie alle sind bewaffnet. Auch Langwaffen, zum Teil Sturmgewehre, gehören zu ihrer Ausrüstung. Störsender könnten sie ebenfalls beschaffen, ohne dabei die Grenze zum Militär zu überschreiten. Gegen Kleinst- und Kleindrohnen wie die auch im Hobby-Bereich oft anzutreffenden Quadrocopter sollen dem Vernehmen nach auch Schrotflinten keine ungeeigneten Mittel sein.

Es erscheint nicht als allzu schlechte Idee, solche Mittel auf die Polizeidienststellen im Land zu verteilen, um jedenfalls kleine, niedrig fliegende Drohnen vom Himmel zu holen. Rechtsgrundlage wären die Befugnisse zur Anwendung unmittelbaren Zwanges mittels Waffengewalt. Diese in jedem Landesgesetz enthaltenen Befugnisse ermächtigen sogar zum Waffeneinsatz gegen Personen. Fliegt eine unbemannte Drohne dort, wo sie nicht fliegen darf, stellt sich weniger die Frage, ob die Polizei die Sache beschießen darf, sondern vielmehr die, ob Personen durch Trümmer zu Schaden kommen könnten.  

Ob die Landespolizeien neue Rechtsgrundlagen benötigen, wie es etwa Bayerns Regierung betreibt, richtet sich nach dem jeweiligen Landesrecht. Solche Erweiterungen betreffen weniger die grundlegende Befugnis zur Anwendung von Gewalt, sondern lediglich die (z.T. ohnehin nicht abschließend vorgenommene) Aufzählung zugelassener Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sowie zulässiger Waffen.

Ihre Grenzen findet die Polizei faktisch wohl bei Drohnen, die zu hoch und bzw. oder zu schnell fliegen, um sie mit den "Bordmitteln" eines Funkstreifenwagens bekämpfen zu können. Rechtlich verläuft die Grenze dort, wo Gefahrenabwehr als Aufgabe der Polizei in militärische Verteidigung als Aufgabe der Bundeswehr umschlägt. An letzterer sind die Landespolizeien mangels sogenannten "Kombattantenstatus" gehindert. In einem bewaffneten Konflikt (das entsprechende Recht wäre unter Umständen durchaus mindestens kurz anwendbar) zählen deutsche Polizisten als Zivilpersonen. Diesen fehlt die Berechtigung, (militärische) Gewalt gegen ansonsten legitime militärische Ziele auszuüben.

Die Bundespolizei

Einen solchen Kombattantenstatus, völkerrechtlich ausdrücklich abgesichert nach Art. 43 Abs. 3 des 1. Zusatzprotokolls von 1977 zu den Genfer Abkommen von 1949, hatte der einst vor der Wiederbewaffnung mit Funktion einer Ersatzarmee geschaffene Bundesgrenzschutz von 1965 bis 1994. Eine entsprechende Regelung fand sich zuletzt in § 64 Bundesgrenzschutzgesetz (BGSG).  

Das Gesetz hält heute weiterhin – in Akzessorität zur derzeit ebenfalls viel diskutierten Wehrpflicht – die Möglichkeit zur Heranziehung zum Grenzschutzdienst offen (vgl. auch Art. 12a Abs. 1 Grundgesetz [GG], der nicht auf den Wehrdienst beschränkt ist). Bei Überführung des Bundesgrenzschutzes in die Bundespolizei wurde der Paragraf im BGSG zum Kombattantenstatus gemeinsam mit dem Großteil des Gesetzes aufgehoben, die neue Bundespolizei übernahm den paramilitärischen Charakter des Bundesgrenzschutzes nicht.

Selbst wenn also die Bundespolizei im Einzelfall geeignetere Wirkmittel vorhielte als die Landespolizeien, so könnte sie selbst lediglich in ihren polizeilichen Kompetenzen im Bundespolizeigesetz (BPolG) tätig werden. Insbesondere in Sachverhalten mit Bezug zur Grenzsicherung (§ 2 BPolG), Luftsicherheit (§ 4 BPolG) oder zum Schutz von Liegenschaften von Bundesorganen (§ 5 BPolG) ist eine Beteiligung der Bundespolizei denkbar. Wie die Landespolizei ergibt sich diese Kompetenz jedoch ausschließlich aus der polizeilichen Aufgabe der Gefahrenabwehr. Für die Abwehr militärischer Drohnen eines fremden Staates ist auch die Bundespolizei nicht zuständig.

Die Bundeswehr

Bleibt die Bundeswehr. Parallel zu den Polizeigesetzen von Bund und Länder verfügen die Streitkräfte über ihr eigenes Gefahrenabwehrrecht: das Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen (UZwGBw). Besteht zwischen einer unerwünschten Drohne und der Bundeswehr ein Bezug dahingehend, dass der Dienstbetrieb gestört wird, können Wachen gegen Drohnen vorgehen, auch mit Waffengewalt.

Handelt es sich bei der Drohne jedoch um ein militärisches Ziel (etwa bei einer militärischen Drohne eines fremden Staates), greift die "militärische Generalklausel" der Verteidigung aus Art. 87a GG. Völlig zu Recht hat jüngst der Autor Patrick Heinemann angemerkt, dass das, was landläufig unter "Bundeswehreinsatz im Innern" verstanden wird, gerade neben der Verteidigung und nicht an ihrer Stelle steht. Mit anderen Worten: Zur Abwehr militärischer Bedrohungen Deutschlands sind die Streitkräfte verfassungsunmittelbar berechtigt.

Unterhalb der Schwelle der militärischen Verteidigung darf die Bundeswehr die Polizei in Angelegenheiten des Schutzes der zivilen Luftfahrt unterstützen. Und zwar, wenn die Polizei die dafür notwendigen Mittel nicht hat. Geregelt ist das im Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG).  

Hier ist zunächst zwischen Verwendung und Einsatz von Streitkräften zu trennen. Ein Einsatz liegt bereits bei Nutzung des Droh- und Einschüchterungspotentials von Streitkräften, erst Recht beim Einsatz spezifisch militärischer Waffen vor. Eine bloße Verwendung von Streitkräften liegt demgegenüber vor, wenn die Unterstützung zwar vom Militär geleistet wird, aber keinen spezifisch militärischen Charakter hat. Zum Beispiel, wenn Flugzeuge der Bundeswehr eine Sichtprüfung vornehmen, warum ein Zivilflugzeug nicht mehr auf Funkrufe antwortet. Das könnten auch Beamte der Bundes- oder Landespolizei, denen jedoch in der Praxis regelmäßig die Düsenjäger fehlen. Erst wenn ein Kampfpilot mittels Bordmaschinenkanone oder Luft-Luft-Raketen tätig wird, ist die Schwelle zum Streitkräfteeinsatz überschritten. Dieser bedarf dann, wenn er nicht der Verteidigung im Sinne des Art. 87a Abs. 1 GG dient, einer gesonderten Rechtfertigung, etwa über Art. 35 GG.

Der Auftrag aus Art. 35 Abs. 1 GG Amtshilfe zu leisten, zielt gleichwohl auf eine Verwendung der Streitkräfte zur Unterstützung ab, nicht auf ihren (militärischen) Einsatz. Soll die Bundeswehr zum hoheitlichen Gesetzesvollzug herangezogen werden, ist Art. 35 Abs. 2 GG einschlägig. Dazu müsste es sich bei Drohnen jedoch um einen "besonders schweren Unglücksfall" handeln, zu dessen Abwehr die Hilfe der Bundeswehr notwendig wäre.

Die rechtliche "Lücke"

Erst wenn eine Drohne einerseits die Schwelle der Verteidigung unterschreitet, rechtlich also der Gefahrenabwehr unterliegt, andererseits aber der Polizei faktisch die Mittel zur Bekämpfung fehlen, tut sich ein gewisser Abstand auf. Denn zum Einsatz spezifisch militärischer Mittel in der polizeilichen Gefahrenabwehr ist die Bundeswehr in der gegenwärtigen Konstruktion des Grundgesetzes nur in Unglücksfällen "katastrophischen Ausmaßes" befugt. Erst im Spannungs- oder Verteidigungsfall erhalten die Streitkräfte originäre Polizeikompetenzen.

Solche Fälle sind auch bei Drohnen durchaus denkbar, etwa wenn damit kritische Infrastruktur wie z.B. neuralgische Punkte des Stromnetzes attackiert werden. Dieses Ausmaß erreichen jedoch bloße Störungen des Flugbetriebes oder Spionageflüge nicht. Dass der angesprochene Abstand zwischen dem polizeilichen Können und dem militärischen Dürfen durch eine Erweiterung der Kompetenzen der Streitkräfte über Warnschüsse (§ 14 LuftSiG) hinaus verringert würde, darf daher bezweifelt werden.  

Eine tatsächliche Rechtslücke im Sinne "rechtlich unantastbarer" Drohnen dürfte gleichwohl nicht bestehen. Mit den richtigen Wirkmitteln ausgestattet (also etwa schultergestützten Störsendern oder rein kinetisch wirkenden oder mit Netzen ausgestatteten Abfangdrohnen) dürften die Polizeien von Bund und Ländern durchaus der "kleineren" Drohnen Herr werden, ohne die Grenze zur militärischen Bewaffnung zu überschreiten. Gleichzeitig liegt mit zunehmender Größe und Flughöhe einer fraglichen Drohne, deren militärischer Charakter und damit die Verteidigungskompetenz der Streitkräfte immer näher.

Ob die Drohne einem konkreten Staat zugeordnet werden kann, ist dabei unerheblich. Die Verteidigung richtet sich gegen Angriffe. Diese müssen ein militärisches Ausmaß erreichen bzw. mit militärischen Mitteln geführt werden, nicht von bestimmten Urhebern stammen. Auch unmarkierte, möglicherweise aber dennoch staatlich gelenkte Drohnen fallen vor diesem Hintergrund nicht durch das Raster deutscher Zuständigkeitsvorschriften.

Polizei braucht Gerät zur Drohnenabwehr

Kurzum: Rein rechtlich besteht ein gewisser Abstand zwischen Drohnen, die auf der einen Seite zwar gefahrenabwehrrechtlich zu behandeln, auf der anderen Seite in technischer Hinsicht aber nur militärisch beherrschbar sind. In derartigen Fällen wäre die Polizei zum Abschuss befugt, kann es aber nicht. Und die Bundeswehr könnte abschießen, darf aber nicht.  

Eine entsprechende Kompetenz für die Bundeswehr im LuftSiG zu verankern, würde diesen Abstand durchaus verringern. Denn in Fällen, in denen die Bundeswehr Waffengewalt bislang nur androhen durfte, dürfte sie dann auch schießen.  

Allerdings: Eine solche, für die Polizei schlicht unbeherrschbare Lage, die die Anwendung militärischer Waffengewalt erfordert, nähert sich qualitativ einem Angriff, gegen den die Bundeswehr verfassungsunmittelbar verteidigen darf, mindestens an. Daher wäre die Anschaffung von Gerät zur Drohnenabwehr auch für die Polizei sinnvoller als eine Ausweitung der Kompetenzen der Bundeswehr oder gar Verfassungsänderungen.  

Der Autor Simon Gauseweg ist akademischer Mitarbeiter am Juristischen Lernzentrum der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Zuvor war er dort akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Völkerrecht, Europarecht und ausländisches Verfassungsrecht.

Zitiervorschlag

Diskussion um Drohnenabwehr: . In: Legal Tribune Online, 07.10.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58327 (abgerufen am: 07.11.2025 )

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