Wer Vermögen, Haus oder Kunstgegenstände nach dem Tod bekommen soll, wird im Testament gerne geregelt. Was mit den persönlichen digitalen Daten passiert jedoch nicht. Das ist fatal, zeigt eine Studie. LTO sprach mit einer ihrer Autorinnen.
LTO: Frau Naczinsky, auf knapp 400 Seiten haben Sie und Kollegen der Universität Bremen sowie des Fraunhofer Instituts SIT das Thema digitaler Nachlass aus rechtlicher und technischer Sicht aufgearbeitet. Warum darf es einem nicht egal sein, was zum Beispiel mit E-Mail-Account oder WhatsApp-Konto passiert, wenn man eines Tages nicht mehr ist?
Magdalena Naczinsky: Grundsätzlich sollte man sich als Erblasser immer um die Regelung des eigenen Nachlasses kümmern, egal, ob dieser aus klassischen Vermögenswerten wie einem Grundstück und Bankkonten oder digitalen Werten besteht.
Speziell die Regelung des digitalen Nachlasses kann für den Erblasser aber beispielsweise dann wichtig werden, wenn sich auf einem Nutzerkonto private Daten wie Bilder oder Nachrichten befinden, die die Erben gerade nicht einsehen oder die einer bestimmten Person zukommen sollen. Außerdem können mit dem digitalen Nachlass erhebliche Vermögenswerte verbunden sein, wenn man bedenkt, dass Konten bei reinen Online-Banken, restliches Paypal-Guthaben oder auch Vermögenswerte in Kryptowährungen bestehen können.
Auf der anderen Seite kann der Erblasser den Erben die Abwicklung des digitalen Nachlasses sehr vereinfachen, wenn eine Liste der bestehenden Nutzerkonten samt Zugangsdaten erstellt wird, weil die Erben oft gar keinen Überblick haben, wo überall Online-Vertragsbeziehungen bestehen. Vor allem das E-Mail-Konto ist hier oft der Dreh- und Angelpunkt, bei dem alle Vertragsbeziehungen zusammenlaufen.
Wo sollte man eine solche Liste hinterlegen?
Auf keinen Fall sollte eine solche Auflistung in einem Testament erfolgen, da sonst bei der Testamentseröffnung Unbefugte Kenntnis von den Zugangsdaten erlangen können. Wir empfehlen deshalb, dass der Nutzer die Zugangsdaten auf einem verschlüsselten lokalen Datenträger, also zum Beispiel einem USB-Stick, sichert.
Für die Verschlüsselung eignet sich zum Beispiel das Programm KeePass. Der Datenträger ist so mit einem Masterpasswort gesichert, das bei einer Vertrauensperson, etwa einem Notar, hinterlegt ist. Den Datenträger bewahrt der Erblasser selbst auf und im Testament erfolgt lediglich ein Hinweis darauf, wo Datenträger und Masterpasswort hinterlegt sind.
"Dem Testamentsvollstrecker genaue Anweisungen geben"
Der BGH hat klarstellt, dass das Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs uneingeschränkt auch für den digitalen Nachlass Anwendung findet. Was muss ich tun, damit meine Erben nicht in meinem Facebook- oder WhatsApp-Profil herumwühlen und zum Beispiel Fotos oder Nachrichten vorfinden, von denen sie nie wissen sollten?
Aus technischer Sicht könnten zumindest Daten, die auf dem eigenen PC gespeichert sind, verschlüsselt oder gelöscht werden. Allerdings kann so nie ganz sichergestellt werden, dass der Schlüssel nicht später "geknackt" wird oder gelöschte Daten wiederhergestellt werden. Soll der Zugriff auf ein Nutzerkonto wie ein Facebook-Profil verhindert werden, reicht es in der Regel auch nicht aus, nur die Zugangsdaten geheim zu halten, weil die Erben gegen die Dienstanbieter einen Auskunftsanspruch geltend machen können.
Aus rechtlicher Sicht sollte ein Erblasser für diesen Fall ein Testament errichten. In diesem kann er sich all der Regelungsinstrumente bedienen, die ihm auch sonst im Erbrecht zur Verfügung stehen. Soll erreicht werden, dass gar niemand auf ein Nutzerkonto zugreifen kann, ist die effektivste Methode, einen Testamentsvollstrecker einzusetzen, der den Zugriff der Erben verhindert und die Datenbestände löscht bzw. Nutzerkonten kündigt. Diesem Testamentsvollstrecker sollten aber genaue Anweisungen gegeben werden.
Apple weigert sich gerade mit Verweis auf den Datenschutz hartnäckig, den US-Sicherheitsbehörden Passwörter lebender Kunden herauszurücken, die den Zugang zu verschlüsselten Telefonen ermöglichen. Sollte der Datenschutz eines Verstorbenen weniger wert sein? Bekomme ich als Erbe unproblematisch von Apple, Google oder Facebook Zugang zum Nutzerkonto des Erblassers?
Der Datenschutz eines Verstorbenen unterliegt nach deutschem Recht anderen Regeln als zu Lebzeiten einer Person. Die DSGVO, die das Datenschutzrecht zentral regelt, ist auf personenbezogene Daten Verstorbener nicht anwendbar, weil das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mit dem Tod eines Menschen erlischt. Nach dem Tod einer Person ist insbesondere deren postmortales Persönlichkeitsrecht zu schützen, dessen Einhaltung die Angehörigen geltend machen können.
Der Zugang zu Nutzerkonten wird den Erben immer noch nicht ohne Weiteres gewährt, obwohl dieser Anspruch mittlerweile rechtlich anerkannt ist. Die Erben treten grundsätzlich in die Rechtsstellung des Erblassers und damit auch in dessen bestehende Vertragsbeziehungen mit Online-Dienstanbietern ein. Auch nach dem Facebook-Urteil des BGH musste aber beispielsweise ein Gerichtsurteil gegen Apple ergehen, in dem der Dienstanbieter verpflichtet wurde, den Erben Zugang zur iCloud des Erblassers zu gewähren.
Die Erben sehen sich daneben rein praktischen Hürden gegenüber, weil beispielsweise für Nachlassfragen kein Ansprechpartner zur Verfügung steht oder nicht klar ist, wie die Erben ihre Rechtsstellung nachweisen können. In diesem Bereich sind auch die AGB der Dienstanbieter häufig sehr unübersichtlich gestaltet. Die Regelungen zum Nachlass sind oft zwischen AGB und Hilfebereich verstreut und für Verbraucher kaum überschaubar. Das zu verdeutlichen, war eines der Ziele der Studie.
"Diensteanbieter müssen Nutzer eindeutig aufklären"
Google und Facebook bieten bereits jetzt Konfigurationsmöglichkeiten an, damit Nutzer selbstbestimmt ihren digitalen Nachlass regeln können. Wird das nach ihrer Kenntnis von Kunden dieser Dienste rege angenommen? Sollte man die Dienstanbieter nicht dazu bringen, die Kunden "offensiver" auf dieses Thema anzusprechen?
In den meisten Fällen werden diese Angebote aus zwei Gründen nicht angenommen. Zum einen, weil sich die Nutzer gar nicht bewusst sind, dass sie regeln können und sollten, was nach ihrem Tod mit ihren Daten geschieht. Zum anderen ist oft nicht bekannt, dass die Dienstanbieter überhaupt Konfigurationsmöglichkeiten anbieten und welche das sind. Grund hierfür ist, dass die Nutzer auf diese Möglichkeiten nicht deutlich hingewiesen werden, sondern diese in den Funktionen selbst aktiv gesucht werden müssen.
Deshalb wäre es hilfreich, wenn die Dienstanbieter die Nutzer generell über das Regelungsbedürfnis und die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten eindeutig aufklären. Dabei sollte nicht nur auf die dienstanbieterspezifischen Konfigurationsmöglichkeiten verwiesen werden, die meistens einseitig auf die Löschung des Kontos beschränkt sind, sondern auch auf die Möglichkeit, eigenständig erbrechtliche Regelungen zu treffen. Das würde die Verbraucherfreundlichkeit der Dienste im Hinblick auf den digitalen Nachlass deutlich erhöhen.
Vorkehrungen für den Todesfall zu treffen ist das eine. Sie empfehlen aber auch für den Fall vorzusorgen, wenn man aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, seine Nutzerkonten zu bedienen. Wie lässt sich das rechtsverbindlich regeln?
Ja, dieser Fall ist durch das Medieninteresse am digitalen Nachlass sehr in den Hintergrund gerückt, häufig stellen sich aber ähnliche Probleme. Wenn ein Nutzer seine Online-Konten alters- oder krankheitsbedingt nicht mehr selbst verwalten kann, übernimmt das eine dritte Person für ihn. Das ist in diesem Fall nicht der Erbe, sondern ein Stellvertreter. Wurde keine Regelung getroffen, wird gegebenenfalls von einem Gericht ein Berufsbetreuer bestellt, den der Nutzer möglicherweise gar nicht kennt, der aber Einsicht in seine persönlichen Daten nehmen kann.
Um hier selbst zu bestimmen, wer als Stellvertreter tätig wird, ist es deshalb empfehlenswert, einer selbst ausgewählten Person eine Vorsorgevollmacht zu erteilen und dabei auch den digitalen Bereich im Blick zu behalten. Eine solche Vorsorgevollmacht sollte mindestens schriftlich erteilt werden, in der Studie befindet sich hierzu eine Vorlage.
Es ist natürlich immer gut, sich bei der Erteilung einer Vorsorgevollmacht individuell durch einen Notar beraten zu lassen, weil dieser auf das konkrete Regelungsbedürfnis eingehen kann und die notarielle Vollmacht im Rechtsverkehr grundsätzlich das stärkere Beweismittel ist.
Finanziert wurde die Studie vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV). Im Zweifel wird man sich im Hause von Frau Lambrecht nun auch mit dem rechtlichen Handlungsbedarf befassen, den Sie in der Studie benennen. Was steht hier aus Ihrer Sicht vordringlich an?
In der Studie sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass das geltende deutsche Recht grundsätzlich geeignet ist, die Fragen des digitalen Nachlasses zu klären. Eine Gesetzesänderung ist daher aus unserer Sicht nicht erforderlich.
Wichtig ist aber einerseits, dass man Verbraucher für das Thema des digitalen Nachlasses stärker sensibilisiert. Andererseits haben wir in der Studie festgestellt, dass die Vererbbarkeit des digitalen Nachlasses nicht verbraucherfreundlich ausgestaltet ist. In diesem Bereich könnte noch nachgebessert werden.
Magdalena Naczinsky ist Mitautorin der Studie "Der digitale Nachlass – Eine Untersuchung aus rechtlicher und technischer Sicht" und hat sich dort mit den erb- und familienrechtlichen Fragestellungen beschäftigt. Die Juristin ist Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr. Löhnig an der Universität Regensburg und arbeitet derzeit an der Fertigstellung ihrer Dissertation im Familienrecht.
Studie zum Digitalen Nachlass: . In: Legal Tribune Online, 27.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39897 (abgerufen am: 12.11.2024 )
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