Digitale Verträge: Am sichersten ist noch die Papier­form

von Dr. Oliver Daum

31.08.2020

Die Wirtschaft setzt vermehrt auf rein digitale Verträge. Das ist zwar bequem und günstig, aber nicht immer ohne Risiko. Wann Vertragsgestaltungen als PDF, Tablet und Co. rechtlich wirksam sind, erläutert Oliver Daum.

Die Digitalisierung bringt viele Vorteile mit sich. Davon Gebrauch macht auch der wirtschaftliche Rechtsverkehr. Viele Akteure gehen mehr und mehr zu rein digital geschlossenen Verträgen über. Hierbei handelt es sich um elektronische Dokumente, die auf einem Tablet digital unterschrieben und anschließend etwa als PDF gespeichert werden. Auf Papier gedruckte und unterschriebene Verträge verlieren zumindest in der digitalen Welt zunehmend an Bedeutung.

Diese Handhabung ist nicht neu. Wer schon einmal ein Paket angenommen oder mit einer EC-Karte bezahlt hat, unterschrieb schon einmal digital. Die Vorteile elektronischer Dokumente liegen auf der Hand: Zum einen ermöglichen sie einen schnelleren Austausch per E-Mail und zum anderen sind sie platzsparend, da weder Papier noch Aktenordner nötig sind. PDF, Tablet und Eingabestift bergen beim Vertragsschluss aber auch rechtliche Risiken. Wie sieht die Rechtslage hierzu aus?

Keine Urkunde, keine Schriftform?

Zuerst ist zu fragen, ob elektronische Dokumente der nach § 126 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erforderlichen Schriftform genügen. Dies ist zum Beispiel relevant bei Verbraucherdarlehens- oder Grundstückskaufverträgen, die zu ihrer jeweiligen Wirksamkeit der Schriftform unterliegen. Die Schriftform ist gem. § 126 Abs. 1 BGB erfüllt, wenn die "Urkunde […] eigenhändig durch Namensunterschrift" unterzeichnet wurde.

Elektronische Dokumente können problemlos eigenhändig mit Namensunterschrift erstellt werden. Allerdings ist das elektronische Dokument nach ganz überwiegender Ansicht keine Urkunde, da es an der Verkörperung der Willenserklärung fehlt. Das hat bereits der Gesetzgeber im Jahr 2000 erkannt. Eine Verkörperung setzt ein dinglich-haptisches Produkt voraus, das bei Dateien, PDFs und Co. nicht gegeben ist. Aus dem gleichen Grund können auch keine mündlichen Abreden, SMS und E-Mails Urkunden darstellen.

Dass eine digitale Unterschrift unter einem Verbraucherdarlehensvertrag auf einem Tablet nicht der Schriftform genügt, hat auch das OLG München im Jahr 2012 festgestellt (Urt. v. 04.0.6.2012, Az: 19 U 771/12). Die Begründung allerdings, elektronischen Dokumenten fehle es allgemein an der Urkundeneigenschaft, klingt in Anbetracht der oben genannten frühzeitigen Erkenntnisse des Gesetzgebers zu holzschnittartig.

Qualifizierte elektronische Signatur erforderlich

Unter bestimmten Voraussetzungen können elektronische Dokumente die Schriftform jedoch wirksam ersetzen. Dies ergibt sich ausdrücklich aus den §§ 126 Abs. 3, 126a BGB. Dies setzt zunächst voraus, dass das elektronische Dokument eine Willenserklärung in digitaler Gestalt ist, die Schriftzeichen enthält – und nicht bloß Smileys, Emojis sowie Emoticons – und zur dauerhaften Widergabe auf einem Datenträger geeignet ist. Der gegenständliche digitale Vertrag ist ein elektronisches Dokument in diesem Sinne.

Um jedoch die strenge Schriftform zu ersetzen, müssen elektronische Dokumente zusätzlich mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen werden. Die in Art. 3 Nr. 10 der sogenannten eIDAS-EU-Verordnung enthaltene Legaldefiniton der qeS hat der Verordnungsgeber sehr abstrakt gehalten. Vereinfacht ausgedrückt ist eine qeS ein digitaler Stempel, den eine anerkannte Stelle an eine bestimmte Person vergibt.

Elektronische Dokumente sind nicht automatisch mit einer qeS versehen, weshalb sie auch nicht ohne Weiteres die Anforderungen der §§ 126 Abs. 3, 126a BGB erfüllen. Ohnehin sind die Vorschriften nur von geringer praktischer Bedeutung, da die qeS mit verhältnismäßig hohen Kosten und technischen Aufwand verbunden ist.

Zur Beweiskraft digitaler Verträge

Ein digitaler Vertrag erfüllt daher weder die Schriftform des § 126 BGB noch wird diese ersetzt. Dass elektronische Verträge in der Rechtspraxis dennoch eine Rolle spielen, ist in § 371 Abs. 1 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) gesetzlich verankert. Zudem hat der BGH im Jahr 2001 mit Blick auf die Abgabe von Geboten auf ebay postuliert, dass Willenserklärungen auch durch elektronische Übermittlung einer Datei wirksam abgegeben werden können (Urt. v. 07.11.2001, Az: VIII ZR 13/01). Die Frage ist also nicht, ob, sondern welche prozessrechtliche Beweiskraft einem digitalen Vertrag zuteilwird.

Diesbezüglich ist zunächst Folgendes festzuhalten: Elektronischen Dokumenten kommt mangels Urkundeneigenschaft nicht die Beweiskraft von (Privat-)Urkunden gemäß § 416 ZPO zu. Ist das elektronische Dokument hingegen mit einer qeS versehen, wird ihm mehr Glauben geschenkt. Dann finden nämlich gem. § 371a Abs. 1 S. 1 ZPO die Vorschriften über die Beweiskraft von Privaturkunden Anwendung.

Elektronische Dokumente mit qeS erfahren darüber hinaus eine beweisrechtliche Sonderbehandlung. Gem. § 371a Abs. 1 S. 2 ZPO kommt ihnen ein Anscheinsbeweis hinsichtlich der Echtheit des Dokuments, also dass die Willenserklärung vom Signaturinhaber und keinem Dritten stammt, zu. Prozessrechtlich bewirkt der Anscheinsbeweis, dass von einer gegebenen Tatsache aufgrund eines nach der Lebenserfahrung typischen Geschehensverlaufs auf das Vorliegen einer anderen Tatsache oder einen Umstand geschlossen werden kann (BGH, Urt. v. 19.03.1996, Az: VI ZR 380/94).

Digitale Verträge sind Indizien

Die Vorschrift § 371a Abs. 1 S. 2 ZPO zur Anwendung des Anscheinsbeweises greift allerdings nicht bei elektronischen Dokumenten ohne qeS. Elektronische Dokumente ohne qeS, aber mit digitaler Unterschrift, könnten demgegenüber noch aus einem anderen Grund vom Anscheinsbeweis profitieren, und zwar im Rahmen der freien gerichtlichen Beweiswürdigung (§ 286 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Allerdings: Aufgrund der Manipulationsanfälligkeit von elektronischen Dokumenten bietet eine digitale Unterschrift keine hinreichende Lebenserfahrung, wonach hiervon auf der Grundlage des Anscheinsbeweises auf die Echtheit des Dokuments geschlossen werden könnte. Für eine solche Annahme ist das Phänomen des digitalen Vertrages noch zu jung. Diese Einschätzung ändert sich auch dann nicht, wenn der digitale Vertrag zum Beispiel vom E-Mail-Account des Unterzeichners verschickt würde.

Zuerkannt werden kann reinen digitalen Verträgen immerhin eine Indizienwirkung im Sinne von § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die digitale Unterschrift könnte ein Indiz dafür sein, dass der in der Unterschrift namentlich Genannte auch den Vertrag geschlossen hat. Indizien haben den Vorteil, dass das Gericht grundsätzlich freier in der Bewertung gestellt ist als bei anderen Beweisanträgen. Andererseits können Indizien durch Gegenindizien auch leichter entkräftet werden.

Vertragsschluss am besten mit Zeuge

Elektronischen Dokumenten ohne qeS wird weder die Beweiskraft von Privaturkunden noch der Anscheinsbeweis zuerkannt. Für die Wirtschaft hat das folgende Auswirkungen: Eine digitale Unterschrift auf einem elektronischen Dokument ist rechtlich nicht das Gleiche wie eine Unterschrift auf Papier. Der Grund liegt darin, dass die Manipulationsmöglichkeiten bei elektronischen Dokumenten höher eingeschätzt werden als bei Dokumenten in Papierform.

Dennoch sind digitale Unterschriften im Wirtschaftsverkehr weit verbreitet und werden immer mehr Raum einnehmen. Das hat zur Folge, dass der Gesetzgeber sich dieser Entwicklung früher oder später annehmen muss.

Bis dahin ist ein rein digital geschlossener Vertrag jedoch keine Makulatur. Diesen Dokumenten wird durchaus eine Indizienwirkung zuerkannt. Um jedoch die volle Wirksamkeit auszuschöpfen, sollte stets ein Zeuge bei der digitalen Vertragsunterzeichnung anwesend sein.

Der Autor Dr. Oliver Daum ist Rechtsanwalt in Kiel und befasst sich schwerpunktmäßig u. a. mit dem IT-Recht und den rechtlichen Auswirkungen der Digitalisierung auf die Wirtschaft.

Zitiervorschlag

Digitale Verträge: . In: Legal Tribune Online, 31.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42641 (abgerufen am: 07.10.2024 )

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