Das Bäckerhandwerk ist in Aufruhr. Die Ludwig Stocker Hofpfisterei aus München hat Abmahnungen verschickt, mit denen sie Wettbewerbern verbieten will, ihr Brot unter der Bezeichnung "Sonne" anzubieten. "Dinkel-Sonnen", "Vollkornsonnen" und "Partysonnen" sollen aus den Bäckereiregalen verschwinden. Ob die Hofpfisterei damit Erfolg haben wird, erörtert Eckart Haag.
Die Abmahnungen stützt die Münchner Großbäckerei auf die 1977 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingetragene Wortmarke "Sonne", die sie sich für Back-, Konditor-, Schokolade- und Zuckerwaren hat schützen lassen. Unter der Bezeichnung "Sonne" verkauft das Unternehmen seit Jahrzehnten erfolgreich ein zwei Kilo schweres, kreisrundes Sonnenblumenkernbrot.
Die Empörung der abgemahnten Bäcker ist groß. Es herrscht Unverständnis über das Vorgehen der Hofpfisterei. Nach Auffassung des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks ist der Begriff "Sonne" im Bäckereigewerbe eine seit Jahrzehnten gängige und beliebte Bezeichnung für ein kreisrundes Bauernbrot, die nicht für ein einzelnes Unternehmen monopolisiert werden dürfe. Der Verband will daher den Abmahnungen der Hofpfisterei einen Riegel vorschieben und beim DPMA die Löschung der Marke beantragen.
"Sonne" ist markenschutzfähiger Begriff
Dem Begriff "Sonne" kann nicht von vornherein jede Markenfähigkeit abgesprochen werden. Im Markenregister finden sich zahlreiche Wortmarken "Sonne", die zum Beispiel für Spielautomaten, alkoholfreie Getränke, Weine oder Nahrungsergänzungsmittel eingetragen sind. Dem Markenschutz nicht zugänglich sind lediglich Zeichen, die die einzutragenden Waren oder Dienstleistungen unmittelbar beschreiben. Man spricht in diesen Fällen von fehlender Unterscheidungskraft der Marke. Einen offensichtlich beschreibenden Charakter hat das Zeichen "Sonne" beispielsweise für Sonnencremes oder Solarzellen. Für diese Warengruppen ist der Begriff "Sonne" daher nicht schutzfähig.
Für Brote hatte der Begriff "Sonne" zumindest 1977 Unterscheidungskraft, da er den Charakter der konkret in Rede stehenden Backwaren nicht lediglich beschrieb. Zu diesem Ergebnis kam damals auch das DPMA.
Fön war auch mal eine Marke
Gerade bei älteren Marken kann der ursprünglich unterscheidungskräftige Name im Laufe der Zeit jedoch in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen und eine bestimmte Produktgattung prägen. Die Marke droht dann zu verwässern und an Kennzeichnungskraft zu verlieren. Im Extremfall kann dies zum Verlust des Markenschutzes führen.
Ein anschauliches Beispiel für eine Marke, die im Verkehr heute ausschließlich als Gattungsbegriff verwendet wird, ohne dass Verbraucher an eine Marke oder ein Unternehmen denken würden, ist die Bezeichnung "Fön". Den Wenigsten dürfte bekannt sein, dass AEG sich diese Bezeichnung 1909 als Marke für Heißluftapparate eintragen ließ. Niemand würde heute in einem Geschäft nach einem Heißluftapparat zum Trocknen der Haare fragen, sondern wie selbstverständlich einen Fön verlangen. Der Schutzumfang der weiterhin eingetragenen Marke Fön tendiert damit gegen Null.
Hat sich eine Marke aber erst einmal zu einer Gattungsbezeichnung gewandelt, kann jeder beim DPMA die Löschung beantragen. Der Antrag hat Erfolg, wenn sich die Marke im geschäftlichen Verkehr zu einer gebräuchlichen Bezeichnung für die jeweilige Ware oder Dienstleistung gewandelt hat und dies dem Inhaber der Marke zuzurechnen ist. Die Rechtsprechung ist dabei sehr streng. So muss ein Zeichen nahezu einhellig nur noch als Name für eine bestimmte Sache verstanden werden, und es dürfen lediglich sehr wenige Menschen noch die ursprüngliche Herkunft und Verbindung zu einem Unternehmen kennen.
Marke muss frühzeitig verteidigt werden
Ob Bäckereikunden unter der Marke "Sonne" heute tatsächlich überwiegend eine Brotsorte verstehen und nicht eine bestimmte Backware der Münchner Hofpfisterei, ist fraglich und müsste etwa vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks stichhaltig belegt werden. Selbst wenn dies zutreffen würde, müsste die Umwandlung des Zeichens "Sonne" in eine Gattungsbezeichnung aber auch der Markeninhaberin zuzurechnen sein. Dazu müsste es die Münchner Großbäckerei versäumt haben, frühzeitig ihre Marke gegenüber Wettbewerbern zu verteidigen. Gerade das tut sie aber derzeit mithilfe der Abmahnungen.
Allerdings hat die Hofpfisterei in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum unbeanstandet gelassen, dass Mitbewerber die Bezeichnung "Sonne" verwendeten. Andernfalls hätte sich der Begriff wohl nicht derart für ein kreisrundes Brot im Bäckereigewerbe ausbreiten können. Ob das aktuelle Vorgehen der Hofpfisterei ausreicht, um die Konturen der Marke wieder zu schärfen, werden nun wohl die Gerichte zu überprüfen haben.
Zu große Hoffnungen sollte sich der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks allerdings nicht machen, da Gerichte hohe Anforderungen an das Vorliegen der Löschungsvoraussetzungen stellen. Mit ihrer Abmahnwelle dürfte es die Großbäckerei in letzter Sekunde verhindert haben, dass die Schwelle zur Gattungsbezeichnung überschritten wurde. Auch künftig wird daher die Sonne wohl nur über der Hofpfisterei scheinen dürfen, während Mitbewerbern das Bad in der Sonne verwehrt bleiben wird.
Der Autor Eckart Haag, LL.M. (UNSW Sydney) ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei FPS Rechtsanwälte & Notare.
Münchner Hofpfisterei mahnt Bäckereien ab: . In: Legal Tribune Online, 19.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7113 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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