Darf der Staat privaten Wetterdiensten unbegrenzt steuerfinanzierte Konkurrenz machen? Nein, beschloss der Bundesrat am Freitag. Worum es in der Novelle geht, und was sie mit der Digitalen Agenda zu tun hat, erläutert Daniel Kendziur.
Die Aussichten für private Wetterdienste und Unternehmen der digitalen Wirtschaft haben sich gebessert: Nachdem bereits der Bundestag am 22. Juni 2017 Änderungen an der von der Bundesregierung geplanten Novelle des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst (DWDG) beschlossen hat, empfahl der federführende Verkehrsausschuss des Bundesrates dem Plenum nun, einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 Grundgesetz (GG) nicht zu stellen und also den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen. Einem Inkrafttreten des geänderten DWDG steht mithin nichts mehr im Wege.
Damit geht ein monatelanges Tauziehen um die Reform eines Gesetzes zu Ende, dessen Bedeutung oder gar Existenz vielen Parlamentariern zuvor wahrscheinlich verborgen geblieben war. Dabei regelt es Organisation, Aufgaben und Befugnisse des Deutschen Wetterdienstes (DWD), einer Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) mit Sitz in Offenbach am Main. Der DWD hat rund 2.300 Mitarbeiter und wird vollständig aus Steuergeldern finanziert, zuletzt mit rund 330 Mio. Euro im Jahr.
Das macht ihn zu einem übermächtigen Anbieter am Markt für allgemeine meteorologische Leistungen, klagen die privaten Wettbewerber, die im Verband Deutscher Wetterdienstleister e.V. (VDW) organisiert sind. Das noch geltende DWDG bot ihnen eine gewisse Planungssicherheit: Gemäß § 6 DWDG hat der staatliche Wetterdienst für die Erbringung seiner Dienstleistungen eine Vergütung zu verlangen. Allein bestimmte Leistungen an die Bundesländer dürfen entgeltfrei erfolgen. Dieses Gefüge verhinderte bis vor einiger Zeit, dass der DWD den Privaten steuerfinanziert in die Quere kam und den Markt durch kostenlose allgemeine meteorologische Leistungen verzerrte.
Gesetzesänderung zur Legalisierung eines rechtswidrigen Zustands
Im Juni 2015 aber startete der DWD seine "WarnWetter-App" für die Allgemeinheit, die es kostenlos und werbefrei für alle mobilen Betriebssysteme gibt. Anders als der Name vermuten lässt, handelt es sich um eine umfassende Wetter-App, die weit mehr als Warnungen vor Unwettern bietet, unter anderem etwa in Form von allgemeinen Wetterkarten, Radarbildern sowie Prognosen und Rückblicken. Private Wetterdienstleister haben solche Apps seit Langem im Angebot, müssen diese zur Kostendeckung aber gegen Entgelt oder werbefinanziert betreiben. Das staatliche Konkurrenzangebot halten sie für einen Verstoß gegen § 6 DWDG. Zwei private Anbieter klagen deshalb seit April 2016 gegen das kostenlose meteorologische Angebot des DWD für die Allgemeinheit, soweit dieses über Unwetterwarnungen hinausgeht.
Im November 2016 startete das BMVI dann den Versuch, im laufenden Spiel die Regeln zu ändern. Es initiierte über die Bundesregierung eine vom DWD selbst verfasste Änderung des DWDG. Der Entwurf sollte dem DWD erlauben, sämtliche meteorologischen Dienstleistungen für die Allgemeinheit ohne die bisherige Vergütungspflicht zu erbringen. Das bedeutete eine faktische Umkehr des bisherigen Regel-Ausnahme-Verhältnisses von vergütungspflichtigen und entgeltfreien Leistungen des DWD.
Während die ebenfalls im Rahmen der Novellierung vorgesehene Umsetzung der Open Data-Politik der Bundesregierung durch die weitgehende Freigabe der vom DWD gehaltenen meteorologischen Daten auch von der Privatwirtschaft begrüßt wurde, sah der VDW durch die schrankenlose kostenfreie Abgabe von auf diesen Daten basierenden Leistungen des DWD den fairen Wettbewerb behindert sowie zahlreiche Arbeitsplätze in der Digitalwirtschaft bedroht. "Bei der Gesetzesänderung geht es um die nachträgliche Erlaubnis der mobilen App des DWD, die ein Prestige-Projekt des DWD und von Herrn Dobrindt auf Kosten des Steuerzahlers ist. Die Gesetzesänderung behindert die digitale Wirtschaft massiv", so Christoph Kreuzer, Geschäftsführer von wetter.com.
2/2: Bundesrat sah Behinderung privatwirtschaftlicher Anbieter
Der Bundesrat teilte diese erheblichen wettbewerbspolitischen Bedenken, die auch von namhaften Ökonomen und Verfassungsrechtlern geäußert worden waren. Professor Dr. Justus Haucap vom Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie (DICE) hatte bereits im Januar 2017 ganz erhebliche Bedenken gegen die geplante Ermächtigung des DWD, steuerfinanziert und entgeltfrei unbegrenzt in Konkurrenz zu privaten Anbietern zu treten. Professor Dr. Christian von Coelln von der Universität zu Köln äußerte zudem erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken zur Zulässigkeit eines derartigen Eingriffs einer Behörde in den Markt und kam zu dem Ergebnis, dass die geplante Neuregelung alles in allem gegen die Berufsfreiheit der privaten Wetterdienstleister verstößt.
Der Bundesrat bat am 10. März 2017 daher um eine sorgfältige Prüfung und Überarbeitung des Gesetzesvorhabens – mit Erfolg. Konkret beschloss er: "Die unentgeltliche Abgabe von Leistungen des steuerfinanzierten Deutschen Wetterdienstes stellt eine Behinderung etablierter privatwirtschaftlicher Anbieter dar."
Der Bitte des Bundesrates schloss sich der VDW umfassend an. "Ein erster Schritt in die richtige Richtung", begrüßte Dennis Schulze, Vorstandssprecher des VDW und Geschäftsführer der MeteoGroup in Deutschland. "Wir wünschen uns, dass der Gesetzgeber der Bitte des Bundesrates folgt und das Gesetz überarbeitet. Durch präzise Vorgaben muss sichergestellt werden, dass der Gesetzestext die Intentionen von Open Data und Digitaler Agenda tatsächlich umsetzt und nicht, wie im bisherigen Entwurf, diese Ziele auf den Kopf stellt."
Auch Joachim Klaßen, Geschäftsführer von WetterOnline, sah beim Anbieten von Wetter-Dienstleistungen die Notwendigkeit klar definierter Grenzen zwischen der Behörde DWD und privaten Unternehmen: "Amtliche Warnungen vor Unwettern sollte der DWD entgeltfrei erbringen. Die Grenze entgeltfreier Wetter-Dienstleistungen des steuerfinanzierten DWD ist aber dort zu ziehen, wo Unwetter aufhören und das ganz normale Wetter anfängt."
Der VDW forderte den Gesetzgeber daher in den vergangenen Monaten auf, die vom Bundesrat erbetenen Prüfungen und Änderungen in seinen Beratungen zu berücksichtigen. Auch der Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V. (BVDW) sowie der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT) übten heftige Kritik an der geplanten Novelle. Durch das geplante Gesetz werde ein Präzedenzfall für die fehlerhafte Umsetzung von Open Data und Digitaler Agenda in Deutschland geschaffen, hieß es von dort.
Open Data beim DWD – Smart Services in der digitalen Wirtschaft
Wie in den Gutachten der Wissenschaftler und in den Stellungnahmen der Verbände der digitalen Wirtschaft zum Ausdruck kommt, ist zu unterscheiden zwischen Open Data einerseits und daraus entwickelten Smart Services andererseits. Dem hat sich der Bundestag am 22. Juni angeschlossen, ebenso nun am Freitag der Bundesrat.
Die in überarbeiteter Form beschlossene Regelung weist dem DWD als datenhaltende Stelle die Aufgabe zu, seine Daten entgeltfrei bereitzustellen (Open Data), nicht aber selbst Smart Services zu entwickeln und entgeltfrei anzubieten. Diese Smart Services sind im Sinne der Digitalen Agenda und der nun beschlossenen Neuregelung Sache der digitalen Privatwirtschaft.
Während Open Data durch die kostenfreie Abgabe von Wetterdaten weiterhin realisiert wird, schränkt das in geänderter Form beschlossene Reform-Gesetz kostenfreie staatliche Dienstleistungen auf Unwetterwarnungen und Warnungen vor Radioaktivität ein. Ebenso kostenfrei bleiben Leistungen für den Katastrophenschutz.
Kaiserwetter steht den privaten Wetterdienstleistern damit nicht bevor, aber die Aussichten sind immerhin heiter bis wolkig. Im Jahr 2020 sollen die Auswirkungen des reformierten DWDG evaluiert werden.
Dr. Daniel Kendziur ist Rechtsanwalt im Münchener Büro von Simmons & Simmons und vertritt die privaten Wetterdienstleister in den laufenden Gerichtsverfahren.
Daniel Kendziur, Reform des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst: Keine Staatskonkurrenz bei den Wetterprognosen . In: Legal Tribune Online, 07.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23393/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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