Das neue Polizeiabkommen zwischen Deutschland und Polen löst einen längst veralteten Vertrag ab und ermöglicht den Beamten effektivere Ermittlungsarbeit über Grenzen hinweg. Thomas Bode hofft, dass sie davon auch Gebrauch machen werden.
Das Abkommen zwischen den Regierungen Deutschlands und Polens über die Zusammenarbeit der Polizei-, Grenz- und Zollbehörden (Deutsch-Polnisches Polizeiabkommen) tritt nach zähem Ringen am 9. Juli 2015 in Kraft. Damit löst es den alten Vertrag aus dem Jahr 2002 ab, der eine überkommene Wirklichkeit abbildete – er stammt noch aus Zeiten, in denen Polen weder der EU noch dem Schengen Raum beigetreten war.
Die Umsetzung des neuen Abkommens betrifft neben der Landespolizei im Grenzgebiet auch den Zoll und die Bundespolizei sowie natürlich Täter, Verdächtige und deren Verteidiger aus beiden Ländern. Im Kern geht es darum, auch über die Grenzen hinweg effektiv ermitteln zu können und sich dabei gegenseitig zu unterstützen. Künftig sollen etwa Informationen über laufende Verfahren leichter ausgetauscht werden können, bürokratische Hemmnisse abgebaut werden, die nationalen Behörden entweder über Grenzen hinweg oder direkt gemeinsam ermitteln können.
Die Betonung liegt auf "Können" - denn das Abkommen bietet zwar viele Möglichkeiten für die Beamten im Hinblick auf die Kriminalitätsbekämpfung, aber auch sehr viel Spielraum. Vielfach wird von den leitenden Polizisten selbst abhängen, ob sie sich diese neuen Befugnisse auch zu Nutze machen.
Information sollen ausgetauscht werden
Zuständige Behörden beider Länder sind nun verpflichtet, sich auf Ersuchen gegenseitig Informationen über Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren zu übermitteln, seien sie präventiv oder repressiv. Viele wichtige Informationsarten sind im Abkommen aufgelistet.
Auch die praktisch wesentlichen Deliktsarten der Grenzkriminalität werden aufgezählt - etwa die "Verursachung einer Sicherheitsgefahr im Straßenverkehr" oder "Diebstahl und Unterschlagung". Informationen zu diesen Taten dürfen - unabhängig von der Einordnung als Ordnungswidrigkeit oder Straftat - zwischen den Behörden über die Grenze hinweg ausgetauscht werden.
Offen bleibt aber, ob zum Beispiel Befragungen von Personen oder Spurensicherungen bereits durchgeführt sein müssen oder ob das Abkommen neben der Informationsübermittlung auch deren -Gewinnung regeln soll.
Bürokratische Hemmnisse werden abgebaut
Zuvor war zwar im Hinblick auf den Informationsaustausch teilweise bereits der Weg eines abgekürzten Rechtshilfeersuchens möglich. Dieses Verfahren wird nun weiter vereinfacht. Bei einigen Taten stand etwa früher aufgrund der unterschiedlichen Einordnungen im jeweiligen Land in Frage, ob der lange justizielle oder der abgekürzte polizeiliche Rechtshilfeweg einschlägig war. In Folge dessen versackten Verfahren im Treibsand der Zuständigkeitsprobleme.
Der neue Vertrag sorgt dafür, dass Polizeidienststellen nun in allen Fällen der Grenzkriminalität direkt ohne den komplizierten allgemeinen Rechtshilfeweg verwertbare Informationen teilen können. Zuständigkeiten und Ansprechpartner sind nun klarer erkennbar, bürokratische Hemmnisse – etwa Übersetzungserfordernisse – bei dieser Kommunikation werden zudem weiter reduziert.
Die neue vereinheitlichende und klärende Regelung wird den grenzüberschreitenden Verfolgungsdruck auch auf in Polen delinquent gewordene Täter erhöhen, die nach Deutschland einreisen.
2/2: Grenzüberschreitende Eingriffsmöglichkeiten
Das Abkommen regelt nun weithin grenzüberschreitende Eingriffsmöglichen bei dringenden Gefahren für Leib und Leben. Beamte des einen Landes dürfen - ohne vorher um Erlaubnis des anderen Landes zu fragen - zur Rettung von Menschen die Staatsgrenze überschreiten, den Straßenverkehr regeln und Personen vorläufig festnehmen.
Bei geringeren Rechtsgütern oder repressiven Ermittlungen besteht aber nach wie vor ein grundsätzlicher Vorrang des Informierens und Fragens vor dem hoheitlichen Handeln im Nachbarland. Dieser Grundsatz wird aber an einigen Stellen für Eilfälle durchbrochen.
Ein solcher Ausnahmefall kann beispielsweise bei Eigentumsdelikten, etwa bei Versuchen, mit gestohlenen Gütern über die Grenze zu fliehen, bestehen. So ist die Verfolgung und vorläufige Festnahme dieser Täter nun unter gewissen Einschränkungen möglich. Dies kann entweder im Rahmen einer planmäßigen Observation geschehen, sich spontan und ohne voriges Ersuchen bei einer überraschend die Grenze überschreitenden Observation oder schließlich im Rahmen der sog. Nacheile bei Verfolgung auf frischer Tat ergeben.
Solche Maßnahmen müssen aber, wenn zeitlich möglich, mit dem Nachbarland abgestimmt werden. Eine Observation darf auch im Eilfall nur bis zu 12 Stunden ohne dessen Bewilligung fortgesetzt werden. Ähnliche Beschränkungen gelten für den grenzüberschreitenden Einsatz von verdeckten Ermittlern.
Gemeinsame Ermittlungen
Neben den bereits bestehenden gemeinsamen Streifen sind jetzt auch gemeinsame operative Ermittlungsgruppen aus Beamten beider Länder möglich. Auch können Polizisten des einen Landes im anderen Land hoheitlich tätig werden, wenn sie der Führung eines dort örtlich zuständigen Beamten unterstellt werden.
Mit diesen Möglichkeiten kann eine eskalierende Einsatzlage im Grenzgebiet gelöst werden. Ein wichtiger Anwendungsfall wäre etwa der Einsatz gegen Hooligans durch fremdgeführte Beamte des Heimatlandes auf fremdem Boden.
Auch die schwierige Ermittlung von bereits begangenen Straftaten und Tätern kann aber über diese Instrumente forciert werden, ohne dass auf den langwierigen Weg der allgemeinen Rechtshilfe zurückgegriffen werden muss.
Gemeinsame Dienststellen
Schließlich besteht die Möglichkeit, neben dem bestehenden Leuchtturm des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit an der Grenze in Świecko neue gemeinsame Dienststellen zu gründen, um die Zusammenarbeit der Polizei zu intensivieren. Dazu ist auch eine verstärkte Zusammenarbeit der Behörden bei Aus- und Fortbildung sowie technische Unterstützung vorgesehen.
Diese Maßnahmen sind im Abkommen allerdings meist nur allgemein genannt und noch nicht in ihrer Art und Weise konkretisiert. Außerdem enthält der Vertrag eine Souveränitätsklausel, nach der eine Maßnahme verhindert werden kann, wenn sie nach Ansicht des Nachbarlandes mit Grundsätzen seiner Rechtsordnung nicht vereinbar ist oder heimische Ermittlungen stört.
Ob eine stärkere Integration bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität zwischen Deutschland und Polen gelingt, ist also vor allem davon abhängig, wie der enorme Spielraum des Vertrages ausgefüllt wird und ob auch entsprechend gut kriminalistisch ausgebildetes und sprachlich geschultes Personal für diese Intensivierung der Zusammenarbeit zur Verfügung steht. Das neue Abkommen ist daher eine große Chance, bietet aber auch das Risiko des Scheiterns, wenn es nicht mit Leben gefüllt wird.
Der Autor Dr. Thomas Bode ist Habilitand und Akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsinformatik von Prof. Dr. Wolf an der Europa-Universität Viadrina. Sein Forschungsbereich betrifft neben dem Spannungsfeld zwischen Repression und Prävention auch grenzüberschreitende Ermittlungsmaßnahmen.
Dr. Thomas Bode, Deutsch-polnisches Polizeiabkommen tritt in Kraft: Zusammenarbeit als Chance . In: Legal Tribune Online, 09.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16157/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag