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Bitcoin und Blockchain: Crypto Crime – ein neues Rechts- und Bera­tungs­feld

Gastkommentar von Thorsten Franke-Roericht, LL.M. und Martin Figatowski, LL.M.

18.06.2021

Visualisierung eines Bitcoin

rybindmitriy - stock.adobe.com

Es geht um Kryptowährungen und Strafrecht, gemeint ist aber nicht Cyber Crime: Thorsten Franke-Roericht und Martin Figatowski finden, dass Juristen differenzieren müssen, und grenzen ein neues Beratungsfeld ein: Crypto Crime.

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"The Crypto Crime Wave Is Here" titelte das Wall Street Journal bereits 2018. Die Kryptowährungskriminalität steige rasant an, heißt es in dem Bericht, Strafverfolgungsbehörden bemühten sich, damit Schritt zu halten. Auch die US-Bundessteuerbehörde (IRS) sei auf das Phänomen aufmerksam geworden. Die Wertpapier- und Börsenaufsicht (SEC) warne Anleger vor bestimmten Formen von Kryptowährungen. Investoren müssten vor Betrugsmodellen geschützt werden. Kurz gesagt: Die Lage sei ernst.

Doch was genau steckt hinter dem Phänomen des Crypto Crime?

2008 stellte die bis heute unbekannte Person hinter dem Pseudonym "Satoshi Nakamoto" ein weltveränderndes Whitepaper einer kleinen Gemeinde von Eingeweihten vor: "Bitcoin: Ein elektronisches Peer-to-Peer-Cash-System". Bitcoin ist als digitales Bargeldsystem konzipiert, das Online-Zahlungen ohne Banken und Zahlungsdienstleister (Intermediäre) direkt zwischen Käufer und Verkäufer abwickelt. Basis dieses Cash-Systems ist nicht Vertrauen, sondern nüchterne Mathematik und Physik: die Rechenleistung von Computern (Hash-Rate).

Wer das System ermöglicht und in Gang hält (Nodes), wird mit der Möglichkeit entlohnt, Coins selbst generieren (Mining) sowie Transaktionsgebühren verlangen zu können. Eine Inflation wie bei staatlich kontrollierten Währungen (Fiatgeld) ist bei Bitcoin weniger stark ausgeprägt, denn die maximal verfügbare Menge, die wohl im Jahr 2140 erreicht werden wird, bleibt auf 21 Millionen beschränkt. Dem Fiatgeld ist hingegen immanent, dass die Staaten zur Steuerung der Wirtschaft und des Finanzsystems die Druckerpresse anwerfen. Wer darauf setzt, wird immer ärmer. Bitcoin ist demgegenüber deflationär.

Ein digitales Kassenbuch, einsehbar für jeden

Nach der Idee von Nakamoto werden zudem nicht nur die im üblichen Zahlungssystem anfallenden Gebühren gesenkt, vielmehr macht man sich von Fiatwährungen unabhängig: Bitcoin entstehen über ein verteiltes Netzwerk (Distributed Network). Nirgendwo steht ein Server, auf dem es zentral hinterlegt ist. Es ist über die Welt verteilt, auf jedem Computer, auf dem die jeweils aktuelle Version der Software installiert ist; und für jeden jederzeit öffentlich einsehbar – vom Anfang bis heute. Eine Art fortlaufendes digitales Kassenbuch, in dem etwa im Zehn-Minuten-Takt aufeinander aufbauende Transaktionen in Blöcke zusammengefasst, verifiziert, mit Zeitstempel versehen und unveränderbar festgeschrieben sind (Blockchain-Technologie).

Asymmetrische Kryptografie gewährleistet die Sicherheit und Anonymität. Man erhält eine öffentliche Adresse (Public Key) zum Geldempfang bzw. Geldsenden sowie einen geheimen privaten Schlüssel (Private Key), mit dem man die jeweilige Transaktion signiert. Bitcoins wandern so direkt von einer digitalen Geldbörse (Wallet) in eine andere - technisch bleiben sie allerdings stets im Blockchain-Protokoll. Ein revolutionäres System, aber doch so einfach und klar, dass manche ihm sogar die Schönheit von Einsteins E = mc²-Formel attestieren.

"…in etwa so effektiv, wie einen Beinbruch mit Aspirin zu behandeln"

Bitcoin und Blockchain wecken nach wie vor Misstrauen. Das nicht nur bei Intermediären, die durch sie Geschäft verlieren, sondern maßgeblich auf staatlicher Seite: Bitcoin sei vorrangig dazu bestimmt, Gelder aus kriminellen Geschäften zu waschen, im Darknet Waffen und Auftragsmorde zu bezahlen oder Terrorismus zu finanzieren.

Das stimmt auch. Allerdings ist das keine Eigenart von Bitcoin. Das traditionelle Bargeld ist der weitaus größere Risikofaktor, wie der Wirtschaftsjournalist Felix Holtermann zutreffend auf den Punkt gebracht hat: "Laut Europol ist das beliebteste Werkzeug für dunkle Geschäfte noch immer ziemlich real – Bargeld. Kryptogeld zu bekämpfen, um den Schwarzmarkt auszutrocknen, ist in etwa so effektiv, wie einen Beinbruch mit Aspirin zu behandeln."

Crypto Crime eben - und nicht Cyber Crime

Um den Kern von Crypto Crime juristisch greifbar zu machen, ist eine zentrale (auch strafrechtliche) Abgrenzung erforderlich:

Geht es um Straftaten mit Kryptowährungen als Geldersatz oder sind sie Tatobjekt von Straftaten, gehören diese Sachverhalte nach unserer Auffassung nicht zum Crypto Crime. Wenn also dunkle Geschäfte im Darknet mittels Bitcoin abgewickelt werden, fällt dies nicht unter Crypto Crime. Auch digitale Erpressungen per Verschlüsselungstrojaner (Ransomware) – wie zuletzt in den USA im Falle von "Colonial Pipeline" – sind nicht Teil dieses neue Rechts- und Beratungsfeldes.

Und schließlich: Werden in einer Hot Wallet (z.B. der digitalen Geldbörse einer Kryptobörse) hinterlegte Bitcoin "gestohlen" oder wird auf einem fremden Computer Software installiert, die verdecktes Mining zur Gewinnung von Bitcoins betreibt, ordnen wir diese Themen dem bereits etablierten Bereich des Cyber Crime zu.

Die Al-Capone-Strategie oder: Vorwurf der Steuerhinterziehung als Eintrittstor

Erinnern wir uns an Al Capone, dem die Behörden viele Jahre auf Schritt und Tritt folgten, aber keine Straftaten nachweisen konnten. Jedenfalls bis zu dem Tag, an dem ein Steuerfahnder auf den Plan trat, denn am Ende saß der Mafia-Boss immerhin für Steuerhinterziehung ein. Kein Wunder also, dass auch heute Ermittler in den USA mit dieser Al-Capone-Strategie an Kryptowährungssachverhalte herangehen. So wurde kürzlich bekannt, dass der IRS strafrechtliche Ermittlungen gegen Kunden und Mitarbeiter einer der weltweit größten Kryptobörsen einleitete. Der Verdacht: Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Kurze Zeit später teilte man mit, man vernetze sich auch international, um mit anderen Steuerbehörden Daten auszutauschen und gemeinsame Ermittlungsansätze gegen Steuerhinterziehung abzustimmen.

Aus nationaler Perspektive stellt sich weiterhin die Frage, ob aus dem Handel mit Kryptowährungen generierte Veräußerungsgewinne überhaupt zu versteuern sind. Denn bislang gibt es weder eine gesetzliche Regelung, die einen solchen Sachverhalt explizit erfasst, noch höchstrichterliche Rechtsprechung. Zwar haben sich Vertreter der Bundesregierung und einzelne Finanzbehörden profiskalisch positioniert, für Steuerpflichtige sind solche Meinungsbekundungen aber rechtlich nicht bindend. Ebenso unverbindlich wäre ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF), das derzeit Verbänden zur Stellungnahme zur Verfügung steht. Darin geht es um die ertragsteuerliche Behandlung von Kryptowährungen und Token. Finanzämter und Berater warten seit Jahren auf eine solche erstmals mit den Bundesländern abgestimmte Position des BMF.

Eine schwierige Frage in der Beratung von Steuerpflichtigen ist daher, wie man mit einer derart unsicheren Lage umgehen soll: Kryptogewinne steuerlich erklären oder nicht? Wenn sie nicht erklärt werden: Droht ein Steuerstrafverfahren?

Crypto Crime ist da und die Rechtswissenschaft muss reagieren

Wären von Crypto Crime aber nur diese Probleme erfasst, könnte man nicht wirklich von einem neuen Teilrechtsgebiet sprechen. Ergänzend zur Abgrenzung gegenüber Cyber Crime lassen sich aus der Beratungspraxis weitere Fragen finden, die Juristinnen und Juristen im Feld des Crypto Crime beantworten werden müssen:

Krypto-Deals werden weltweit abgewickelt – findet deutsches Strafrecht Anwendung? Verwahrt ein Unternehmen Kryptowerte ohne BaFin-Erlaubnis – droht eine Freiheits- oder Geldstrafe? Überweist ein Trader seine unversteuerten, in Euro umgewandelten Gewinne auf sein Konto – muss er sich wegen Geldwäsche verantworten? Nimmt jemand auf einer Krypto-Börse Einfluss auf den Kurs einer Kryptowährung – greift Kapitalmarktstrafrecht? Wird die Einziehung von Krypto-Assets angeordnet – geht das Eigentum an der Sache oder das Recht mit der Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat über?

Wie auch immer man zu Kryptowährungen und der Blockchain-Technologie steht: Die Phänomene sind in der Welt und verändern auf disruptive Weise nicht nur unsere Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, sondern auch die Wissenschaften. In der Rechtswissenschaft stehen wir erst am Anfang, sie zu erfassen und in die Eigenheiten z.B. des Zivilrechts, Bank- und Kapitalmarktrechts, Geldwäscherechts, Steuerrechts, Straf- und Bußgeldrechts einzuordnen. Damit ist klar: Ein neues Kapitel zeichnet sich ab - Crypto Crime.

Thorsten Franke-Roericht, LL.M. Wirtschaftsstrafrecht, Tax Compliance Officer (C.H. Beck) und Martin Figatowski, LL.M. Taxation, Tax Compliance Officer (C.H. Beck), sind Steueranwälte und Strafverteidiger in jeweils eigener Kanzlei in Düsseldorf/Bonn. Zusammen haben sie die "Alliance Crypto Crime Defense" ins Leben gerufen.

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Bitcoin und Blockchain: Crypto Crime – ein neues Rechts- und Beratungsfeld . In: Legal Tribune Online, 18.06.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45243/ (abgerufen am: 26.09.2023 )

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