Die Stromberg-Fans brauchten eine Woche, um eine Million zusammen zu bekommen. Speziell Startups nutzen das Crowdfunding auch als Stimmungstest. Die Finanzierungsform birgt aber auch Gefahren für Anleger. Die Bundesregierung will sie nun mit einem Referentenentwurf schützen. Dabei beschränkt sie Plattformen und Anleger viel zu sehr, meint Alexander Knauss.
Zahlreiche Anleger haben in den vergangenen Jahren - besonders in der Finanzkrise - schlechte Erfahrungen mit traditionellen Kapitalanlagen gemacht. Die Renditen sanken und während viele Anleger neue Investitionsmöglichkeiten suchten, brauchten gerade Startup-Unternehmen neue Finanzierungsformen. Das Crowdfunding bringt diese Interessen zusammen. In Deutschland wurde es spätestens durch den Aufruf der Produzenten von "Stromberg" an dessen Fans bekannt, eine Million Euro für das Projekt eines Kinofilms aufzubringen. Die Fans folgten dem Aufruf: Innerhalb einer Woche kam der gewünschte Betrag zusammen.
Mit der neuen Anlagemöglichkeit entstehen aber auch neue Missbrauchsgefahren. So können Anleger leicht auf falsche Versprechungen hineinfallen und ihr Geld verlieren. Grund genug für den Gesetzgeber, den Schutz der "Crowd" zu verbessern. Ein Referentenentwurf der Bundesregierung - Kleinanlegerschutzgesetz genannt - soll durch Änderung zahlreicher bestehender Gesetze, u.a. des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG), den Schutz der Anleger verbessern und gleichzeitig einen rechtlichen Rahmen für das Crowdfunding schaffen. Die Befugnisse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sollen ausgeweitet, die Prospektpflichten und die Pflicht zur Aushändigung eines Vermögensanlagen-Informationsblatts erweitert und bestimmte Werbe- und Vertriebsmöglichkeiten unterbunden werden.
Die Verfasser des Entwurfes beabsichtigen, dadurch die Finanzierungsbedingungen für Startups zu verbessern und das Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland wiederherzustellen. In der Praxis werden diese engen Regelungen das Entstehen von Startups und die Investitionsfreudigkeit der Anleger aber wohl eher bremsen. Die deutsche Startup-Szene wird also auch weiterhin im internationalen Vergleich hinterherhinken.
Crowdfunding - was ist das eigentlich?
Crowdfunding ist eine Methode der Geldbeschaffung, bei welcher der Initiator eine Vielzahl von Personen (die Crowd) zur finanziellen Unterstützung (funding) für seine Geschäftsidee aufruft. Durch die Breitenwirkung eines Aufrufs im Netz können sich dabei kleine Beiträge Einzelner schnell zu großen Summen addieren. Bekannte Plattformen sind weltweit kickstarter.com und indiegogo.com, in Deutschland companisto und seedmatch. Auch Banken haben das Konzept nun entdeckt und versuchen dieses über eigene Crowdfunding-Plattformen zu unterstützen.
Die Idee als solche ist nicht neu. Schon im Jahr 1885 rief Joseph Pulitzer seine Landsleute zur Finanzierung des Sockels für die Freiheitsstatue im Wert von damals 102.000 $ auf, wobei der Minimalbeitrag 1 $ betrug. Als Gegenleistung erhielten die Förderer eine Miniaturausgabe der Freiheitsstatue. Nach nur zwei Wochen stand die Finanzierung.
Crowdfunding ist vor allem für Startups von Bedeutung, die eine Finanzierung für die Anfangsphase suchen, in der Banken Kredite gar nicht oder nur zu schlechten Konditionen gewähren, weil ihnen entweder die Geschäftsidee zu gewagt klingt und/oder weil die angehenden Jungunternehmer keine Sicherheiten bieten können.
Es gibt vier Erscheinungsformen des Crowdfundings. Unter "Donation-Based Crowdfunding" versteht man Spenden ohne Gegenleistung, also für Liebhaberprojekte und durch Wohltätigkeitsorganisationen. Beim "Reward-Based Crowdfunding" erhalten die Unterstützer eine Art Belohnung, z.B. das fertige Produkt zu einem günstigeren Preis oder einem früheren Zeitpunkt. Beim "Crowdinvesting" erhält der Investor meistens einen Anspruch auf einen Anteil am Unternehmensgewinn oder am Verkaufserlös. Dieser Anspruch wird in der Regel verbrieft und kann verkauft werden. Oft handelt es sich dabei um partiarische oder nachrangige Darlehen. Schließlich gibt es noch das "Crowdlending", also die Gewährung von Krediten an Privatpersonen oder Unternehmen. Hierbei werden von einer Vielzahl von Privatpersonen stammende Mittel gebündelt und einem von ihnen ausgewählten Kreditnehmer als Darlehen gewährt.
Strengere Aufsicht über Plattformen und Anbieter
Zurzeit gibt es für die Betreiber von Crowdfunding-Plattformen keine speziellen aufsichtsrechtlichen Regelungen. Lediglich einzelne Erscheinungsformen sind nach §§ 32, 1 Abs. 1a Nr. 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) erlaubnispflichtig und unterfallen der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Je nach Ausgestaltung kommt auch eine Genehmigungspflicht nach der Gewerbeordnung (GewO) in Betracht. Die Anbieter, also die Startups, welche die Plattform nutzen, sind sogar völlig unreguliert.
Das will der Gesetzgeber ändern, um die Anleger stärker vor Missbrauch zu schützen. Die Plattformbetreiber – zumindest, wenn sie auch Crowdinvesting und Crowdlending vermitteln – werden künftig generell erlaubnispflichtig und damit unter Aufsicht der BaFin gestellt.
Hierzu soll der Begriff der Vermögensanlage in § 1 Abs. 2 VermAnlG um die für das Crowdfunding typischen partiarischen Darlehen, Nachrangdarlehen sowie sämtliche wirtschaftlich vergleichbaren Vermögensanlagen erweitert werden. Dies hat zur Folge, dass der Plattformbetreiber künftig immer eine erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung in Form der Anlagevermittlung nach § 1 Abs, 1a S. 2 Nr. 1, Abs. 11 Nr. 2 KWG ausübt.
Die Änderung des VermAnlG betrifft aber gleichzeitig auch die Angebote der kapitalsuchenden Startups selbst. Sie werden erlaubnispflichtig und unterfallen künftig der Aufsicht der BaFin.
Außerdem sollen Vermögensanlagen, die in den Anwendungsbereich des VermAnlG fallen, künftig eine Mindestlaufzeit von 24 Monaten haben und nur mit einer Frist von 12 Monaten kündbar sein (§ 5a VermAnlG-E). Damit ist eine doppelte Schutzwirkung beabsichtigt: Zum einen kann der Anbieter für diese Zeit sicher kalkulieren und erhält eine stabile Finanzierungsgrundlage. Zum anderen wird der Anleger gewarnt, dass seine Vermögensanlage eine unternehmerische Investition von gewisser Dauer darstellt.
2/2: Die Prospektpflicht und ihre Ausnahmen
Abhängig von der Form der Anlage kann der Plattformbetreiber derzeit nach § 6 VermAnlG verpflichtet sein, einen Verkaufsprospekt zu veröffentlichen. Der Prospekt soll dem Anleger all diejenigen Informationen geben, die notwendig sind, um den Emittenten und die geplante Anlage zu beurteilen. Für Startups ist das natürlich sehr aufwändig, weil die Erstellung eines solchen Prospektes viel Zeit erfordert, ohne teure Rechtsberatung kaum möglich ist, ein Prüfungsverfahren bei der BaFin durchlaufen muss und die Druckkosten teuer sind. Anbieter wollen diesen Aufwand also natürlich vermeiden. Derzeit werden zahlreiche Crowdfundings durch die Ausnahmeregelung des § 2 Nr. 3 lit. b) VermAnlG von den Pflichten des VermAnlG ausgenommen, wenn die jeweilige Finanzierung einen Rahmen von 100.000 Euro, gewährt innerhalb von zwölf Monaten, nicht überschreitet.
Nach dem Referentenentwurf sollen künftig bestimmte Regelungen, darunter Werbebeschränkungen sowie Informations- und Rechnungslegungspflichten, für alle Anbieter von Vermögensanlagen ausnahmslos gelten.
Für Vermögensanlagen, die auf einer Internet-Plattform angeboten werden und deren Betreiber der Aufsicht nach dem KWG oder der GewO unterliegt - nach der Ausweitung der Erlaubnispflicht also alle Crowdinvesting- und Crowdlending-Plattformen -, soll es aber gemäß § 2 Abs. 3 VermAnlG-E eine Ausnahme von der Prospektpflicht und der Mindestlaufzeit geben, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen: Der Verkaufspreis sämtlicher von dem Emittenten ausgegebener Vermögensanlagen darf eine Million Euro und der Gesamtbetrag pro Anleger 10.000 Euro nicht übersteigen. Beide Schwellenwerte sind deutlich niedriger als in anderen EU-Staaten.
Das ist nicht unproblematisch: Manche Crowdfunding-Projekte sammeln weit mehr Gelder ein als ursprünglich von den Gründern erwartet. In Zukunft müssten sie bei Erreichen der Grenzwerte aufhören, Gelder anzunehmen, um nicht unbeabsichtigt in die Prospektpflicht zu rutschen. Auch führt diese Beschränkung dazu, dass Anleger, die gern höhere Summen investieren würden und sich dies aufgrund ihres Vermögens auch leisten können, auf diesem Weg nicht mehr angesprochen werden können.
Werbung für Stromberg in der Wirtschaftswoche
Außerdem will der Entwurf die Regelungen zu den Vermögensanlagen-Informationsblättern verschärfen. Bisher musste solche Informationen dem Anleger lediglich auf Verlangen ausgehändigt werden (§ 15 VermAnlG). Künftig muss jeder Anleger, der mehr als 250 Euro investiert, dieses Blatt bekommen (§ 2 Abs. 2 S. 3 VermAnlG-E). Außerdem muss er es ausdrucken, unterschreiben, um den Erhalt zu bestätigen und es per Post zurückschicken. Diese Regelung hindert sicherlich viele Kleinanleger daran, mehr als 250 Euro zu investieren, denn gerade die Spontaneität des Online-Crowdfundings wird dadurch gehemmt.
Schließlich soll nach § 12 VermAnlG-E die Werbung für öffentlich angebotene Vermögensanlagen nur noch in Medien erfolgen dürfen, deren Schwerpunkt "zumindest auch" auf der Darstellung von wirtschaftlichen Sachverhalten liegt. Werbung im öffentlichen Raum durch Plakate soll unterbunden und die Anzeigenwerbung kanalisiert werden. Mit dem Entwurf wollen die Verfasser des Entwurfs sicherstellen, dass der angesprochene Adressatenkreis ein gewisses wirtschaftliches Grundverständnis hat. Ob ein Werbemedium diese Anforderungen erfüllt, soll einer "wertenden Gesamtbetrachtung im Einzelfall" überlassen bleiben. Die BaFin kann hierzu gegenüber Emittenten und Anbietern bestimmte Arten der Werbung untersagen (§ 16 Abs. 1 VermAnlG-E).
Eine Befreiung von der geplanten Werbebeschränkung ist – ebenso wie für die Pflicht zur Erstellung und Aushändigung des Vermögensanlagen-Informationsblatts – nicht vorgesehen. Diese Regelungen gehen leider völlig an der Realität des Crowdfundings vorbei. Die Macher von Stromberg hätten unter den geplanten Regelungen wohl nur noch in der Wirtschaftswoche oder dem Handelsblatt inserieren können. Die wahre Fangemeinde hätten sie damit vermutlich nicht erreicht.
Der Autor Alexander Knauss ist Partner der überörtlichen Sozietät Meyer-Köring Rechtsanwälte Steuerberater mit Büros in Bonn und Berlin. Er ist Fachanwalt für Erbrecht sowie Bank- und Kapitalmarktrecht.
Alexander Knauss, Kleinanlegerschutz und Startups: Crowdfunding schwer gemacht . In: Legal Tribune Online, 13.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13467/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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