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Ausbreitung der Delta-Variante am Urlaubsort: Geld zurück statt Trau­m­ur­laub?

Gastbeitrag von Sebastian Löw, LL.M.

13.07.2021

Die sog. Love Bridge in Zypern

Andrey - stock.adobe.com

Viele haben sich auf den ersten Sommerurlaub nach der Corona-Krise gefreut. Jetzt breitet sich die Delta-Variante allerdings zunehmend in Europa aus. Sebastian Löw erklärt, wann Reisende zum kostenfreien Rücktritt berechtigt sind.

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Konnte man vor ein paar Wochen – mit Einführung des "Grünen Passes" – noch von einem Sommerurlaub abseits des Corona-Alltags träumen, zeichnet sich mittlerweile durch die Ausbreitung der Delta-Variante wieder ein trüberes Bild ab.

So erklärte die Bundesregierung Ende Juni Portugal zum Virusvariantengebiet, bevor das Land erst unlängst zum Hochinzidenzgebiet (Länder mit einem Inzidenzwert über 200) "zurückgestuft" wurde. Damit steht Portugal nun auf derselben Stufe wie Zypern, das zum 11. Juli zum Hochinzidenzgebiet "hochgestuft" wurde.

Ein ähnliches Schicksal erlitt auch Spanien, das nunmehr aufgrund seiner ansteigenden Infektionszahlen als "einfaches" Risikogebiet ausgewiesen ist. Anderen Urlaubsländern könnte bald ein ähnliches Szenario drohen.

Grüner Pass versus Virusvariantengebiet

Der Impffortschritt sowie die starke Reduktion der Infektionszahlen haben dazu geführt, dass auf Ebene der Europäischen Union (EU) am 1. Juli 2021 die Verordnung (EU) 2021/953 in Kraft getreten ist. Ziel dieser Verordnung ist es, mit dem sog. "Grünen Pass" die von den einzelnen EU-Mitgliedstaaten eingeführten Reisebeschränkungen wieder zu beseitigen (vgl Art. 1). Art. 11 räumt den Mitgliedstaaten allerdings weiterhin die Möglichkeit ein, Einreisen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit in spezifischer und begrenzter Form zu beschränken.

Stuft die Bundesregierung ein Urlaubsland als Virusvariantengebiet ein, so stützt sie sich auf diese Ausnahmebestimmung. Als Virusvariantengebiet werden nämlich jene Länder erklärt, in denen sich eine Mutation verbreitet, die hierzulande nicht gleichermaßen grassiert und die ein besonderes Risiko darstellt. Möchte man aus einem solchen Land nach Deutschland einreisen, so muss man einen negativen Test vorweisen und sich für vierzehn Tage – ohne Möglichkeit zur vorzeitigen Freitestung – in Quarantäne begeben.

Ähnliches gilt bei der Einstufung als Hochinzidenzgebiet, weil die Einreise aus einem solchen Land ebenfalls mit Quarantänemaßnahmen verbunden sein kann. Ausnahmen bestehen für vollständig Geimpfte sowie Genesene. Bei derartigen Reisebeschränkungen stellt sich die Frage, ob bzw. wann gebuchte Reisen kostenlos storniert werden können.

Besonderer gesetzlicher Schutz für Pauschalreisende

Die Frage, wann und ob der Reisende kostenlos zum Rücktritt berechtigt ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern hängt im Wesentlichen von den geschlossenen Verträgen ab.

Einen besonderen gesetzlichen Schutz erfahren Pauschalreisende. Das sind jene Reisende, die zumindest zwei Reiseleistungen (Beförderung, Unterbringung, Autovermietung oder sonstige touristische Dienstleistungen, wie bspw. Eintrittskarten), zu einem Gesamtpreis gebucht haben (vgl. § 651a Abs. 2 und 3 BGB).

Bei einem Rücktritt vom Pauschalreisevertrag vor Beginn der Reise kann der Reiseveranstalter nach § 651h Abs. 1 BGB grundsätzlich eine angemessene Entschädigung verlangen. Davon gibt es jedoch Ausnahmen. Eine solche stellt u.a. § 651h Abs. 3 BGB dar. Der Reiseveranstalter kann demnach keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.

Kostenfreier Rücktritt bei Einstufung des Urlaubsziels als Virusvariantengebiet

Wird das Urlaubsziel als Virusvarianten- oder Hochinzidenzgebiet eingestuft, so sind diese Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt. Dies ergibt sich allerdings nicht unmittelbar aus den damit einhergehenden Einreisebeschränkungen, denn diese treten nicht – wie von § 651h Abs. 3 BGB gefordert – am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe auf, sondern erst bei der Ankunft in Deutschland.

Entscheidend ist vielmehr das besondere gesundheitliche Risiko, das mit dieser am Urlaubsort verbreiteten Virusmutation einhergeht.

Zu beachten ist allerdings, dass die Bundesregierung ihre Einstufung immer nur temporär, das heißt für maximal 14 Tage, vornimmt. Ein Rücktritt kommt deshalb erst äußerst spät infrage. Erklärt der Reisende seinen Rücktritt nämlich verfrüht, also zu einem Zeitpunkt, zu dem noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer starken Gefährdung durch die Delta-Variante am Urlaubsort zu rechnen ist, so kann der Reiseveranstalter grundsätzlich eine Entschädigung verlangen. Es handelt sich in diesem Fall um einen "gewöhnlichen" Rücktritt nach § 651 Abs. 1 BGB.

Entschädigung des Reiseveranstalters, wenn kein Virusvarianten- oder Hochinzidenzgebiet

Ein gewöhnlicher Rücktritt wird auch dann die einzige Möglichkeit sein, wenn das Urlaubsziel, trotz einer hohen Verbreitung der Delta-Variante, nicht als Virusvarianten- oder Hochinzidenzgebiet erklärt wird. In diesem Fall kann nämlich nicht von einer Verbreitung der Virusmutation ausgegangen werden, die weit über den deutschen Verhältnissen liegt. Die Reisedurchführung führt dementsprechend zu keiner höheren Gefährdung der körperlichen Gesundheit, als es die Gegebenheiten in Deutschland tun.

Diese Argumentation wird auch der Einstufung des Urlaubslandes als "einfaches" Risikogebiet standhalten, weil hierfür "nur" ein Viertel der 7-Tages-Inzidenz eines Hochinzidenzgebiets erforderlich ist.

Zudem indizieren auch die – nahezu – nicht vorhandenen Einreisebeschränkungen, die mit dieser Einstufung einhergehen, noch kein entsprechend hohes Gesundheitsrisiko im Sinne einer erheblichen Beeinträchtigung.

Kein kostenfreier Rücktritt bei Individualreisen

Wurden nur ein Flug oder eine Unterkunft (etwa über Airbnb) gebucht, so handelt es sich um eine Individualreise. Der Rücktritt von solchen Einzelleistungen richtet sich nicht nach den pauschalreiserechtlichen Bestimmungen. In diesem Fall liegt ein Einzelvertrag mit der Fluggesellschaft bzw. dem Hotel vor, der sich – neben den jeweiligen Geschäftsbedingungen des Vertragspartners – nach Werkvertrags- bzw. Mietrecht richtet.

Vertragsgegenstand ist nicht die (risikofreie) Durchführung der Pauschalreise, sondern lediglich die Beförderung bzw. Unterbringung des Reisenden. Die Einstufung des Urlaubsziels als Virusvarianten- oder Mutationsgebiet beeinträchtigt die Erbringung dieser Leistungen im Grunde jedoch ebenso wenig, wie die Einstufung als "einfaches" Risikogebiet.

Der Reisende kann daher bei solchen Einzelleistungen im Regelfall nur auf eine Kulanzlösung, etwa in Form einer Umbuchung, hoffen, nicht aber kostenlos zurücktreten.

Sebastian Löw, LL.M. (WU), ist Dissertant an der Universität Innsbruck und Autor mehrerer Publikationen zum Reiserecht.

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Ausbreitung der Delta-Variante am Urlaubsort: . In: Legal Tribune Online, 13.07.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45463 (abgerufen am: 16.05.2025 )

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