Das reformierte Kurzarbeitergeld soll Unternehmen retten und Arbeitnehmer vor der Kündigung schützen – es bringt aber auch ein Risiko, zeigen Matthias Brockhaus und Sebastian Maiß: Wer falsch beantragt, kann sich strafbar machen.
Die COVID-19-Pandemie hat binnen kürzester Zeit bei einem Großteil der Unternehmen in Deutschland für Betriebsstillegungen, Auftragseinbrüchen und dem Zusammenbruch von Lieferketten gesorgt. In dieser Krisensituation setzt der Staat auf das bereits aus der Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009 erfolgreich genutzte Instrument des konjunkturellen Kurzarbeitergeldes (KUG). Mit Kurzarbeitergeld können Unternehmen einen durch die COVID-19-Pandemie entstandenen Arbeits- und Entgeltausfall zum Teil ausgleichen und damit Kündigungen vermeiden. Nach aktuellen Schätzungen der Bundesregierung werden rund 2,35 Millionen Menschen in die Kurzarbeit gehen.
Auf Grundlage des am 14. März 2020 in Kraft getretenen "Gesetzes zur befristeten krisenbedingten Regelungen für das Kurzarbeitergeld" soll der Zugang zum Kurzarbeitergeld für Unternehmen rückwirkend zum 01. März 2020 erleichtert werden.
Schneller und einfacher an das Kurzarbeitergeld
Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage müssen nur 10 Prozent (statt wie bisher ein Drittel) der Beschäftigten im Betrieb vom Arbeitsausfall betroffen sein, es muss kein negativer Arbeitszeitsaldo durch die Arbeitnehmer mehr aufgebaut werden, auch Leiharbeitnehmer können Kurzarbeitergeld beziehen und die Bundesagentur für Arbeit erstattet die vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge in vollem Umfang. Weitere Voraussetzung für die Gewährung von Kurzarbeitergeld ist, dass der Arbeitsausfall auf einem unabwendbaren Ereignis oder wirtschaftlichen Gründen beruht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn Lieferungen ausbleiben, die Produktion eingeschränkt oder auch der Betrieb aufgrund staatlich angeordneter Schutzmaßnahmen stillgelegt werden muss. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber mit Einverständnis der Mitarbeiter oder auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrages Kurzarbeit einführen und die Arbeitszeit ganz ("Kurzarbeit Null") oder teilweise reduzieren. Der Arbeitgeber muss den Arbeitsausfall dann in einem ersten Schritt bei der Agentur für Arbeit anzeigen und in einem zweiten Schritt die Erstattung des von ihm an die Arbeitnehmer vorverauslagten Kurzarbeitergeldes beantragen.
Sind die Voraussetzungen erfüllt, haben Arbeitnehmer für die Dauer des Arbeitsausfalls einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld für die Dauer von bis zu zwölf Monaten. Das Kurzarbeitergeld bemisst sich nach dem Nettoentgeltausfall. Die Kurzarbeiter erhalten grundsätzlich 60 Prozent des ausgefallenen pauschalierten Nettoentgeltes. Lebt ein Kind mit im Haushalt beträgt das Kurzarbeitergeld 67 Prozent des ausgefallen pauschalierten Nettobetrages. Weitere Voraussetzung ist eine Antragstellung des Arbeitgebers bei der Agentur für Arbeit.
Kurzarbeitergeld als Subvention nach § 264 StGB
Die Beantragung von Kurzarbeitergeld ist indes mit strafrechtlichen Risiken verbunden, auf die die Agenturen für Arbeit in den Antragsformularen auch ausdrücklich aufmerksam machen. Dort heißt es: "Ergeben die Feststellungen der Agentur für Arbeit, dass strafrechtlich relevante Aspekte zu einer Leistungsüberzahlung geführt haben, wird Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet."
Die Versuchung, schnell an Kurzarbeitergeld zu kommen, ist hoch. Fehlerhafte Entscheidungen im Zusammenhang mit der Anzeige eines Arbeitsausfalls und der Beantragung von Kurzarbeitergeld bergen aber ein erhebliches straf- und zivilrechtliches Risiko. Ein potentieller Missbrauch liegt vor, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld, § 95 Sozialgesetzbuch (SGB) III, nicht erfüllt sind. Sind die Angaben bei der Antragstellung durch den Arbeitgeber unrichtig oder unvollständig, kann dies einen Betrug i.S.d. § 263 Strafgesetzbuch (StGB) darstellen.
Neben dem "klassischen" Betrugstatbestand kommt bei fehlerhaften Angaben zum Arbeitsausfall eine weitere Strafbarkeit in Betracht. Nach überwiegender Auffassung handelt es sich bei dem gewährten Kurzarbeitergeld um eine Subvention (§ 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB). Die Einhaltung der Antragsvoraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld kann daher als subventionserhebliche Tatsache (§ 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB) qualifiziert werden, wie Verfahren im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise 2008/2009 gezeigt haben. Dort waren Fallkonstellationen bekannt geworden, in denen tatsächlich kein Arbeitsausfall in dem angezeigten Umfang bestand, Arbeitgeber sich aber gleichwohl vorverauslagtes Kurzarbeitergeld erstatten ließen.
Gegen die Qualifizierung von Kurzarbeitergeld als "Subvention" ließe sich freilich anführen, dass es sich hierbei um eine Leistung handelt, die allein die Arbeitnehmer beanspruchen können. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Kurzarbeitergeld nur nach Anzeige eines Arbeitsausfalls durch den Arbeitgeber gewährt wird. Das gesamte Antragsverfahren liegt daher in der Hand des Arbeitgebers, der ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Gewährung des Kurzarbeitergeldes hat. Denn ohne dieses Instrumentarium müsste er nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen die Vergütung der Arbeitnehmer auch dann zahlen, wenn er dem Arbeitnehmer nicht ausreichend Arbeit zur Verfügung stellen kann. Er gerät in den sog. Annahmeverzug, § 293 BGB. Unabhängig von der Qualifizierung von Kurzarbeitergeld als "Subvention" besteht für Arbeitgeber aber jedenfalls das Risiko, sich einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt zu sehen.
Dieser sog. Subventionsbetrug sieht deutlich geringe Voraussetzungen als der Betrugsstraftatbestand des § 263 StGB vor. Er lässt nämlich bereits leichtfertiges Handeln ausreichen, also eine besondere Form der Fahrlässigkeit in Richtung einer groben und vermeidbaren Sorgfaltspflichtverletzung. Bei einem Subventionsbetrug würde daher spätestens die unrichtige oder unvollständige Antragstellung auf Kurzarbeitergeld durch den Arbeitgeber gegenüber der Agentur für Arbeit den Tatbestand erfüllen, ohne dass ein weiterer Schadensnachweis (als "Taterfolg") erforderlich wäre.
Wer nicht genau prüft, läuft ins Risiko
Ein Strafbarkeitsrisiko besteht immer dann, wenn der Antragsteller ihm obliegende Prüfungs-, Erkundigungs-, Informations- oder Aufsichtspflichten verletzt, sei es aus Gleichgültigkeit oder grober Unachtsamkeit. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Antragsteller aufgrund unvollständiger oder fehlerhafter Zeiterfassungsbögen den angezeigten Arbeitsausfall und das korrespondierend dazu beantragte Kurzarbeitergeld fehlerhaft ermittelt und deren Unrichtigkeit auf den ersten Blick zu erkennen war.
Darüber hinaus muss immer auch tatsächlich ein Arbeitsausfall vorliegen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn tatsächlich noch Aufgaben vorhanden sind, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Rahmen seines Direktionsrechts zuweisen kann und dadurch der Arbeitsausfall verhindert werden kann (z.B. Aufräumen des Lagers bei einer angeordneten Betriebsschließung und "Kurzarbeit Null").
Unternehmen sollten daher vor der Anzeige des Arbeitsausfalls eine exakte Zeitdokumentation bzw. Zeiterfassung erstellen, um den tatsächlichen Arbeitsausfall nachvollziehen zu können. Insbesondere dann, wenn die Arbeitszeit nicht "auf Null" gesetzt, sondern auch während der Kurzarbeit noch gearbeitet wird, sind diese Angaben genau zu kontrollieren und auf Plausibilität zu überprüfen. Ebenso sollte dokumentieren werden, in welchen Fällen der Arbeitsausfall durch bezahlten Erholungsurlaub kompensiert bzw. verhindert werden kann. Die Agenturen für Arbeit fordern, dass jedenfalls in der Regel der Vorjahresurlaub vor Eintritt in die Kurzarbeit eingebracht werden soll. Arbeitgeber sollten ferner auch dokumentieren, welche Maßnahmen sie unternommen haben, um Urlaub aus dem laufenden Kalenderjahr vorrangig einzubringen. Das Gleiche gilt für den Abbau von Guthaben auf Arbeitszeitkonten.
Schließlich ist anhand einer plausiblen Dokumentation nachzuhalten, dass der unvermeidbare Arbeitsausfall tatsächlich auf ein Ereignis zurückzuführen ist, das im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie steht. Die Beantragung von Kurzarbeitergeld pauschal "wegen Corona" ohne Nachweis eines unvermeidbaren Arbeitsausfalls reicht nicht aus. In diesem Zusammenhang wird auch häufig übersehen, dass Kurzarbeitergeld dann nicht mehr gewährt werden kann, wenn innerhalb des Bezugszeitraums des beantragten Kurzarbeitergeldes nicht mehr mit einer Rückkehr zur Vollarbeit zu rechnen ist. Steht eine Betriebsschließung daher bereits im Zeitpunkt der Beantragung des Kurzarbeitergeldes fest oder ist sie mit hoher Wahrscheinlichkeit absehbar, kann kein Kurzarbeitergeld gewährt werden. Dann kommt nur noch die Beantragung des sog. Transfer-Kurzarbeitergeldes in Betracht (§ 111 SGB III).
Ermittlungen könnten nach der Krise drohen
Werden leichtfertig falsche Angaben im Antragsverfahren gemacht, setzt sich der Verantwortliche nicht nur selbst einem strafrechtlichen Risiko aus; vielmehr kann auch gegen das Unternehmen selbst eine Geldbuße nach § 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten verhängt werden. Daneben kommt auch die Einziehung des im Zusammenhang mit dem rechtswidrig beantragten und ausgezahlten Kurzarbeitergeld in Betracht (§ 73, 73c StGB). Will der Arbeitgeber überdies den durch die Kurzarbeit gekürzten Lohn ausgleichen, muss er auf die ordnungsgemäße Lohnversteuerung bzw. das Abführung entsprechender zusätzlicher Sozialversicherungsabgaben achten, um sich nicht in eine strafrechtliche Schieflage zu begeben.
Auch wenn die Behörden aufgrund der Flut der Anträge und der besonderen Krisensituation die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld derzeit nicht bis ins letzte Detail prüfen (können), wird die spätere Kontrolle jedenfalls bei Verdachtsmomenten durch Sonderprüfungsgruppen der Behörden wie bereits nach der Finanzkrise 2008/2009 erfolgen. Die Investitionsbank Berlin stellt bereits jetzt diverse betrugsrelevante Verstöße im Zusammenhang mit Corona-Soforthilfen fest.
Der Autor Dr. Matthias Brockhaus ist Fachanwalt für Strafrecht der ausschließlich im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht tätigen Kanzlei VBB Rechtsanwälte. Er ist in der Verteidigung von Einzelpersonen und Unternehmen sowie der strafrechtlichen Compliance-Beratung tätig.
Der Autor Dr. Sebastian Maiß ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei vangard Littler in Düsseldorf. Er ist spezialisiert in die Beratung von Unternehmen, insb. der Gestaltung flexibler Arbeitszeitmodelle.
Corona und Strafrecht: . In: Legal Tribune Online, 01.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41171 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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