Der Entwickler des Computerspiels "Rape Day" findet, in einer virtuellen Welt sollte alles erlaubt sein. Verbote seiner brutalen Fantasien wertet er als Zensur. Warum sie dennoch nicht in die Öffentlichkeit gehören, erklärt Sophie Derfler.
Dass es Computerspiele einmal in die Berichterstattung der größten deutschen Zeitungen schaffen, ist sicherlich eine Seltenheit. Kontroversen werden üblicherweise in Internetforen oder einschlägigen Zeitschriften ausdiskutiert. Das Spiel "Rape Day" aber sorgt aktuell für große öffentliche Aufregung – nicht nur in der Gamer-Szene. Nach Protesten in den sozialen Medien, einer Online-Petition gegen das Spiel und diversen Zeitungsartikeln hat sich die Online-Spieleplattform Steam entschieden, das Spiel – entgegen früherer Ankündigung – doch nicht anzubieten. Nun will der Entwickler das Spiel eigenständig für 15 US-Dollar verkaufen.
Ziel des Spieles ist es, während einer Zombie-Apokalypse in der Rolle eines Psychopathen Frauen – wie der Titel bereits nahelegt – zu vergewaltigen. Woher der Aufruhr um das Spiel rührt, ist damit nicht schwer zu erklären: Moralisch fragwürdig, gar "menschenfeindlich" seien die Darstellungen dort, so liest man. Der Entwickler unterdessen verteidigt seine Schöpfung damit, dass es sich dabei nur um eine virtuelle Realität handele. Tötungen seien in Computerspielen mittlerweile gang und gäbe und es gebe keinen Grund, warum dies nicht auch für Vergewaltigungen gelten sollte. Den Verkauf des Spiels betrachtet er als Ausdruck seiner Meinungsfreiheit, jedes Verbot als Zensur. Es stellt sich also die Frage: Wo ist die Grenze dessen, was Computerspiele zeigen dürfen?
Argumentum a maiore ad minus?
Der Entwickler argumentiert, dass die unterschiedliche Behandlung von Tötungen, welche in der Verwerflichkeit immerhin noch über Vergewaltigungen stünden, und Vergewaltigungen eine Form der Doppelmoral sei.
Doch der Schluss vom Größeren auf das Kleinere funktioniert hier nicht recht: Der Unterschied zwischen Tötung und Vergewaltigung liegt gerade darin, dass die Tötung in Ausnahmefällen erlaubt, gerechtfertigt oder sogar gewünscht ist. Im Krieg ist das Töten von anderen Menschen erlaubt, ja von den kriegführenden Parteien sogar bezweckt, und viele Computerspiele simulieren den Kriegsfall. Aber auch in anderen Extremfällen kann die Tötung eines anderen Menschen, beispielsweise in Notwehrfällen, gerechtfertigt sein. Es gibt in der realen Welt also (sehr enge) Ausnahmefälle, in denen das Töten von Menschen mit unserer Rechtsordnung vereinbar ist. Es gibt aber kein rechtliches Szenario, in welchem Vergewaltigungen erlaubt, gewünscht oder gerechtfertigt sind.
Zwar existieren auch Spiele, die willkürliche Tötungen zum Gegenstand haben und auch diese könnten ggf. zu verurteilen sein. Gleichwohl ist das Argument, Vergewaltigungen müssten gezeigt werden dürfen, weil auch Tötungen nicht per se verwerflich seien, zu kurz gedacht.
Meinungsfreiheit des Entwicklers
Auf Steam kann jeder gegen ein Entgelt von 86 Euro selbstprogrammierte Spiele hochladen, Steam prüft diese weder auf Qualität noch auf ihren Inhalt. Die Plattform begründet dies damit, dass sie allen die Möglichkeit geben wolle, von der Meinungs- und Kunstfreiheit Gebrauch zu machen.
Die Aussage des Spieles fällt in der Tat unproblematisch in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Das Spiel ist sicherlich frauenverachtend, jedoch ist Hassrede nicht generell von der Meinungsfreiheit ausgenommen. Allerdings wird das Recht auch nicht grenzenlos gewährleistet und findet seine Beschränkung beispielsweise in allgemeinen Gesetzen und dem Jugendschutz.
§ 131 StGB verbietet menschenverachtende Gewaltdarstellungen
Das Strafgesetzbuch (StGB) formuliert in § 131 ein Verbot von menschenverachtenden Gewaltdarstellungen. Nach § 131 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer eine Schrift – dazu gehören auch Computerspiele (§ 11 Abs. 3 StGB) – veröffentlicht, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer die Menschenwürde verletzenden Weise schildern. Eine unmenschliche Tat liegt vor, wenn der Täter menschenverachtend handelt, das heißt den menschlichen Achtungsanspruch verletzt.
Das Computerspiel "Manhunt" etwa, dessen einziges Ziel es war, möglichst viele Gangmitglieder auf möglichst brutale Art und Weise umzubringen, wurde beispielsweise nach § 131 StGB beschlagnahmt und nach § 18 Abs. 1 JuSchG indiziert. Bei pornographischen Werken unterdessen dürfen Menschen nicht als reine hilflose Gewalt- und Triebobjekte dargestellt werden, die ihren einzigen Zweck in der Befriedigung der Lust der Zuschauer finden.
"Rape Day" basiert nun darauf, dass Männer Frauen während einer Zombie-Apokalypse vergewaltigen. Dabei sind Frauen allein das Objekt männlicher Begierde und werden zum hilflosen Spielball männlicher Gewalt. Die dargestellten Frauen bekommen keinerlei Rechte, Achtung oder Wert zugeschrieben. Aber auch der Protagonist des Spiels findet seine einzige Aufgabe in der Suche nach Frauen, welche er vergewaltigen kann. Er lässt sich nur von seinen Trieben leiten.
Der alleinige Zweck der in dem Spiel dargestellten Menschen ist es, die sexuelle Lust der Zuschauer zu befriedigen. Zieht man den Vergleich mit dem Spiel "Manhunt", fällt auf, dass es in beiden Spielen darum geht, andere Menschen auf brutalste Art und Weise ihres Menschenwerts zu berauben. Wenn ein Spiel, dessen Ziel einzig das brutale Töten von Menschen ist, den Tatbestand des § 131 StGB erfüllt, dann wohl auch ein Spiel, dessen Ziel einzig das brutale Vergewaltigen von Frauen ist. Liegt nun ein Fall des § 131 StGB vor, so wird die Meinungsfreiheit des Entwicklers durch die drohende Geld- bzw. Freiheitsstrafe rechtmäßig eingeschränkt.
Schutz der Allgemeinheit durch Jugendschutz
Die Meinungsfreiheit kann außerdem durch Gesetze zum Schutze der Jugend eingeschränkt werden, Art. 5 Abs. 2 Grundgesetz (GG). In erster Linie schützt der Jugendschutz für Telemedien, unter welche auch online erhältliche Computerspiele fallen, offensichtlich Kinder und Jugendliche vor entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten. In einem weiteren Schritt bietet er aber auch die Möglichkeit, die Allgemeinheit vor Inhalten zu schützen, welche die Menschenwürde verletzen, vgl. § 1 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV).
Unabhängig davon, ob eine Strafbarkeit nach § 131 StGB vorliegt, darf ein Telemedium, welches grausame oder unmenschliche Taten zeigt, nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 JMStV nicht verbreitet werden. Solche Medien müssen vielmehr in der Liste jugendgefährdender Medien indiziert werden. Somit unterläge das Spiel einem absoluten Verbreitungsverbot, welches die Meinungsfreiheit des Entwicklers zulässig einschränken würde.
Keine Kunst ohne Grenzen
Die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG wird im Gegensatz zu Meinungsfreiheit zwar grundsätzlich schrankenlos gewährt, darf aber trotzdem durch kollidierende Grundrechte eingeschränkt werden. Wie oben schon ausgeführt, verletzen die Darstellungen in "Rape Day" die Menschenwürde. Und in einer grundrechtlichen Kollision ist die Menschenwürde ob ihrer Unantastbarkeit immer der Kunstfreiheit vorzuziehen.
Auch wenn in einem Computerspiel wie "Rape Day" also keine realen Personen verletzt werden, setzt die Menschenwürde den Entwicklern Grenzen. Dies bedeutet nicht, dass wir – wie der Entwickler behauptet – den Charakteren Rechte zusprechen, sondern vielmehr, dass unsere Gesellschaft die Unantastbarkeit der Menschenwürde um unser Willen schützt, u. a. auch dadurch, dass manche Taten und Ideen nicht zur Unterhaltung verbreitet werden dürfen.
Die Autorin Sophie Derfler ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Medien- und Informationsrecht von Professor Dr. Kai von Lewinski an der Universität Passau.
Streit um Computerspiel "Rape Day": . In: Legal Tribune Online, 15.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34419 (abgerufen am: 03.10.2024 )
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