Der US-Senat hat einen Untersuchungsbericht zum Einsatz sogenannter harter Verhörmethoden veröffentlicht. Er zeigt, welche Foltervarianten die Bush-Regierung im "Krieg gegen den Terror" zuließ. Barack Obama will "diese Methoden dort belassen, wo sie hingehören – in der Vergangenheit". Hat staatlich organisierte Folter eines demokratischen Rechtsstaats keine rechtlichen Folgen? Von Dr. Denis Basak.
Im Vorfeld gab es gab lange Diskussionen. Am Dienstag aber hat der US-Senat die knapp 500-seitige Zusammenfassung eines über 6000 Seiten umfassenden, äußerst akribischen Untersuchungsberichts seines Geheimdienstausschusses veröffentlicht. Sie enthält Angaben zum Umfang, dem genauen Hergang und dem Ertrag der Foltermethoden, welche die Regierung von George W. Bush nach dem 11. September 2001 im Kampf gegen den Terror abgesegnet hat.
Es ist ein Dokument des Grauens und des Scheiterns. Es ist aber auch die amtliche Dokumentation eines Sachverhalts, der objektiv betrachtet schwerste Menschenrechtsverletzungen beinhaltet. Anders als China oder Nordkorea sind aber die USA dem eigenen Anspruch nach ein Rechtsstaat. Dennoch schloss Präsident Barack Obama schon zu Beginn seiner Amtszeit aus, was eigentlich am nächsten gelegen hätte, nämlich eine Aufarbeitung der Geschehnisse durch die Strafjustiz der USA.
Auch nach George W. Bush: Keine Strafverfolgung in den USA
Folter ist auch dort verboten und ein Verbrechen. Die politische Vorgabe aber lautet nun, nur nach vorne zu sehen. Eine nachträgliche "Kriminalisierung" früherer politischer Vorgaben gilt bis heute als unfein, und auch nach Austausch der politischen Spitze musste die Regierung mit den involvierten Behörden zusammen arbeiten. Die Idee, einen Sonderermittler zur Vorbereitung von Anklagen gegen die Hauptverantwortlichen einzusetzen, war damit schnell vom Tisch.
Die Aufarbeitung dieser Taten, die man nach den Maßstäben des Völkerstrafrechts nur als schwerste Verbrechen bezeichnen kann, erreichte so das Niveau von Wahrheitskommissionen nach südafrikanischem oder lateinamerikanischen Muster: Die Tatsachen werden ermittelt und veröffentlicht, weitere Rechtsfolgen bleiben aber aus.
Während dieses Instrument für Übergangsgesellschaften nach Kriegen oder Diktaturen für die Abarbeitung der Fallmassen, die untergeordneten Mitläufer und Regimeschergen angemessen und richtig sein kann, ist es einer entwickelten und gefestigten Demokratie mit einer gut funktionierenden und ausgestatteten Justiz eigentlich nicht würdig.
Vor allem die Beiträge der Köpfe der geheimdienstlichen, militärischen und politischen Hierarchien sowie das Verhalten nicht qualifizierter externer Berater, welche die Methoden eigens entwickelten, ausprobierten und nach Medienangaben sogar empfahlen, wären selbst nach chilenischen oder argentinischen Maßstäben Sache der Justiz. Einer kalten Amnestie hingegen wären sie nicht zugänglich.
Schadensersatz statt Strafe?
Könnten die Opfer wenigstens Schadensersatz erhalten? Prof. Manfred Nowak, der ehemalige Sonderberichterstatter über Folter des UN-Menschenrechtsausschusses, spekulierte schon darüber, ob die Veröffentlichung des Berichts durch den Senat ein Hinweis darauf sein könnte, dass künftig die Folteropfer wenigstens eine Chance haben könnten, vor Zivilgerichten in den USA auf Schadensersatz zu klagen. Barack Obama beschwor bei der Veröffentlichung, dass "Amerika weiterhin die stärkste Kraft für Werte wie Freiheit und Menschenwürde" sein werde, "die es je auf der Welt gab". Von Konsequenzen oder Ersatzansprüchen für die Opfer aber sprach er nicht.
Ein solcher Anspruch würde aber voraussetzen, dass die Gerichte das Verhalten der Militärs und Geheimdienstmitarbeiter als widerrechtlich bezeichnen. Eher ist wohl damit zu rechnen, dass solche Verfahren unterbunden werden. Schließlich hat die US-Bundesregierung auch auf laufende Zivilverfahren erhebliche Einflussmöglichkeiten, wenn sie auf Belange der nationalen Sicherheit verweist. Politisch ist diese Veröffentlichung eher ein letztes Aufbäumen. Eine schon abgewählte demokratische Senatsmehrheit will noch einmal ein Zeichen setzen. Für einen weitergehenden Umschwung der USA im Umgang mit diesem Schandfleck ihrer jüngeren Vergangenheit ist dies aber kein Hinweis. Dass die demnächst inaugurierte doppelte republikanische Mehrheit im Kongress weitere Türen für Klagen ehemaliger Terrorverdächtiger öffnen wird, ist nicht zu erwarten. Insofern wird es auch nach diesem Bericht dabei bleiben: Eine justizielle Aufarbeitung der gezielt von Regierung, Geheimdiensten und dem Militär angeordneten und ebenso verbreitet wie erfolglos eingesetzten Folter wird es nicht geben.
2/2: Internationale Prozesse – vielleicht sogar in Deutschland?
Auch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag wird nicht helfen können: Die USA sind kein Mitgliedstaat und zugleich Vetomacht im Sicherheitsrat, so dass auch eine Überweisung durch dieses Gremium nicht möglich ist.
Allerdings unterliegen die hier beschriebenen Taten als Kriegsverbrechen und gegebenenfalls auch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit dem Weltrechtsprinzip, in Deutschland in § 1 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) normiert. Nach diesem strafanwendungsrechtlichen Grundsatz kann eigentlich jeder Staat unabhängig vom Tatort oder der Nationalität von Tätern oder Opfern wegen solcher völkerstrafrechtlichen Kernverbrechen aus eigenem Recht Strafverfahren anstoßen und durchführen.
Internationale NGOs wie Amnesty International, Human Rights Watch oder das ECCHR haben schon mehrfach versucht, auf diesem Weg in verschiedenen Staaten Verfahren anzuschieben. Mehr als PR-Erfolge bei der Einreichung entsprechender Anzeigen konnten sie damit allerdings bislang nicht erzielen.
In Deutschland wurden zweimal sehr umfangreiche Materialsammlungen zu Abu Ghraib, Guantanamo und den sogenannten "Folter-Memos" bei der Generalbundesanwaltschaft eingereicht. Beide Male lehnte der Generalbundesanwalt schon die Eröffnung von Ermittlungsverfahren mit Verweis auf § 153f Strafprozessordnung (StPO) ab.
Nach der Vorschrift kann die Staatsanwaltschaft zwar von der Strafverfolgung absehen bei im Ausland begangenen Straftaten, die nach dem Völkerstrafrecht strafbar sind, wenn der Täter sich nicht in Deutschland aufhält und es auch sonst keinen Bezug zum Inland gibt. Sie soll dies aber nach Abs. 2 der Norm nur unter engen Voraussetzungen tun. Den auch weltweit sehr verbreiteten politische Willen, keine solchen Verfahren gegen die USA zu führen, kann man auch bei der obersten deutschen Strafverfolgungsbehörde erkennen.
Am Ende entscheidet die Staatsraison
Allerdings macht der nun vorliegende Bericht des US-Senats die Argumentation für den Generalbundesanwalt noch schwieriger: Der Sachverhalt liegt amtlich festgestellt vor. Und der fehlende Wille der USA, die Taten selbst zu verfolgen, ist von höchster Stelle öffentlich bekundet.
Damit fällt ein wichtiger Teil der Begründungen weg, die der Generalbundesanwalt bislang bemühte. Darauf, dass die USA selbst für eine strafrechtliche Aufarbeitung sorgen würden, kann er sich nicht länger berufen. Das gilt umso mehr, als die insoweit einschlägige Norm des § 153f Abs. 2 StPO das Gesetzlichkeitsprinzip gegenüber dem ansonsten für Auslandstaten einschlägigen § 153d StPO gerade stärken soll und explizit keinen Vorbehalt der Staatsraison enthält.
Und dennoch gibt es diese Staatsraison natürlich, in Deutschland ebenso wie in allen anderen Staaten der Welt. Und genau deshalb wird es letztlich auch international auf absehbare Zeit keine Verfahren wegen staatlich angeordneter Folter geben. Die einzige Hoffnung auf späte Gerechtigkeit für die Opfer staatlicher Willkür bleibt der Verweis darauf, dass diese Taten niemals verjähren.
Der Autor Dr. Denis Basak forscht und lehrt zu deutschem und internationalem Straf- und Strafprozessrecht sowie Rechtsdidaktik in Frankfurt am Main.
Denis Basak, Senatsbericht zur CIA-Folter: Und jetzt? . In: Legal Tribune Online, 11.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14081/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
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