Gabriel legt Ceta-Kompromiss vor : Investitionsgerichtshof als Ausweg?

25.02.2015

Vizekanzler Gabriel und die sozialdemokratischen EU-Handelsminister wollen einen Investitionsgerichtshof statt privater Schiedsgerichte im Handelsabkommen mit Kanada. Für Kritiker ist das der falsche Ansatz, Angela Merkel sieht trotz der deutschen Kritik an den bisher vorgesehenen Klagemöglichkeiten von Konzernen gegen Staaten kaum eine Möglichkeit, diese Vorschläge zu berücksichtigen.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat mit seinen sozialdemokratischen EU-Amtskollegen einen Kompromiss für Ceta vorgeschlagen. "Wir fordern einen neuen Ansatz zur Durchsetzung des Rechts auf Regulierung und des Investitionsschutzes", betonten die Minister mit Blick auf einen neuen Investitionsgerichtshof. Daher haben sie sich unter anderem auf die Forderung geeinigt, statt privaten Schiedsgerichten einen internationalen Investitionsgerichtshof zu schaffen.

Seit 2014 sind die Verhandlungen zu Ceta abgeschlossen, nun können die Mitgliedstaaten vor der Paraphierung noch Stellung dazu nehmen. Am Montag gab es große Beratungskongresse der deutschen Wirtschaft und der SPD zu Ceta und dem äquivalenten Abkommen TTIP in Berlin. Denn gerade in Deutschland ist der Widerstand groß.

Diesen Kritikern wollen die europäischen Sozialdemokraten entgegen kommen. Viele fürchten sowohl bei Ceta als auch bei TTIP schon lange, Großkonzerne könnten sich unter dem Deckmantel des Abkommens dank der Urteile anonymer, intransparenter Schiedsgerichte über nationale Gesetze hinwegsetzen. Denn das geplante Abkommen gilt als die Blaupause für das TTIP-Abkommen zwischen EU und USA. Die Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten (ISDS) ist bei beiden ein Hauptknackpunkt.

Strenge Regeln für den Handelsgerichtshof

Gabriel will über den neuen Gerichtshof hinaus viele weitere Änderungen der Verträge vorschlagen. Insbesondere möchte er verhindern, dass womöglich voreingenommene Anwälte als Schiedsrichter fungieren. Die Richter für solche Verfahren sollen daher aus einem festgelegten Pool von hochqualifizierten, von der EU, Kanada und den EU-Mitgliedstaaten benannten Schiedsrichtern ausgewählt werden "und soweit möglich qualifizierte Berufsrichter und Wissenschaftler umfassen".

Generell betonen die Minister, der Investitionsschutz solle keine Möglichkeit zur Anfechtung nationaler Gerichtsentscheidungen bieten. Schiedsgerichte dürften nicht "de facto als oberstes Gericht" fungieren und nationale Gerichtsentscheidungen aufheben.

Investoren müssen sich zudem entscheiden, ob sie vor einem nationalen Gericht klagen oder vor einem solchen Schiedsgericht.

Und um die Zahl der Verfahren zu minimieren, soll das Prinzip "Der Verlierer zahlt" gelten, sodass Konzerne damit rechnen müssen, auf den Verfahrenskosten sitzen zu bleiben. Dies liegt auf einer Linie mit Überlegungen der EU-Kommission.

Außerdem soll für die beklagten Staaten eine Berufungsoption eingeräumt werden, wenn Investoren in solchen Verfahren Recht bekommen.

Die Sozialdemokraten wollen den Klagegrund der Gesetzesänderungen streichen, auch wenn dies die Gewinnmargen deutlich senkt. Auch wegen Bankenabwicklungen oder Schuldenschnitten sollen Unternehmen nicht mehr klagen können. Schutzstandards sollen auch nachträglich geändert, zum Beispiel im Verbraucher- und Agrarbereich auch erhöht werden dürfen.

Ausländischen Investoren soll keine bessere rechtliche Behandlung als inländischen Investoren gewährt werden dürfen.

Fischer-Lescano: "Gabriels Vorschlag verstärkt die Freihandelsideologie."

Rechtsprofessor Fischer-Lescano reichen diese Änderungsvorschläge nicht aus, um seine in einem Gutachten für Attac dargelegten Kritikpunkte an Ceta zu entschärfen. In der bisherigen Version verstoßen die geplanten Regelungen seiner Ansicht nach gegen Europa- und deutsches Verfassungsrecht.

Im Kompromiss der europäischen Sozialdemokraten sieht er "kein Weniger, sondern ein Mehr an Investitionsschutz auf globaler Ebene" und eine weitere "Überinstitutionalisierung". "Gabriels Vorschlag verstärkt die Institutionen der Freihandelsideologie," erläutert er.

Außerdem sei es überhaupt nicht notwendig, ein solches Handelsgericht einzurichten. "Die Verfahren wären besser bei den regionalen Menschenrechtsgerichtshöfen aufgehoben, die schon jetzt den transnationalen Schutz des Eigentums gewährleisten. Anders als ein möglicher internationaler Investitionsgerichtshof schützen sie aber das Eigentum  in einer insgesamt ausgewogenen Weise."

Der Bremer Professor für öffentliches, europäisches und Völkerrecht bezweifelt, dass der sozialdemokratische Kerngedanke dass das "Eigentum verpflichtet", vor einem auf Investitionsverfahren spezialisierten Gerichtshof wirksam umgesetzt werden könnte. Besser solle man die allgemeinen und damit auch die sozialen Menschenrechte auf der transnationalen Ebene stärken - beispielsweise durch die Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum UN-Sozialpakt und den Ausbau der Zuständigkeiten der Menschenrechtsgerichtshöfe stärken.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht hingegen selbst für die SPD-Wünsche nach Korrekturen an dem bereits ausverhandelten Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada kaum Spielraum. "Die Veränderungen, die man noch machen kann, sind sehr beschränkt. Es gibt grundsätzlich eine sehr positive Einstellung zum Abschluss des Verfahrens", sagte Merkel nach einem Gespräch mit Kanadas Regierungschef Stephen Harper Dienstagnacht in Ottawa. Sie stehe mit Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel in Kontakt. Deutschland werde daher die EU-Kommission ermutigen, das Verfahren möglichst schnell abzuschließen.

dpa/ahe/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Gabriel legt Ceta-Kompromiss vor : . In: Legal Tribune Online, 25.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14789 (abgerufen am: 02.12.2024 )

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