Carl Heymann Preis für Robert Badinter: "Er will stets die Welt besser machen"

04.02.2013

2/2: "Europa braucht wieder das große Bild vor Augen"

LTO: Was hätte denn Europa von einer gemeinsamen Verfassung?

Franzmann-Haag:  Eine längst fällige Klärung der Frage der Subsidiarität, der Kompetenzen zwischen einer Regierung in Europa und den Regierungen der Mitgliedsländer. Idealerweise würden nur noch wenige starke Kompetenzen in Europa verbleiben, alles andere bei den nationalen Regierungen selbst.  Momentan wird es wohl manchmal so empfunden, als verlaufe das umgekehrt.

LTO: Wie sieht die Vision aus, der Sie durch die Verfassung näher kommen wollen?

Franzmann-Haag: Es ist klar, dass wir in Europa von Anfang an einen verfassungsrechtlichen Überbau gebraucht hätten. Badinter hat einen Vorschlag mit 84 knappen Artikeln gemacht. Man kann natürlich darüber streiten, ob man zum Beispiel einen Präsidenten für Europa möchte.
Wichtiger ist aber, dass die Kompetenzen zwischen der europäischen Ebene und der Ebene der Mitgliedstaaten aufgeteilt werden. Vieles, was an Vorgaben aus Brüssel und Straßburg kommt,  läuft mittlerweile Gefahr, als belastend, bürokratisch und zu detailverliebt empfunden zu werden.

LTO: Mehr großes Ganzes, weniger Details?

Franzmann-Haag: Ja. Das große Bild, das, was die Europäische Union darstellen soll, das scheint in den Hintergrund getreten zu sein. Dabei ist hier zuallererst Klarheit nötig. Es geht um die Kernkompetenzen, wie sich der Staatenbund aufstellen möchte. Die weitreichende Kompetenz der Kommission, initiativ Recht zu setzen, wo sie möchte, wird so sicher nicht bleiben.

LTO: Sie meinen eine nur subsidiäre Regelungskompetenz der Union?

Franzmann-Haag: Ja, das heißt: Erst wenn die Mitgliedsländer mit einer konkreten Aufgabe überfordert sind, erwächst aus dem Subsidiaritätsprinzip die Verpflichtung der übergeordneten Ebene Europa, sich der Aufgabe anzunehmen. Auf verschlungene Weise wird doch am Beispiel der Staatsschuldenkrise deutlich, dass Kern-fragen zur Solidarität, Subsidiarität und zur Kompetenzenverteilung nicht angegangen, geschweige denn gelöst wurden. Das ist nachzuholen.

"Persönlichkeiten aktivieren, die Europa längst leben"

LTO: Wie wollen Sie dazu beitragen?

Franzmann-Haag: Wir prämieren mit dem Carl Heymann Preis solche Initiativen, die praktisch zur vertieften Integration der Länder und zur Lösung der offenen Fragen beitragen. Wir möchten die gut ausgebildeten jungen Europäer aktivieren, die heute schon längst von der europäischen Freiheit, Freizügigkeit und dem Binnenmarkt profitieren. Wir wollen sie dafür gewinnen, sich mit uns jetzt an der Gestaltung des Europa von morgen zu beteiligen.
Es geht ja nicht mehr primär um den Frieden. Es muss eine Zukunftsvision etabliert werden: Da wollen wir hin. Keine Sonntagsreden. Wir wollen gut sein – im globalen Vergleich. Und da muss man sagen: Die Politik kann das nicht allein. Es bedarf der Mitwirkung von engagierten Privatpersonen, von Unternehmern und Unternehmen. Wir meinen vor allem die, die verstanden haben, dass sie auf das Potenzial des europäischen Binnenmarkts angewiesen sind.

LTO: Wie wirkt Ihre gemeinnützige Organisation daran mit?

Franzmann-Haag: Die Mitwirkung kann vielfältig sein. In unserem Forum zum Carl Heymann Preis – European Legal Award erarbeiten wir in einem kleinen, einflussreichen Kreis die Kernthemen in Europa – zusammen mit Gelehrten, Unternehmern, Politikern, Philosophen und Ökonomen. Wir möchten mit unseren Lösungen Handlungsmöglichkeiten für die Politik aufzeigen.

LTO: Sie werden also ganz konkrete Ergebnisse auch der Politik vorlegen?

Franzmann-Haag: Ja, die Ergebnisse stellen wir der Politik zur Verfügung, und wir publizieren sie. Wir arbeiten sehr konkret und machen Vorschläge. Wir vergeben zudem auch Forschungsprojekte an Hochschulen.

Reding, Skouris, Westerwelle: Die Verleihung in der Frankfurter Paulskirche

LTO: Können Sie schon verraten, wie die Feierlichkeiten am 24. Februar in der Paulskirche  ablaufen werden und wer teilnehmen wird?

Franzmann-Haag: Die Verleihungszeremonie in Frankfurt findet vor über 650 geladenen Gästen statt. Die EU-Vizepräsidentin Viviane Reding, Bundesaußenminister Guido Westerwelle und andere wer-den Robert Badinter besonders würdigen. Zahlreiche hohe Amtsträger aus der Bundesrepublik und der Europäischen Union, wie auch der Präsident des Europäischen Gerichtshofs, Vassilios Skouris, werden unter den Gästen sein.

LTO: Geben Sie uns einen Tipp, wen Sie für 2014 auf der Nominier-ten-Liste haben?

Franzmann-Haag (lacht): Ganz sicher nicht! Erst einmal freuen wir uns auf den 24.Februar dieses Jahres - es gibt viel zu tun.

LTO: Frau Franzmann-Haag, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Sybille Franzmann-Haag ist Juristin und Geschäftsführerin der Carl Heymanns gemeinnützige Gesellschaft mbH in Frankfurt am Main.

Die Fragen stellte Pia Lorenz.

* Anm. d. Red.: Fälschlich enthielt der Text zunächst die Angabe, Robert Badinter sei 88 Jahre alt. Sybille Franzmann-Haag bat uns, diesen Fehler nachträglich zu korrigieren. Das ist geschehen am 20.02.2013, 14:25 Uhr.

Zitiervorschlag

Carl Heymann Preis für Robert Badinter: "Er will stets die Welt besser machen" . In: Legal Tribune Online, 04.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8067/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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