Eröffnet in Berlin bald ein Coffeeshop?: Cannabisvertrieb im Dienst der Wissenschaft

von Prof. Dr. Ulrich M. Gassner

06.12.2013

2/2: Ausnahmeanträge vom BfArM bisher stets zurückgewiesen

Bislang hat das BfArM alle eingereichten Ausnahmeanträge gemäß § 3 Abs. 2 BtMG zurückgewiesen. Die rechtlichen Hürden sind hoch, die Erfolgschancen entsprechend gering.

Als Präzedenzfall für die Genehmigungsfähigkeit eines Coffeeshops kann das vom Land Schleswig-Holstein im Auftrag der Gesundheitsminister der deutschen Länder 1997 erarbeitete wissenschaftliche Modellprojekt herangezogen werden. Es sollte erforscht werden, ob der kontrollierte Verkauf von Marihuana in Apotheken es ermöglicht, die Märkte für harte und weiche Drogen zu trennen und Cannabiskonsumenten vom illegalen Drogenhandel fernzuhalten. Nach Auffassung des BfArM überwogen die Risiken bei weitem den Nutzen des Modellprojekts. Schon das wissenschaftliche Konzept sei mangelhaft und lasse nur überaus geringen Erkenntniszuwachs erwarten. Darüber hinaus seien Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs nicht gewährleistet. Auch fördere das Projekt die gesundheitliche Bedrohung der Bevölkerung durch Cannabis. Namentlich werde der freie Zugang zu Cannabis gerade von Jugendlichen in nicht wünschenswerter Weise erleichtert.

Zweck des BtMG ist der Schutz der Volksgesundheit. Die restriktive Linie des BfArM bei der Anwendung von § 3 Abs. 2 BtMG lässt sich hierauf stützen. Dass Konsumenten Marihuana legal in Coffeeshops erwerben können, statt kriminelle Milieus aufzusuchen, ist nach gängigem Verständnis ein individuelles, kein öffentliches Interesse. Grundrechte müssen zurücktreten, wenn es um die Volksgesundheit geht ‒ so jedenfalls das zweifelhafte biopolitische Mantra von Gesetzgeber und  Bundesverfassungsgerichts (BVerfG).

BfArM ist kein Schiedsrichter über wissenschaftliche Wertigkeit

Allerdings muss das BfArM die Freiheit der Forschung (Art. 5 Abs. 3 GG) beachten. Es darf zwar sicherstellen, dass die öffentliche Gesundheit nicht durch riskante Forschungsvorhaben gefährdet wird, darf sich aber nicht zum Schiedsrichter über ihre wissenschaftliche Wertigkeit aufschwingen. Nach zutreffender Auffassung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin, kommt es auf eine "Forschungslücke" nicht an (Urt. v. 27.06.1996, Az. 14 A 134.95). Allenfalls kann eine "qualifizierte Plausibilitätskontrolle" der wissenschaftlichen Methode erfolgen. Auch riskante Forschung  ist demnach zulässig, solange notwendige Sicherungsmaßnahmen eingehalten werden. So müsste etwa sichergestellt werden, dass, wie in den niederländischen Coffeeshops, nur Erwachsene Zutritt erhalten.

Schließlich kann es nicht zweifelhaft sein, dass es im öffentlichen Interesse steht, durch Coffeeshops dem Rauschgifthandel einen Teilmarkt zu entziehen und das damit verbundene kriminogene Milieu auszutrocknen. Wären dann etwa auch noch Qualitätskontrollen des angebotenen Cannabis vorgesehen, so stünde ein entsprechendes Modellprojekt sogar ganz im Einklang mit dem Ziel des Schutzes der Volksgesundheit.

Insgesamt stehen also die Chancen für den ersten deutschen Coffeeshop besser, als man auf den ersten Blick vermuten würde.

Der Autor Prof. Dr. Ulrich M. Gassner ist Direktor des Instituts für Bio-, Gesundheit- und Medizinrecht an der Universität Augsburg und Dozent am Munich Intellectual Property Law Center.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Ulrich M. Gassner, Eröffnet in Berlin bald ein Coffeeshop?: Cannabisvertrieb im Dienst der Wissenschaft . In: Legal Tribune Online, 06.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10279/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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