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Gericht teilt Strafvorstellung im Candylove-Prozess mit: Wohl unter fünf Jahre Haft für Sch­midt

von Linda Pfleger

15.03.2023

Im Gerichtssaal diskutieren zwei Männer am Laptop, während die Verhandlung zum Candylove-Prozess stattfindet.

Die derzeitige Strafvorstellung des Gerichts für Schmidt liegt mit unter fünf Jahren nah an der Vorstellung seiner Verteidiger. Foto: Linda Pfleger, LTO

Es wird konkreter: Das Gericht stellt sich eine Freiheitsstrafe unter fünf Jahren für Schmidt vor, nun für gewerbsmäßiges Handeltreiben zusammen mit dem Angeklagten G. Zudem wurde bekannt, dass Verpackungsmüll einige Beweise enthielt. 

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Nahezu pünktlich startet der neunte Verhandlungstag im Candylove-Prozess vor dem Landgericht (LG) Leipzig (Az. 8 KLs 105 Js 34746/19), der auch flott über die Bühne geht. Der Vorsitzende beginnt damit, die Ergebnisse des am letzten Verhandlungstag geführten Rechtsgesprächs zusammenzufassen.  

Außergewöhnlich klar positionierte sich das Gericht zu den nach derzeitigem Stand zu erwartenden Strafen. Diese würden wohl für alle fünf Angeklagten etwas unterschiedlich ausfallen, so das Gericht. Angeklagt sind diese wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Nach der vorläufigen Bewertung der Kammer würden die wegen Beihilfe Angeklagten Jens M. und Julius M. aufgrund positiver Sozialprognosen nicht mehr als eine Bewährungsstrafe erhalten, für Julius M. sei auch eine Geldstrafe denkbar. 

Für Schmidt komme nach Vorstellung der Kammer eine Freiheitsstrafe unter fünf Jahren in Betracht. Damit sei das Gericht mehr bei dessen Verteidiger Engel, der sich für nicht mehr als viereinhalb Jahre aussprach, als bei der Staatsanwaltschaft, die knapp sechs Jahre gefordert hatte. Grundlage hierfür sei, dass das Gericht derzeit – entgegen des Anklagevorwurfs gemäß § 30a BtMG – keine Bande sehe, wie es bereits mehrmals in den letzten Terminen deutlich machte.  

G.s Initiative ist nun Schmidts Vorteil  

Zu berücksichtigen sei auch, dass die Tatinitiative vom Angeklagten G. kam. Schmidt hatte in seiner Einlassung anschaulich geschildert, dass er selbst zunächst keinen neuen Onlineshop eröffnen wollte, G. ihn aber letztlich überredet habe. Er sei sein einziger Freund gewesen. Ein Freund, der – wie Schmidt – bereits Erfahrungen im Drogenbusiness hat und deshalb momentan eine Haftstrafe verbüßt.  

Die früheren Strafen des G. wolle das Gericht im Falle einer erneuten Verurteilung "moderat aufstocken" und eine Gesamtstrafe bilden. Eine solche Verurteilung wird immer wahrscheinlicher, da die Staatsanwaltschaft die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO nicht als gegeben sieht. Voraussetzung einer derartigen Einstellung ist, dass die zu erwartende Strafe neben einer weiteren verhängten Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder eine andere bereits verhängte Strafe zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint (§ 154 Abs. 1 StPO).  

Negativ zu berücksichtigen seien laut Kammer jedoch die jeweils einschlägigen Vorstrafen von G. und Schmidt. Zum Anwalt R. sagte das Gericht nichts.  

Keine Bande, aber Gewerbsmäßigkeit 

Da die Kammer eine Bande nicht für gegeben hält, komme eine Verurteilung der beiden wegen gemeinschaftlichen Handeltreibens, in vier Fällen gewerbsmäßig und in zwei Fällen in nicht geringer Menge, in Betracht. Damit ergebe sich ein Regelstrafrahmen von mindestens einem Jahr, nunmehr gemäß § 29 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BtMG bzw. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. 

Dafür sei laut Kammer eine einzige Strafe auszuwerfen. Da sich Einkäufe und Verkäufe überlappt hätten, sei eine saubere Trennung der Taten nicht mehr möglich. Daher würde es der Zweifelgrundsatz “in dubio pro reo” gebieten, nicht festgestellte Einzelkäufe zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen und eine tateinheitliche Begehung anzunehmen. Für das Strafmaß komme es im Kern auch nicht auf die Zuordnung zu tateinheitlicher oder tatmehrheitlicher Begehung an.  

Vermieter hat die "Heroinhöhle" gekündigt 

Es bedürfe jedoch insgesamt noch ergänzender Verifizierungen, die sich sogleich mit der Vernehmung eines weiteren Ermittlungsbeamten als Zeuge anschlossen – in gewohnten Gefilden mit einer Aussagebeschränkung hinsichtlich des Verhältnisses zwischen G. und seinem damaligen Anwalt R., mit dem G. nun die Anklagebank teilt.  

Der Zeuge berichtet, dass der Vermieter einer der Bunkerwohnungen von den Drogengeschäften Wind bekam. Dieser habe die Wohnung betreten und kistenweise Betäubungsmittel vorgefunden. Als "Heroinhöhle" sei die Wohnung bezeichnet worden. Der Vermieter habe den Mietvertrag sodann gekündigt.  

Als weitere Nachfragen kommen, schlägt der Verteidiger des angeklagten Anwalts R., Andrej Klein, Alarm: Über die polizeiliche Vernehmung des Vermieters und dessen Aussage dürfe nicht gesprochen werden. Zuvor hatte der Beamte angegeben, man sei durch die Telekommunikationsüberwachung auf den Mann aufmerksam geworden. Dies stelle eine unzulässige Beweiserhebung dar, da sich dieser Vermieter ja nur durch die – laut Verteidigung unzulässige – Überwachung von G. und R. aufgetan habe, so Klein. Damit hat auch dieser Prozesstag die Problematik des Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbots nicht ausgespart. Gesagt wurde dann nichts mehr dazu. Offen bleibt, ob das Gericht den Vermieter noch als Zeugen zulassen wird.  

Die Beweise lagen im Müll  

Ein Geheimnis bleibt nach wie vor, wie die Drogen beschafft worden waren. Dazu hätten die Ermittler keine Informationen, so der Zeuge. Die Entsorgung der Drogen lieferte dagegen griffige Beweise. Man habe sehr viel Verpackungsmüll gefunden: Rückseiten von Adressklebern, Einweghandschuhe, Plastiktütchen mit Betäubungsmittelspuren, hier und da auch DNA des G. Vielleicht hätten die Angeklagten die 2.000 Euro monatlich, die sie laut Aussage des Zeugen für Werbung für den Onlineshop ausgaben, besser in eine professionelle Entsorgung investieren sollen.  

Gegen Ende wurde die Fragerei seitens der Verteidigung etwas undurchschaubarer und der Ton etwas aufgeregter. Nachdem bereits Verteidiger Engel von Richter Gaitzsch daran erinnert wurde, dass die Verhandlungsführung immer noch beim Gericht liege, erinnerte der Vorsitzende Richter Harr mit einem Rüffel in Richtung der Verteidigung an die anfangs kundgetane Absicht: "Wir sind im Kern noch dabei, geständige Einlassungen zu verifizieren und nicht zu widerlegen. Es geht nicht darum, die Einlassungen in Frage zu stellen."  

Das Gericht wolle dem Anliegen der Beteiligten, das Verfahren zu straffen, Rechnung tragen. Vorbehaltlich einer noch nicht erfolgten Rückmeldung zum benötigten Zeitaufwand der beauftragten Sachverständigen, die diverse Datenträger Schmidts entschlüsseln sollen, solle dieser Gedanke auch weiterhin das Verfahren lenken. Unter Streichung zweier Verfahrenstermine soll nun am 29. März 2023 weiterverhandelt werden.

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Gericht teilt Strafvorstellung im Candylove-Prozess mit: . In: Legal Tribune Online, 15.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51322 (abgerufen am: 15.06.2025 )

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