Nach dreißig Jahren erklärte das BVerwG den Doktortitel der internationalen Politikberaterin Margarita Mathiopoulos für nichtig. Hermann Horstkotte zum Urteil und den Hintergründen eines außergewöhnlichen Falls.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) bestätigte am Mittwoch die Entziehung des Doktorgrades im Fall Mathiopoulos wegen der Täuschung bei Anfertigung der Dissertation (Urt. v. 21.06.2017, Az. 6 C 3.16). Ob damit im bundesweit bekannt gewordenen Fall das letzte Wort gefallen ist, steht indes noch nicht fest.
Die promovierte Historikerin Margarita Mathiopoulos war 1987 ein Musterbeispiel und Vorbild für soziale Integration überhaupt und den wissenschaftlichen Nachwuchs im Besonderen: Migrantin aus Griechenland, geflohen vor dem dortigen Obristenregime, über ihren Vater gut bekannt mit dem SPD-Vorsitzenden Willy Brandt, als Post-Doc Uni-Stipendiatin in New York, später Bankerin und Politikberaterin, seit Mitte der Neunziger auch nebenberufliche Hochschullehrerin mit Professorentitel.
Dennoch wurde die Karrierefrau von ihrer Vergangenheit eingeholt. Kaum war die Dissertation veröffentlicht, tauchten in der Fachliteratur Plagiatsvorwürfe auf. Die wurden in der herrschenden Meinung zunächst als neidische Schmähkritik abgetan. Immerhin bestätigte eine Uni-Kommission 1991 nach stichprobenartiger Überprüfung eine unzureichende Zitierweise. Aber trotzdem teilte der Dekan Mathiopoulos mit, dass "für die Philosophische Fakultät kein Anlass besteht, gegen Sie wegen des Vorwurfs der Täuschung einzuschreiten." Deshalb erschien auch eine Nachbesserung oder Absenkung der Note unnötig.
Die Lage änderte sich, als das vielbeachtete Internetforum Vroniplag Wiki 2011 die Doktorarbeit erneut durchleuchtete. Daraufhin entschloss sich eine Fakultätskommission, sensibilisiert auch durch den Fall Guttenberg, doch zur Rücknahme des Doktorhutes.
Juristischer Streit um den Vertrauensschutz
Dass diese Entscheidung durch die Instanzen bis zum BVerwG gelangte, lag an zwei juristischen Kernfragen:
Ist es erstens überhaupt verfassungsgemäß, dass die Kriterien für einen Entzug des Doktorgrades nicht gesetzlich geregelt, sondern einfach der Promotionsordnung der Uni überlassen sind? Ja, so die Leipziger Richter: Eine spezielle gesetzliche Regelung sei "nicht erforderlich, weil das Promotionswesen wesentlicher Bestandteil der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten akademischen Selbstverwaltung ist." Das ist auch die vorherrschende, wenngleich nicht unumstrittene Meinung in der Fachdiskussion.
Kann aber eine Fakultät, zweitens, einen Täuschungsvorsatz einmal verneinen und ein anderes Mal bejahen, ohne die erste Entscheidung förmlich aufgehoben zu haben? Mathiopoulos' Anwälte bestreiten das: Ihrer Auffassung nach stellte das Schreiben des Dekans von 1991 einen bestandskräftigen Verwaltungsakt dar.
Diese Auffassung verneinen aber die Universität und nun auch das BVerwG: Der Dekan habe damals Mathiopoulos ohne weitere Bindungswirkung lediglich die (vorläufige) Einstellung des Prüfverfahrens mitgeteilt. Einige damals beteiligte Bonner Professoren sehen das allerdings anders. Die zentrale Frage dreht sich um den Vertrauensschutz für die Doktorandin.
Hermann Horstkotte, BVerwG zu langjähriger Plagiatsaffäre: . In: Legal Tribune Online, 22.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23260 (abgerufen am: 03.12.2024 )
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