BVerwG zum Verbot des "Farben für Waisenkinder e.V.": Kein Spen­den­sam­meln für His­bollah-Kämpfer

von Dr. Franziska Kring

19.11.2015

Ein Unterstützerverein der Hisbollah bleibt verboten. Das Sammeln von Spenden für Hinterbliebene von Kämpfern verstößt gegen den Gedanken der Völkerverständigung, befand das BVerwG. Von Franziska Kring.

Das Verbot des Vereins "Farben für Waisenkinder e.V." bleibt aufrechterhalten, hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Montag auf eine Klage des Vereins hin entschieden (Urt. v. 18.11.2015, Az. 1 A 4.15). Der Verein war mit Verfügung des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 2. April 2014 aufgelöst und verboten worden. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass der Verein über einen langen Zeitraum in Deutschland Spenden eingeworben und damit die im Libanon ansässige Shahid Stiftung unterstützt habe. Als karitative Einrichtung sei die Stiftung ein integraler Bestandteil der israel-feindlichen Hisbollah.

Die Hisbollah ist eine schiitische Partei und Miliz im Libanon. Sie wurde im Jahr 1982 durch den Zusammenschluss verschiedener schiitischer Gruppen nach dem Einmarsch israelischer Truppen in den Libanon gegründet. Die Hisbollah-Miliz wurde von einigen Staaten, darunter die EU-Mitglieder sowie die Vereinigten Staaten, als Terrororganisation eingestuft, sieht sich selbst aber als legitime Widerstandsorganisation gegen Israel. Durch die indirekte Unterstützung der Hisbollah hat der Verein "Farben für Waisenkinder e.V." nach Ansicht des BVerwG gegen den Grundsatz der Völkerverständigung verstoßen.

Keine Vereinsbildung wider die Völkerverständigung

Vereine stehen grundsätzlich unter dem besonderen Schutz der Vereinigungsfreiheit i.S.v. Art. 9 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Diese dient dem Zweck, eine bereits gebildete Meinung organisatorisch zu verfestigen.

Der Schutz des Art. 9 GG gilt jedoch nicht schrankenlos. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 Vereinsgesetz (VereinsG) i. V .m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG sind Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, verboten. Dies ist der Fall bei Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören (Art. 26 Abs. 1 GG). Dazu muss, so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Jahre 1956, zudem ein aggressiv-kämpferisches Verhalten vorliegen (Urt. v.  17.08.1956, Az. 1 BvB 2/51, Rn. 251).

Ein Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung liegt auch dann vor, wenn Zweck oder Tätigkeit eines Vereins der friedlichen Überwindung der Interessengegensätze von Völkern zuwiderlaufen (BVerwG, Urt. v. 03.12.2004, Az. 6 A 10.02, S. 7). Dies ist vor allem bei der Ausübung von Gewalt der Fall. Der Verein muss die Gewalt nicht selbst anwenden; es genügt, wenn er eine Gruppierung unterstützt, die ihrerseits gewaltsam das friedliche Miteinander der Völker beeinträchtigt (BVerwG, Urt. v. 03.12.2004, Az. 6 A 10.02, S. 7).

Spendensammlung diente dem Kampf gegen Israel

Der Verein "Farben für Waisenkinder e.V." hat von 2007 bis August 2013 über drei Millionen Euro an Spenden in Deutschland gesammelt und diese an die Shahid­ Stiftung ("Märtyrer-Stiftung") mit Sitz im Libanon transferiert.

Die Shahid-Stiftung verfolgt zum einen das Ziel, die Hinterbliebenen von Hisbollah-Kämpfern zu finanzieren, die unter anderem bei Kampfhandlungen gegen die israelischen Streitkräfte getötet wurden. Das Bewusstsein, dass die finanzielle Versorgung der Hinterbliebenen  gesichert ist, wird als Erleichterung für das Anwerben von Terroristen gesehen. Zudem versuche die Stiftung, unter den Kindern der Kämpfer neue Attentäter zu finden, hieß es beim Verbot des Vereins aus Ermittlerkreisen.

Die Hisbollah spricht Israel das Existenzrecht ab und ruft zu dessen gewaltsamer Beseitigung auf. Auch verübt die Organisation selbst Gewalttaten gegenüber israelischen Staatsbürgern. Das läuft einem friedlichen Zusammenleben der Völker evident entgegen.

Die finanzielle Unterstützung der Shahid-Stiftung und damit mittelbar der Hisbollah durch den Verein "Farben für Waisenkinder e.V." fördert somit den bewaffneten Kampf gegen Israel. Nach Ansicht des BVerwG hat der Verein daher in eklatanter Weise gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen.

Vorspiegelung humanitärer Motive zur Verfolgung terroristischer Ziele

Das Urteil knüpft an eine Reihe von Entscheidungen an, die sich mit der Verfolgung gewalttätiger oder terroristischer Ziele unter dem Deckmantel angeblich humanitärer Zwecke beschäftigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.12.2004, Az. 6 A 10.02 – "al-Aqsa e. V"; Urt. v. 18.04.2012, Az. 6 A 2.10 – "Internationale Humanitäre Hilfsorganisation e.V.”). In allen Fällen wurde entschieden, dass ein solches Verhalten im klaren Widerspruch zum Grundsatz der Völkerverständigung steht.

Die Versorgung von Waisen ist seit jeher ein fundamentales humanitäres Anliegen der internationalen Gemeinschaft. Dieses Anliegen wird jedoch von der mit der Hisbollah eng verflochtenen Shahid-Stiftung als Instrument zur Rekrutierung von Kämpfern genutzt, die sich die Zerstörung des israelischen Staates zum Ziel gesetzt haben. Zu diesem Missbrauch humanitärer Ziele bekennt sich die Hisbollah seit langem öffentlich.

Zudem bleibt ungeklärt, warum nur Waisenkinder von Hisbollah-Kämpfern unterstützt werden, und nicht etwa libanesische Waisenkinder im Allgemeinen. Denn zu den humanitären Prinzipien gehört gerade auch die Unparteilichkeit: jeder Zivilist in akuter Not hat ein Recht auf Hilfe, ungeachtet seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Ausschlaggebend ist der Grad der Not der Opfer. Nur dann kann Hilfe für sich in Anspruch nehmen, wirklich "humanitär" zu sein.

Auch sollte humanitäre Hilfe unabhängig sein. Eine Hilfsorganisation sollte sich deshalb so weit wie möglich von politischen, militärischen und religiösen Akteuren distanzieren. Die Hisbollah hat es sich zum Ziel gesetzt, den israelischen Staat zu zerstören. Angesichts der engen Verflechtungen der Shahid Stiftung mit der extremistischen Bewegung kann daher von der gebotenen Distanz nicht die Rede sein.

Die Verbotsverfügung des BMI war zunächst gegen den Verein "Waisenkinderprojekt Libanon e.V." ergangen, welcher sich dann in "Farben für Waisenkinder e.V." umbenannte. Diese Namensänderung macht die Verfügung nicht unwirksam, zögerte den Verbotsprozess jedoch hinaus. Es ist somit zu erwarten, dass der Verein sich in naher Zukunft unter einem anderen Namen neu gründen wird.

Franziska Kring ist seit November 2014 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht (IFHV) der Ruhr-Universität Bochum beschäftigt. Dort setzt sie sich mit dem Völkerrecht und insbesondere dem humanitären Völkerrecht auseinander. Ihre Promotion verfasst sie zum Konzept der Responsibility to Protect und dessen Anwendung auf den Klimawandel.

Zitiervorschlag

BVerwG zum Verbot des "Farben für Waisenkinder e.V.": . In: Legal Tribune Online, 19.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17583 (abgerufen am: 05.12.2024 )

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