Druckversion
Dienstag, 4.11.2025, 15:31 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/bverwg-npd-fraktion-finanzierung-zuwendungen-kommune-satzung-aenderung
Fenster schließen
Artikel drucken
29399

Stadt Büdingen streicht der NDP-Fraktion die Finanzierung: Sch­neller als das BVerfG erlaubt

von Tanja Podolski

27.06.2018

500-Euro-Scheine

Bild: Maik Meid, flickr, CC BY 2.0, Zuschnitt und Skalierung durch LTO

Die Stadt Büdingen in Hessen änderte ihre Satzung, um die NPD-Fraktion von Zuwendungen auszuschließen. Der VGH attestierte bereits die Verfassungswidrigkeit der Aktion mit dem Verweis auf Art. 3 GG. Am Mittwoch entscheidet das BVerwG.

Anzeige

Büdingen liegt in einem feuchten, sumpfigen Tal, heißt es auf Wikipedia. Von den rund 22.000 Einwohnern der kleinen Stadt im Regierungsbezirk Darmstadt gehören rund 70 Prozent einer christlichen Gemeinde an. Politisch ist die viertstärkste Kraft in der Stadt die NPD: Über zehn Prozent konnte die Partei bei der Kommunalwahl 2016 für sich verbuchen. Politisch stärker sind nur noch die Freie Wählergemeinschaft (FWG), die CDU und die SPD, schwächer sind die Wählervereinigung "Pro Vernunft", Bündnis90/Grüne und die FDP.

Mitglieder all dieser Parteien trafen sich am 27. Januar 2017 zur Stadtverordnetenversammlung, es standen 29 Punkte auf der Tagesordnung – so jedenfalls in der Fassung, die online abrufbar ist. Details dessen werden in den inzwischen laufenden Verfahren bestritten.

Unbestritten war dieser Tag im Januar der des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus – und der zehnte Tag nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über das NPD-Verbotsverfahren (Urt. v. 17.01.2017, Az. 2 BvB 1/13). In Büdingen ging es seinerzeit in TOP 29 um einen gemeinsamen Antrag der Parteien FWG, Bündnis90/GRÜNE und SPD zur Änderung der Entschädigungssatzung. Fraktionen aus Vertretern erkennbar verfassungsfeindlicher Parteien oder Vereinigungen sollten von finanziellen Zuwendungen zur Fraktionsgeschäftsführung ausgenommen werden. Anders ausgedrückt: Fast alle sollten weiter Geld bekommen für ihre politische Arbeit, nur nicht die NPD. Der Antrag wurde mehrheitlich mit 24 Ja-Stimmen bei drei Gegenstimmen und fünf Enthaltungen beschlossen.

Vor dem VGH gescheitert

15 Tage nach der Entscheidung des BVerfG zum NPD-Verbot stellte die rechtsextreme Fraktion einen Normenkontrollantrag. Sie obsiegte damit vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Hessen (Urt. v. 05.04.2017, Az. 8 C 459/17). Denn nach Auffassung des 8. Senats des VGH verstößt der Ausschluss von Fraktionen erkennbar verfassungsfeindlicher Parteien von Fraktionszuwendungen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (GG). Für die Ungleichbehandlung gebe es auch keine sachliche Rechtfertigung. Bereits das gewählte Unterscheidungskriterium der erkennbaren Verfassungsfeindlichkeit sei unzulässig, denn nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 (GG) dürfe niemand wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt werden, so der VGH.

Eine zulässige Durchbrechung dieses Diskriminierungsverbots wegen politischer Anschauungen zu Lasten einer Partei sei erst dann möglich, wenn die erkennbare Verfassungsfeindlichkeit zu einem Verbot der Partei durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beziehungsweise zu einem behördlichen Verbot der Vereinigung geführt habe. An dieser Rechtslage habe sich auch durch das Urteil des BVerfG vom 17. Januar 2017 nichts geändert.

Über den Ausschluss entscheidet das BVerfG

Für Professor Ferdinand Gärditz war diese Entscheidung absehbar: "Das BVerfG hatte zwar die verfassungsfeindlichen Ziele der NPD festgestellt, mangels realer Chancen der Zielverwirklichung aber ein Parteiverbot abgelehnt und betont, dass die Verfassung Rechtsfolgen unterhalb eines Verbots nicht kennt", sagt der Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Bonn. Ein missverstandenes Obiter Dictum vom Präsidenten des BVerfG, Andreas Voßkuhle, aus der NPD-Urteilsverkündung bezüglich der Möglichkeit einer Verfassungsänderung, um den Ausschluss von der Parteienfinanzierung künftig den Weg zu ebnen, habe zu Schlagzeilen in der Presse geführt, die den Inhalt des Urteils nicht getroffen hätten. Das Urteil selbst, im Ausdruck immerhin gut 300 Seiten, habe vermutlich kaum einer in der Stadtverwaltung von Büdingen gelesen, erklärt sich Gärditz die Initiative.

Der Bundesgesetzgeber wurde jedoch, angeregt durch das BVerfG, im Juni 2017 tätig, und fügte einen Abs. 3 in Art. 21 GG ein, über den ein Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der Finanzierung möglich ist. Allerdings wurde der Ausschluss in Absatz 4 wie das Verbot beim BVerfG monopolisiert: Über […] den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das BVerfG.

Grundgesetz und Hessische Gemeindeordnung

Zwei Professoren, die für den Bund auch das NPD- Verbotsverfahren betrieben haben, sind beauftragt, in Bezug auf die NPD einen entsprechenden Antrag auf Entzug der Parteienfinanzierung zu stellen. Noch ist das nicht passiert, der Antrag befindet sich noch in der Vorbereitung, teilte einer der Professoren auf LTO-Anfrage mit.

"Die Formulierung im Grundgesetz bedeutet aber zweifellos, dass eine einseitige Entziehung der Parteienfinanzierung durch die Verwaltung rechtswidrig ist", sagt Gärditz. Und was für Parteien gelte, müsse auch für Fraktionen gelten, die ihre Legitimation zwar aus der Freiheit des Mandats der Mitglieder ableiten, aber Teil der Parteiarbeit sind. Raum für ergänzende Regelungen gebe es damit schlichtweg nicht. "Das ist im Gesetzgebungsverfahren thematisiert worden und es wurde bewusst am Monopol des BVerfG festgehalten, über diese Frage zu entscheiden ", so der Staatsrechtler.

Die Stadt, vertreten durch den Hessischen Städte- und Gemeindebund, der für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung stand, argumentiert hingegen mit § 36a der Hessischen Gemeindeordnung (HGO). Danach ist die Frage der Zuwendungen an Fraktionen eine "Kann"-Vorschrift. Es steht also im Ermessen der Kommune, ob derartige Zuwendungen erteilt würden. Beim VGH konnte sich die Stadt mit dieser Argumentation jedenfalls nicht durchsetzen, sie war es auch, die Revision einlegte.

Nun entscheidet das BVerwG. In Hinblick auf die hessische Landtagswahl im Oktober können die Politiker jedenfalls sagen, sie hätten alles versucht gegen die rechte Partei. Es habe zwei Rechtsauffassungen gegeben und das Gericht sei der eigenen leider nicht gefolgt – oder auch doch, je nachdem, wie die Leipziger Richter am Mittwoch entscheiden. Das wäre allerdings eine Überraschung: Sich sehenden Auges gegen den Rechtsstaat zu stellen, ist bereits bei der Vermietung der Stadthalle Wetzlar an die NPD nach hinten losgegangen.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Tanja Podolski, Stadt Büdingen streicht der NDP-Fraktion die Finanzierung: . In: Legal Tribune Online, 27.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29399 (abgerufen am: 09.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Öffentliches Recht
    • Kommunalpolitik
    • Kommunen
    • NPD
    • Parteien
    • Parteienfinanzierung
    • Politik
    • Politiker
  • Gerichte
    • Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
Workshop Teilnehmer im Stuhlkreis 07.11.2025
Forum Recht

Rechtsstaats-Erlebnisprojekt in Karlsruhe und Leipzig:

"Forum Recht" wird doch ein Museum

Der neue Direktor der Forum Recht-Stiftung Cord Brügmann verbreitet Aufbruchstimmung. Doch erst 2035 sollen die beiden Häuser in Karlsruhe und Leipzig öffnen. Was will die Stiftung bis dahin machen?

Artikel lesen
Straße in der Kreisstadt Sangerhausen 04.11.2025
Kommunen

Kommunal-Verfassungsbeschwerde am BVerfG:

Die Klage der klammen Kreise

Stehen Ansprüche der Kommunen auf eine ausreichende Finanzierung unter dem "Vorbehalt der Leistungsfähigkeit" der Länder? Das muss bald das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Christian Rath stellt das Leitverfahren aus Sachsen-Anhalt vor.

Artikel lesen
Logo der Sparkasse 03.11.2025
Parteien

Sparkasse Wetzlar unterliegt gegen Bezirksverband:

Giro­konto auch für ver­fas­sungs­feind­liche "Die Heimat"

Wieder einmal versucht sich Wetzlar gegen Rechts aufzustellen. Dieses Mal unterliegt die örtliche Sparkasse. Sie muss dem Bezirksverband Mittelhessen der verfassungsfeindlichen "Die Heimat" ein Girokonto eröffnen.

Artikel lesen
Mietwohnungen 29.10.2025
Mietvertrag

JuMiko-Vorschlag zu Wohnungsleerstand nach Tod des Mieters:

Ver­mieter sollen nicht mehr auf die Erben warten müssen

Versterben alleinlebende Menschen, bleibt ihre Mietwohnung oft lange ungenutzt. Erben müssen erst aufwendig ermittelt werden. Auf der JuMiKo sollen Änderungen im BGB angestoßen werden, damit der Wohnraum wieder schneller verfügbar wird.

Artikel lesen
Bundeskabinett 29.10.2025
Vaterschaft

Regierung muss BVerfG-Vorgaben umsetzen:

Kabi­nett will Vater­schaft­s­an­fech­tung neu regeln

Wenn ein leiblicher Vater auch rechtlicher Vater eines Kindes sein möchte, kommt es nicht selten zum Streit. Bisher gab es in bestimmten Konstellationen juristische Pattsituationen, die die Bundesregierung mit einem neuen Gesetz lösen will.

Artikel lesen
Anwaltsrobe und Akten bei Gericht 29.10.2025
Anwaltskosten

Trotz Anhebung der Streitwertgrenze auf 10.000 Euro:

Anwalt­ve­rein will am Anwalts­zwang ab über 5.000 Euro fest­halten

Das Bundesjustizministerium möchte kleine Amtsgerichte erhalten und dafür die Streitwertgrenze anheben. Gehen den Anwälten so Mandate durch die Lappen? Der DAV ist dafür, Anwaltszwang und Zuständigkeitsstreitwert voneinander zu entkoppeln.

Artikel lesen
lto karriere logo

LTO Karriere - Deutschlands reichweitenstärkstes Karriere-Portal für Jurist:innen

logo lto karriere
Jetzt registrieren bei LTO Karriere

Finde den Job, den Du verdienst 100% kostenlos registrieren und Vorteile nutzen

  • LTO Job Matching: Finde den Job & Arbeitgeber, der zu Dir passt.
  • Jobs per Mail: Verpasse keine neuen Job-Angebote mehr.
  • One-Klick Bewerbung: Dein Klick zum neuen Job, einfach und schnell.
Das Passwort muss mindestens 8 Zeichen lang sein und mindestens einen Großbuchstaben, einen Kleinbuchstaben, eine Zahl und ein Sonderzeichen enthalten (z.B. #?!@$%^&*-).
Pflichtfeld *

Nur noch ein Klick!

Wir haben Dir eine E-Mail gesendet. Bitte klicke auf den Bestätigungslink in dieser E-Mail, um Deine Anmeldung abzuschließen.

Weitere Infos & Updates einfach und kostenlos direkt ins Postfach.

LTO Karriere Newsletter

Das monatliche Update mit aktuellen Stellenangeboten & Karriere-Tipps.

LTO Daily

Jeden Abend um 18 Uhr die wichtigsten News vom Tag.

LTO Presseschau

Jeden Morgen um 7:30 Uhr die aktuelle Berichterstattung über Recht und Justiz.

Pflichtfeld *

Fertig!

Um die kostenlosen Nachrichten zu beziehen, wechsle bitte nochmal in Dein Postfach und bestätige Deine Anmeldung mit dem Bestätigungslink.

Du willst Dein Bewerberprofil direkt anlegen?

Los geht´s!
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
Rechts­an­wält*in im Be­reich Öf­f­ent­li­ches...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Düs­sel­dorf

Logo von Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat
Voll­ju­ris­ten (m/w/d) – Ih­re Zu­kunft in der hes­si­schen Jus­tiz

Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat , Wies­ba­den

Logo von Herbert Smith Freehills Kramer LLP
Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/d) Cor­po­ra­te/M&A mit dem Schwer­punkt ESG...

Herbert Smith Freehills Kramer LLP , Frank­furt am Main

Logo von Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern
As­so­cia­tes (m/w/d) – Öf­f­ent­li­ches Recht mit Fo­kus En­er­gie- und...

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Ber­lin

Logo von White & Case
Re­fe­ren­da­re (m/w/d)

White & Case , Ber­lin

Logo von Bird & Bird LLP
Rechts­an­walt (m/w/d) Öf­f­ent­li­ches Wirt­schafts­recht (Ver­ga­be­recht)

Bird & Bird LLP , Mün­chen

Logo von White & Case
Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/d)

White & Case , Ber­lin

Logo von White & Case
Re­fe­ren­da­re (m/w/d)

White & Case , Frank­furt am Main

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
§ 15 FAO - Krisenprävention, Insolvenzreifeprüfung und Haftungsszenarien

17.11.2025, Hamburg

Logo von AnwaltVerein Stuttgart e.V. | AnwaltService Stuttgart GmbH
Baden-Württembergischer Mietrechtstag 2025

18.11.2025

Digitale Kamingespräche: Wie arbeitet man eigentlich im DFG-Fachkollegium Privatrecht?

19.11.2025

§ 15 FAO - AGB- und Vertragsrecht für Praktiker:innen

18.11.2025, Hamburg

Logo von FPS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH & Co. KG
Hoch hinaus und großes Spiel: Privates Baurecht am Beispiel von Hochhäusern und Fußballstadien

27.11.2025, Frankfurt am Main

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH