Wer privat rechtsextremem Gedankengut anhängt und Kränze vor den Gräbern antisemitisch motivierter Mörder niederlegt, darf nicht im Auftrag des Staates Kamine fegen. Das entschied das BVerwG am Mittwoch. Ob Bezirksschornsteinfeger tatsächlich ein ähnliches Maß an Verfassungstreue verinnerlichen müssen wie Beamte, bezweifelt Michael Manke.
Die Nähe zur menschen- und rechtsverachtenden Willkürherrschaft des Nationalsozialismus kann den Widerruf der Bestellung eines Bezirksschornsteinfegers rechtfertigen (BVerwG, Urt. v. 07.11.2012, Az. 8 C 28.11). Damit hoben die Leipziger Richter die Entscheidungen der Vorinstanzen auf, die noch deutlicher zwischen der privat geäußerten politischen Einstellung und der beruflichen Tätigkeit des Schornsteinfegers differenziert hatten (VG Halle, Urt. v. 29.04.2010, Az. 1 A 99/08; OVG Magdeburg, Urt. v. 10.11.2011, Az. 1 L 103/10).
Dem Kläger war mit der Begründung, ihm fehle die erforderliche Zuverlässigkeit, die Erlaubnis entzogen worden, weiter als Bezirksschornsteinfegermeister zu arbeiten. Er habe jahrelang an Totenehrungen teilgenommen für die Mörder des früheren deutschen Außenminister Walther Rathenau, der in der Weimarer Republik wegen seines jüdischen Glaubens Ziel hasserfüllter antisemitischer Hetzkampagnen gewesen war. Gegen den Widerruf klagte der Schornsteinfeger. Beide Vorinstanzen gaben ihm Recht. Eine spezifische Pflicht zur Verfassungstreue könne von einem Bezirksschornsteinfegermeister nicht verlangt werden.
BVerwG differenziert nicht zwischen Privatleben und Beruf
Anders nun das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Mit der Teilnahme an den Totenehrungen habe der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er selbst schwerste und zudem antisemitische Straftaten billige und damit die geltenden Gesetze und die Grundrechte seiner Mitbürger – auch die von ethnischen oder religiösen Minderheiten – nicht verlässlich und uneingeschränkt achte. Das könne das Vertrauen der Bürger, die verpflichtet seien den schwarzen Männern Zutritt zu ihrer Wohnung zu gestatten, in eine unparteiische und rechtsstaatliche Aufgabenwahrnehmung ihrer Schornsteinfeger erschüttern.
Die Vorinstanzen hatten noch sehr sorgfältig und ausführlich begründet, dass der Widerruf auch deshalb rechtswidrig sei, weil es an jedweder Verbindung zwischen politischer Gesinnung und Berufsausübung mangelte. Mit dieser Argumentation setzten sich die Leipziger Richter, soweit sich nach der Pressemitteilung schließen lässt, gar nicht erst auseinander.
Schornsteinfeger ist kein Beamter
Das Urteil stellt höchstrichterlich klar, dass auch private Aktivitäten ohne unmittelbaren Bezug zur beruflichen Tätigkeit zum Widerruf der Bestellung führen können, wenn Zweifel an der Verfassungstreue und damit der persönlichen Zuverlässigkeit des Bezirksschornsteinfegers aufkommen. Das ist zu begrüßen.
Allerdings ist die Entscheidung auch kritisch zu betrachten. Muss ein Bezirksschornsteinfeger tatsächlich mit einem Beamten und dessen Pflicht zur Verfassungstreue gleichgesetzt werden? Ist er beruflich doch in erster Linie ein Gewerbetreibender.
Zwar beleiht ihn der Staat mit besonderen Befugnissen, die der Bürger hinzunehmen hat. Wie die Vorinstanzen aber doch recht überzeugend ausgeführt haben, führt das keinesfalls dazu, dass er seinerseits in der Ausübung seiner Grundrechte gegenüber dem Normalbürger eingeschränkt werden darf.
Der Autor Dr. Michael Manke ist Rechtsanwalt, Ministerialrat a.D. und Mitautor eines Kommentars zum Schornsteinfegergesetz.
BVerwG bestätigt Beleihungs-Widerruf für rechtsextremen Schornsteinfeger: . In: Legal Tribune Online, 08.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7492 (abgerufen am: 12.10.2024 )
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