Wasser abpumpen und ungenutzt wieder dem Kreislauf zuführen – dafür zahlen Unternehmen in NRW den Wassercent. Ihren Kampf dagegen haben sie nun vor dem BVerwG verloren. Zu Unrecht, finden Stefan Altenschmidt und Sabrina Desens.
Dass sie für ihre Wasserentnahmen ein zehnmal so hohes Entgelt zahlen sollen wie Betreiber von Kraftwerken für die Wassernutzung in Durchlaufkühlungen: Für ein Unternehmen der Kiesindustrie und eines der Braunkohlegewinnung aus NRW ist das nicht nachvollziehbar. Sie führen einen Rechtsstreit, der Bedeutung für eine Vielzahl von Unternehmen der Rohstoffförderung im bevölkerungsreichsten Bundesland hat. Gemeinsam wehren sie sich gegen das nordrhein-westfälische Wasserentnahmeentgeltgesetz (WasEG), sind nunmehr aber bei dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) unterlegen. Dieses wies ihre Revisionen gegen die vorgehenden Urteile des Münsteraner Oberverwaltungsgericht zurück (Urt. v. 16.11.2017, Az. 9 C 15.16 u. 9 C 16.16).
Hintergrund des Rechtsstreits ist eine finanzielle Dauerbelastung der nordrhein-westfälischen Industrie, die erst 2011 von der damals frisch gewählten rot-grünen Landesregierung eingeführt wurde. Das WasEG sieht seitdem vor, dass auch für Wasser, das beim Betrieb von Steinbrüchen und Tagebauen sowie dem Kiesabbau abgepumpt und ohne weitere Nutzung sofort wieder dem Wasserhaushalt zugeführt wird, ein Entgelt zu entrichten ist. Zuvor wurde in NRW ein Wasserentnahmeentgelt nur erhoben, "sofern das entnommene Wasser einer Nutzung zugeführt wird". Demgegenüber enthält das nordrhein-westfälische WasEG heute nur noch Ermäßigungstatbestände für Entnahmen zum Zwecke der Kühlwassernutzung.
(K)eine Ungleichbehandlung ohne Grund
Eines der beiden Unternehmen betreibt drei Braunkohle-Tagebaue. Zur Gewinnung der Braunkohle entnimmt sie dem jeweiligen Abbaubereich Grundwasser und leitet einen Teil dieses Grundwassers ungenutzt unmittelbar in Gewässer ein. Sie hält die Entscheidung des nordrhein-westfälischen Landesgesetzgebers, auch dies mit einem Entgelt zu belegen, für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Schließlich sei die Entnahme des Grundwassers zur Durchführung des Braunkohleabbaus unvermeidlich.
Das andere betreibt eine Nassabgrabung zur Gewinnung von Quarzkies. Der entsprechende Baggersee steht überwiegend in ihrem Eigentum. Zur Kieswäsche entnimmt die Klägerin dem Baggersee Wasser und leitet es ihm anschließend wieder zu. Diese Klägerin hält das Entgelt vor allem deshalb für verfassungswidrig, weil ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung mit der Nutzung von Wasser für Durchlaufkühlung beim Betrieb von Kraftwerken – für die eine erhebliche Ermäßigung vorgesehen ist – nicht gegeben sei.
Abschöpfungsfähiger Sondervorteil und Ressourcennutzungsentgelt
Der Rechtsstreit betrifft damit die finanzverfassungsrechtliche Frage, wann und in welcher Höhe ein Sondervorteil vorliegt, der durch eine staatliche Abgabenerhebung abgeschöpft werden darf. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verlangt die Erhebung von nichtsteuerlichen Abgaben, dass eine besondere Gegenleistung des Staates erfolgt.
Das BVerwG weist zur Begründung seines Urteils auf die Erlaubnis zur Wasserentnahme hin: So liege ein abschöpfungsfähiger Sondervorteil darin, dass die Unternehmen den Zugriff auf ein Gut der Allgemeinheit erhalten. Dies gelte auch, wenn es sich um die Nutzung eines Baggersees auf einem eigenen Grundstück handelt. Beim Braunkohleabbau sei die Möglichkeit des Sümpfens von Grundwasser, also des Entfernens von Wasser aus dem Grubenbau, zudem auch deshalb vorteilhaft, weil ohne sie der spätere Braunkohleabbau gar nicht möglich sei.
Die konkrete Höhe des Entgelts sei zudem nicht unangemessen, befanden die Leipziger Richter. Dem Wasser komme als einer natürlichen Ressource bereits ein Wert an sich zu. Im Bundesländervergleich liege NRW dabei im Mittelfeld, weshalb nicht von einem groben Missverhältnis zwischen dem Entgelt in NRW und der staatlichen Leistung ausgegangen werden könne. Soweit das Entgelt im Bereich der Rohstoffförderung dabei höher sei als das für Wasser, das zur Durchlaufkühlung genutzt wird, handle es sich schließlich um ein folgerichtig durchgehaltenes Konzept des Gesetzgebers, dem ein weiter Gestaltungsspielraum zukomme.
2/2: Der Unterschied zur Wasserpfennig-Entscheidung
Die Entscheidung der Leipziger Richter überzeugt nicht. Unbestritten ist zwar, dass die Bundesländer berechtigt sind, Wasserentnahmeentgelte zu erheben. Das BVerfG hatte dies bereits 1995 mit seiner Wasserpfennig-Entscheidung gebilligt. Karlsruhe rechtfertigte dies damals aber mit dem Gedanken, der in der gewährten Möglichkeit, die knappe Ressource Wasser zu nutzen, liegende Sondervorteil könne abgeschöpft werden. In den jetzt vom BVerwG entschiedenen Fällen lag die Sache aber anders.
Tatsächlich werden die Unternehmen der Rohstoffindustrie in NRW dafür belastet, dass sie das Wasser aus ihren Steinbrüchen, Tagebauen und Baggerseen abpumpen und sodann wieder in den Wasserhaushalt zurückführen. Damit ist aber ein Ausschluss anderer von der Nutzung dieses Wassers, den das BVerfG als Anknüpfungspunkt dafür sah, das ein Sondervorteil gegeben ist, nicht erkennbar. Verfehlt erscheint daher auch der Ansatz, auf die Vorteilhaftigkeit des späteren Braunkohleabbaus abzustellen. Die Leipziger Richter billigen hierdurch faktisch die Bepreisung wirtschaftlichen Erfolges, der womöglich gar nicht eintritt.
Auch die Ausführungen des BVerwG zur konkreten Höhe des Wasserentnahmeentgelts in NRW sind kritisch zu werten. Es gehört zwar zu den schwierigsten Fragen der Umweltökonomie, wie der mit Ressourcennutzungsentgelten wie dem Wasserentnahmeentgelt abzuschöpfende Sondervorteil konkret bemessen werden könnte. Diese entbinden nach der Rechtsprechung der Karlsruher Kollegen aber nicht davon, die Höhe der Abgabe zumindest durch Anknüpfung an vernünftige Kriterien zur Bewertung des Vorteils zu plausibilisieren.
Sümpfwasser "teurer" als Kühlwasser – aber wieso?
Vor diesem Hintergrund hätte ausreichender Anlass für das BVerwG bestanden, genauer zu beleuchten, warum die Sümpfung von Wasser in NRW viel teurer ist als die Verwendung von Wasser zur Durchlaufkühlung, bei der das Wasser immerhin mit veränderten physikalischen Eigenschaften (Aufwärmung) zurückgeführt wird und ein stärkerer Ressourcenzugriff erfolgt. Der Verweis Leipzigs auf ein Konzept des Gesetzgebers in NRW hilft dort nur bedingt weiter.
Die obersten Verwaltungsrichter scheinen insofern nicht ausreichend gewürdigt zu haben, dass der reduzierte Gebührensatz für die Durchlaufkühlungsnutzung dem Lenkungsanliegen des Gesetzes zum schonenden Umgang mit der Ressource Wasser Rechnung trägt: Denn bei dieser Nutzungsform wird der Wasserhaushalt im Ergebnis nicht bzw. nur mit einer geringen Wärmelast belastet. Nichts anders gilt aber für die Sümpfungswässer.
Lässt die Leipziger Entscheidung in der noch ausstehenden Urteilsbegründung Fragen offen, können die Unternehmen noch das BVerfG mit einer Urteilsverfassungsbeschwerde einschalten. Die Verfassungsrichter betonen regelmäßig, dass die Vorgaben des Grundgesetzes für die Belastung mit Steuern und nichtsteuerlichen Abgaben auch dazu dienen, den Zugriff des Staates auf die nicht unerschöpflichen Finanzressourcen der Bürger und Unternehmen zu beschränken.
Die Autoren Dr. Stefan Altenschmidt und Dr. Sabrina Desens sind von Düsseldorf sowie von Leipzig aus als Rechtsanwälte in der Praxisgruppe Umwelt, Planung, Regulierung der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH tätig.
Dr. Altenschmidt vertritt aktuell einen Braunkohlekraftwerksbetreiber aus NRW in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren zur Zulässigkeit von Ressourcennutzungsentgelten im Klimaschutz beim Bundesverfassungsgericht. Dr. Desens ist häufiger mit dem sächsischen Wasserentnahmeentgelt befasst.
Dr. Stefan Altenschmidt und Dr. Sabrina Desens, BVerwG zum Entgelt für Ressourcennutzung durch die Industrie: Der NRW-Wassercent bleibt . In: Legal Tribune Online, 20.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25599/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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