Wohnungen zum Leben und für die Ferien dürfen in einem Gebiet festgesetzt werden. Das BVerwG unterstützt mit seiner Entscheidung das Bemühen von Kommunen, Rolladensiedlungen zu vermeiden, erklärt Dr. Johannes Grüner.
Die Urlaubsorte an Nord- und Ostsee boomen. Doch mit den Urlaubern kommen auch Probleme: Aufgrund der von Jahr zu Jahr steigenden Nachfrage wurden in den vergangenen Jahren vermehrt Wohnungen in Ferienwohnungen umgewidmet oder Gebäude mit Ferienwohnungen in Wohngebieten errichtet.
Doch der Einzug von Touristen in ehemals zum Dauerwohnen genutzten Wohnungen bzw. Gebieten gefällt nicht jedem. So beklagen Anwohner Lärmbelästigungen und eine nachteilige Veränderung ihrer Wohnquartiere durch zu viele Ferienwohnungen. Auch zahlreichen betroffenen Gemeinden ist die zunehmende Verdrängung von Dauerwohnungen aus den Wohngebieten in städtebaulicher Hinsicht ein Dorn im Auge, da die Wohngebiete außerhalb der Urlaubssaison mitunter aussterben und sog. Rolladensiedlungen gleichen.
In der Planungs- und Genehmigungspraxis haben die Kommunen auf diese Entwicklung reagiert und versucht, über § 11 Abs. 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) die Errichtung von Ferienwohnungen zu steuern und eine verträgliche Nutzungsmischung sicherzustellen. Das dürfen sie, entschied am Mittwoch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urt. v. 18.10.2017, Az. 4 C 5.16 u. 4 CN 6.17): Die Gemeinden dürfen Sondergebiete festlegen, die Dauerwohnen und Ferienwohnungen in einem „räumlich-funktionalen Zusammenhang“ zulassen.
Die verträgliche Mischung
Das BVerwG bringt mit dieser Entscheidung Klarheit für die Städte und Gemeinden, nachdem es in den vergangenen Jahren aufgrund einiger obergerichtlicher Urteile zu Rechtsunsicherheiten gekommen war. Mehrere Oberverwaltungsgerichte (OVG) hatten Ferienwohnungen in Wohngebieten generell als planungsrechtlich unzulässig eingestuft. Es handele sich bei Ferienwohnungen weder um Wohnen im Sinne von § 4 Abs. 1, 2 BauNVO, noch stellten sie nicht störende Gewerbebetriebe dar.
Faktisch verblieb nach dieser in der Literatur und Praxis stark kritisierten Rechtsprechung nur die Ausweisung entsprechender Sondergebiete. Die in § 10 BauNVO geregelten Sondergebiete für die Erholung bieten sich auf den ersten Blick an, lassen allerdings die verbreitet als ideal angesehene verträgliche Mischung von Dauer- und Ferienwohnen nicht zu.
Aus diesem Grunde haben verschiedene Kommunen sonstige Sondergebiete nach § 11 Abs. 1 BauNVO ausgewiesen, in welchen über verschiedene Festsetzungen ein verträgliches Miteinander und ein bestimmtes Verhältnis von Dauer- und Ferienwohnungen zueinander erreicht werden soll. Das BVerwG hatte sich nunmehr in zwei Verfahren mit solchen Festsetzungen zu befassen.
Pro Haus eine Wohnung zum Leben
Beide Kläger wollten ihre Wohnungen auf Norderney bzw. auf Sylt in Ferienwohnungen umwandeln. In beiden Bebauungsplänen auf Sylt und Norderney ist jedoch festgesetzt, dass je Wohngebäude mindestens eine Wohnung zum dauerhaften Aufenthalt vorzusehen ist. Auf Norderney wurde zudem die Anzahl der Ferienappartements auf höchstens zwei je Wohngebäude begrenzt.
In beiden Verfahren machten die Kläger geltend, dass die in den Sondergebieten vorgesehene Nutzungsmischung nicht zulässig sei. Dauerwohnen und Ferienwohnen seien nicht miteinander vereinbar. Dies werde auch durch § 10 BauNVO belegt, welcher ebenfalls eine Nutzungsmischung nicht zulasse.
Die Vorinstanzen hatten jedoch keine Zweifel an der Wirksamkeit der Bebauungspläne und wiesen die Klagen ab. Die BauNVO verbiete nicht, das dauernde Wohnen und die Nutzung von Ferienwohnungen in einem Sondergebiet unter einem Dach zu kombinieren und hierfür ein bestimmtes Nutzungsverhältnis zueinander vorzuschreiben.
2/2: Wohnen und Urlaub sind vereinbar
Ebenso argumentierten nun die Richter am BVerwG. Die angegriffenen Bebauungspläne seien wirksam. Durch die Festsetzungen würden Gebiete geschaffen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO wesentlich unterscheiden, da sich der Festsetzungsgehalt keinem der dort geregelten Gebietstypen zuordnen lasse.
Auch die in den Bebauungsplänen vorgesehene Nutzungsmischung begegne keinen Bedenken: Das BVerwG führt aus, dass Dauerwohnen und Ferienwohnungen jedenfalls nicht unvereinbar sind, wenn diese Nutzungen in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang stehen, also insbesondere unter einem Dach ausgeübt werden.
Auch aus § 10 Abs. 4 BauNVO folge nichts Gegenteiliges, so die Richter. Die im Jahr 1977 geschaffene Vorschrift biete zwar eine Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Ferienhausgebieten. Es sei aber nicht beabsichtigt gewesen, die schon damals bekannte Vermietung von Ferienwohnungen in gewachsenen Wohngebieten zu untersagen und Sondergebieten für die Erholung vorzubehalten.
Novelle des §13a BauNVO hier irrelevant
Für die Beurteilung der Wirksamkeit eines Bebauungsplans ist regelmäßig auf die zum Zeitpunkt der Offenlegung des Bebauungsplans geltende Fassung der BauNVO abzustellen. Daher musste sich das BVerwG noch nicht mit dem im Rahmen der sog. Städtebaurechtsnovelle neu geschaffen § 13a BauNVO befassen. Durch die neue Vorschrift wird für zukünftige Bebauungspläne klargestellt, dass Ferienwohnungen als nicht störender Gewerbebetrieb bzw. (kleiner) Betrieb des Beherbergungsgewerbes anzusehen sind und damit auch in Wohngebieten (ausnahmsweise) bauplanungsrechtlich zulässig sind.
Diese Anpassung und auch die aktuellen Urteile des BVerwG sorgen für mehr Rechtssicherheit für Kommunen und Eigentümer von Ferienwohnungen. Der planungsrechtliche „Werkzeugkasten“ der Gemeinden zur Regelung des Miteinanders von Dauer- und Ferienwohnungen ist nunmehr gut gefüllt: Sie können nach den Entscheidungen des BVerwG dazu übergehen, ein sonstiges Sondergebiet nach § 11 BauNVO auszuweisen und in diesem ein bestimmtes Verhältnis der in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang stehenden Nutzungen festzusetzen.
Die Ausweisung solcher Sondergebiete dürfte sich in erster Linie in besonders vom „Umkippen“ in faktische reine Ferienwohnungsgebiete bedrohten Bereichen anbieten. Daneben stehen aufgrund der Einfügung von § 13a BauNVO nunmehr aber auch Wohngebiete für die Ansiedlung von Ferienwohnungen offen. In jedem Fall haben die Gemeinden nunmehr die Möglichkeit, mit den Mitteln des Planungsrechts dafür zu sorgen, dass an Nord- und Ostseeküste auch in den Wintermonaten die Rollläden oben bleiben.
Der Autor Dr. Johannes Grüner ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Rechtsanwalt in der überörtlichen Kanzlei Kapellmann und Partner. Er befasst sich schwerpunktmäßig mit dem öffentlichen Bau- und Planungsrecht.
Dr. Johannes Grüner, Sondergebiete für Ferienwohnungen: Rollläden hoch an Nord- und Ostsee . In: Legal Tribune Online, 19.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25123/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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