Druckversion
Samstag, 17.05.2025, 02:34 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/bverwg-Az10C316-verjaehrungsfrist-erstattungsanspruch-behoerden-drei-jahre-bgb
Fenster schließen
Artikel drucken
22412

BVerwG zu Verjährungsfrist bei Erstattungsansprüchen: Selbst für Behörden zu lang

von Gunilla Klöhn und Florian van Schewick

17.03.2017

Kalender und Stempel

© PhotoSG - Fotolia.com

Dürfen Behörden sich mit der Geltendmachung ihrer Ansprüche bis zu 30 Jahre Zeit lassen? Nein, entschied gestern das BVerwG, auch für sie gilt die Drei-Jahres-Frist des BGB. Richtig so, finden Gunilla Klöhn und Florian van Schewick.

Anzeige

Ein weiterer Senat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hat nunmehr entschieden, dass öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche vergleichbar zivilrechtlichen Bereicherungsansprüchen in drei Jahren ab Kenntnis verjähren (Urt. v. 15.03.2017, Az.: 10 C 3.16). Während vor der Schuldrechtsmodernisierung Einigkeit dahingehend bestand, dass öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche nach 30 Jahren verjährten, setzen sich die Senate des Bundesverwaltungsgerichts seitdem mit der Frage auseinander, ob es bei einer Verjährungsfrist von objektiv 30 Jahren verbleibt oder ob eine kenntnisabhängige Drei-Jahres-Frist entsprechend § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) n.F. anzuwenden ist.

Unstreitig ist, dass auch öffentlich-rechtliche Ansprüche verjähren. Spezielle Vorschriften zur Verjährung sucht man indes in den meisten Fällen vergebens, wodurch Analogieschlüsse erforderlich sind. Hierbei ist den Besonderheiten des öffentlichen Rechts Genüge zu tun, um die sachnächste Verjährungsregelung zu ermitteln. Ein pauschaler oder allzu leichtfertiger Verweis auf zivilrechtliche Vorschriften verbietet sich daher. Gleichwohl drängt sich die Vergleichbarkeit der Interessenlage gerade bei den dem Zivilrecht nachgebildeten öffentlich-rechtlichen Ansprüche auf.

Behörde ließ sich über fünf Jahre Zeit

Im nun entschiedenen Fall machte die Behörde die Rückforderung von Zuwendungen geltend, die sie als Zuschuss für Existenzgründer gewährt hatte. Die Zuwendung stand unter der auflösenden Bedingung, dass der mitfinanzierte Betrieb während der gesamten Laufzeit des Zuschusses eigenbetrieblich gewerblich genutzt wird. Der Kläger hatte der beklagten Behörde bereits 2007 mitgeteilt, dass ihn die Gesellschafterversammlung Ende November 2006 als Geschäftsführer abberufen habe. Noch 2007 schied der Kläger aus der Gesellschaft aus. Die auflösende Bedingung war eingetreten. Auf die genannte Mitteilung reagierte die Beklagte allerdings jahrelang nicht. Vielmehr setzten sich die Parteien schriftlich über die weiteren Modalitäten der Tilgungsraten auseinander. Erst im August 2012 forderte die Beklagte den Kläger unter Verweis auf den Eintritt der auflösenden Bedingung auf, die gezahlten Zuschüsse zurück zu zahlen.

Mit seinem Urteil stellte das BVerwG die Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz wieder her. Dieses hatte die zivilrechtliche, kenntnisabhängige Regelverjährungsfrist von drei Jahren zur Anwendung gebracht. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage der entsprechenden Anwendbarkeit dieser Regelung blieb allerdings aus.

OVG: 30-Jahres-Frist wegen "Besonderheiten des öffentlichen Rechts"

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz kippte die erstinstanzliche Entscheidung und nahm an, dass für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche nach § 49a Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) die kenntnisunabhängige 30-jährige Verjährungsfrist des alten Schuldrechts weitergelte. Rechtssicherheit und Rechtsfrieden geböten eine 30-jährige Verjährungsfrist, ließen diese aber auch genügen. So berücksichtige die dreijährige Verjährungsfrist die Besonderheiten des öffentlichen Rechts nicht ausreichend. Insbesondere liege es "vielfach gerade nicht im Interesse des öffentlich-rechtlichen Gläubigers, den geltend gemachten Anspruch schnellstmöglich durchzusetzen". Vielmehr spielten auch Gemeinwohlinteressen wie soziale Belange oder die Erhaltung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Abgabenschuldners eine Rolle.

In der 30-jährigen Verjährungsfrist komme dagegen ein allgemeiner Rechtsgedanke zum Ausdruck, der eine zutreffende Konkretisierung der Grundsätze von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden in Abwägung gegen den Grundsatz der gesetzmäßigen Verwaltung darstelle.

Analogie zu altem Recht heute kaum noch verständlich

Dieser Argumentation ist der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts nun entgegengetreten. Der Gesetzgeber habe mit der Neufassung der Vorschriften zur Verjährungshemmung in §§ 53, 102 VwVfG zum Ausdruck gebracht, dass für öffentlich-rechtliche Ansprüche grundsätzlich das neue Verjährungsrecht gelten könne. Es liege daher keine grundlegende Unvereinbarkeit vor. Zwar fehle eine ausdrückliche Anordnung für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche nach § 49a VwVfG, doch sei dieser Anspruch strukturell dem zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch vergleichbar, sodass eine Anwendung der gleichen Verjährungsvorschriften nahe liege.

Das Urteil des 10. Senats des Bundesverwaltungsgerichts überrascht nicht. Im Gegenteil ist es mehr als ein Jahrzehnt nach der Schuldrechtsreform kaum noch verständlich, weshalb heute noch Analogien zum alten Rechtszustand gebildet werden sollten. Dies gilt umso mehr, wenn auch die entsprechenden Sachverhalte gar keinen Bezug mehr zur alten Rechtslage aufweisen.

Ob man zudem aus einem allgemeinen Rechtsgrundsatz in mathematischer Genauigkeit eine 30-jährige objektive Verjährungsfrist folgern kann, mag mit Recht bezweifelt werden. Ein solcher Ansatz begegnet bei seiner dogmatischen Herleitung sicherlich einigen argumentativen Hindernissen.

Langsamkeit nicht im Gemeinwohlinteresse

Auch der Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung spricht nicht zwingend gegen eine dreijährige Verjährungsfrist. Er gebietet die Herstellung gesetzeskonformer Zustände durch Rückforderung zu Unrecht gezahlter Zuwendungen. Allerdings dient gerade die dreijährige Frist zur Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Erstattungsansprüche einer zeitnahen Verwirklichung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Dies entspricht zugleich dem verfassungsrechtlichen Grundsatz einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung und des sparsamen Mitteleinsatzes.

Auch die (neuen) zivilrechtlichen Verjährungsvorschriften schaffen zudem einen Ausgleich zwischen widerstreitenden Interessen. Dem Interesse an Rechtssicherheit und Rechtsfrieden steht im Zivilrecht zwar nicht der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gegenüber, wohl aber die durch das Grundrecht der Eigentumsfreiheit geschützte Forderungsinhaberschaft.

Sprachlos hinterlässt den gewöhnlichen Steuer- und Abgabenschuldner die Argumentation des OVG Rheinland-Pfalz, dass das Gemeinwohlinteresse durch eine lange Verjährungsfrist geschützt werden müsse. Für entsprechende Härtefälle gibt es Stundungs- und Tilgungsvereinbarungen. Die Tatenlosigkeit der Behörden aber dürfte in den seltensten Fällen dem Gemeinwohlinteresse dienen. Insoweit ist die Entscheidung des BVerwG zugleich beruhigend.

Die Autoren Gunilla Klöhn und Florian van Schewick sind Associates bei Redeker Sellner Dahs Rechtsanwälte.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

BVerwG zu Verjährungsfrist bei Erstattungsansprüchen: . In: Legal Tribune Online, 17.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22412 (abgerufen am: 17.05.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Öffentliches Recht
    • Behörden
    • Frist
    • Fristwahrung
  • Gerichte
    • Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
Lecker Leberwurst 06.05.2025
Lebensmittel

Streit um Füllgewicht und Fleischverpackung:

Ein paar Gramm sind dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt nicht wurst

Vor dem BVerwG ging es am Dienstag nur um wenige Gramm: Darf ein Hersteller nicht essbare Teile von Würsten bei der Angabe der Füllmenge dazurechnen? Das OVG NRW hatte dies noch bejaht, doch dem BVerwG war der Unterschied nicht wurst.

Artikel lesen
BfDI 29.04.2025
Datenschutz

Reform der Datenschutzaufsicht:

Alle Macht nach Bonn?

Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD gebündelte Kompetenzen bei der Bundesdatenschutzbeauftragten vereinbart. Droht nun eine teure Mammutbehörde? Markus Wünschelbaum erklärt die Pläne und zeigt Folgen auf.

Artikel lesen
Antrag auf Ausbildungsförderung nach dem BAföG 28.03.2025
BAföG

BVerwG zur BAföG-Rückforderung:

Schlu­d­riges Amt trägt Mit­schuld

Wenn beim BAföG-Antrag etwas schiefgeht, stellt sich die Frage: Wer hat's verbockt? Das BVerwG macht klar, dass auch das BAföG-Amt bei Fehlern verantwortlich sein kann. In diesem Fall mindert Mitverschulden den Rückforderungsanspruch.

Artikel lesen
Das Bild zeigt den Eingang zum Bundesarbeitsgericht, wichtig für die Entscheidung über Anwälte in Fristsachen. 21.02.2025
Fristwahrung

BAG schließt sich dem BGH an:

BAG lockert Kon­trollpf­lichten von Anwälten in Frist­sa­chen

Die Fristenkontrolle ist nicht nur in der Praxis, sondern auch im Examen überaus beliebt. Inwiefern müssen Anwälte die Fristenberechnung ihrer Angestellten kontrollieren? Das BAG ändert jetzt seine Rechtsprechung und folgt dem BGH.

Artikel lesen
Robert Habeck (Bündnis90/Die Grünen), Bundeswirtschaftsminister und Kanzlerkandidat, im Redaktionsgebäude der FAZ 13.01.2025
Waffen

Habeck fordert strengere Voraussetzungen:

Waf­fen­be­sitz nur nach psy­cho­lo­gi­schem Attest?

Wer Waffen besitzen möchte, muss einige Voraussetzungen erfüllen. Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck will, dass künftig auch ein psychologisches Attest vorgelegt werden muss und verlangt klare Regeln zum Behördenaustausch.
 

Artikel lesen
Ann-Kathrin Langanke 28.12.2024
Beruf

Volljuristin in der Steuerverwaltung und "Amtfluencerin":

"Früher dachte ich: Nur in einer Groß­kanzlei hat man es 'geschafft'"

Ann-Kathrin Langanke ist Volljuristin in der Hessischen Steuerverwaltung – und "Amtfluencerin". Im Interview mit Vanessa M. Rolke erzählt sie, was das ist und wie sie alles unter einen Hut bringt.

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Oppenhoff
Rechts­an­walt (m/w/d) Öf­f­ent­li­ches...

Oppenhoff , Köln

Logo von Hengeler Mueller
Re­fe­ren­da­re (m/w/d) im Be­reich Öf­f­ent­li­ches Wirt­schafts­recht

Hengeler Mueller , Düs­sel­dorf

Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Rechts­an­wäl­tin/Rechts­an­walt (m/w/d) Di­gi­ta­li­sie­rung und Öf­f­ent­li­ches...

REDEKER SELLNER DAHS , Ber­lin

Logo von Hengeler Mueller
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) im Be­reich Öf­f­ent­li­ches Wirt­schafts­recht/...

Hengeler Mueller , Ber­lin

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Pots­dam

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Neu­rup­pin

Logo von GvW Graf von Westphalen
As­so­cia­te (m/w/d) Öf­f­ent­li­ches Bau­recht/Um­welt- und Pla­nungs­recht

GvW Graf von Westphalen , Ham­burg

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Cott­bus

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Matchwinner Verfahrensrecht

26.05.2025

Der Umgang mit Betriebsprüfern und Steuerfahndern

28.05.2025

Logo von Leuphana Universität Lüneburg
Triff Möhrle Happ Luther auf der FOR YOUR CAREER in Lüneburg

27.05.2025, Lüneburg

Krisenland. Finanzielle Restrukturierung durch StaRUG-Verfahren.

05.06.2025, Frankfurt am Main

Logo von Hagen Law School in der iuria GmbH
Fortbildung Sozialrecht im Selbststudium/ online

30.05.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH