Wenn Hotels oder Pensionen tatsächlich keinen Rundfunk- oder Internetempfang auf ihren Zimmern anbieten, müssen sie dafür jedenfalls keinen Beherbungsbeitrag zahlen, so das BVerwG. Möglich ist aber auch, dass das Verfassungsgericht den Rundfunkbeitrag bald insgesamt kippt.
Inhaber von Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen werden vom Beitragsservice gleich mehrfach zur Kasse gebeten: Sie trifft nicht nur eine allgemeine Rundfunkbeitragspflicht für ihre Betriebsstätte, sondern sie müssen daneben zusätzlich für jedes Gästezimmer bzw. für jede Ferienwohnung jeweils ein Drittel des Rundfunkbeitrags entrichten.
Dieser sogenannte "Beherbergungsbeitrag" ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 27.09.2017, Az. 6 C 32.16) nur dann mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn im Hotelzimmer tatsächlich Radio-, Fernsehen- oder Internetempfang angeboten wird. Das hatten die obersten Verwaltungsrichter für Wohnungen und den allgemeinen Betriebsstättenbeitrag noch anders gesehen. Hier sei allerdings bekannt, dass diese Räume nahezu lückenlos mit Empfangsgeräten ausgestattet seien. Dagegen lasse sich nicht aufgrund statistischer Daten feststellen, dass das für Hotel- und Gästezimmer auch gelte. Es bereite auch keine unüberwindbaren Schwierigkeiten, festzustellen, ob in den Zimmern Fernseher, Radio oder ein Internetzugang bereitgestellt werde – das gehe in der Regel aus Internetauftritten, Werbeprospekten und Bewertungen von Gästen im Internet hervor.
Nach Ansicht des 6. Senats hätte der Gesetzgeber deshalb den Betriebsstätteninhabern den Nachweis darüber ermöglichen müssen, dass in Gästezimmern und Ferienwohnungen tatsächlich kein Empfangsgerät zur Verfügung steht. Da er diese Möglichkeit aber nicht geschaffen hat, erweise sich der Beherbergungsbeitrag für all diejenigen als verfassungswidrig, in deren Räumlichkeiten mangels Vorhandensein von Fernseher, Radio oder Internetverbindung kein Rundfunk genutzt werden kann.
Keine Vorlage an das BVerfG
Die Richter wiesen den Fall allerdings an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) zurück und verzichteten auf eine Vorlage dieser Frage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe. In dem Fall ging es um ein Hostel in Neu-Ulm. Der VGH müsse nun zunächst klären, ob in den Zimmern des Hostels tatsächlich weder Rundfunk- noch Internetempfang angeboten werde. Erst dann könne beurteilt werden, ob die Betreiberin zur Beitragszahlung verpflichtet ist oder ob die Regelung in ihrem Fall möglicherweise verfassungswidrig ist und deshalb dem BVerfG vorzulegen.
Dass das BVerwG von einer Vorlage abgesehen hat, weil das Berufungsgericht nicht festgestellt hatte, ob in den Zimmern der Klägerin Rundfunk empfangen werden kann, ist kaum nachvollziehbar. Denn die Regelung des Beherbergungsbeitrags in § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) ist wegen der fehlenden Möglichkeit, die Nicht-Nutzung des Rundfunks nachzuweisen, insgesamt als verfassungswidrig zu beurteilen – und zwar unabhängig davon, ob der Beitragspflichtige in den Zimmern und Ferienwohnungen Empfangsgeräte vorhält oder nicht.
2/2 In Karlsruhe liegen mehr als hundert Verfassungsbeschwerden
Mittlerweile sind in Karlsruhe mehr als 100 Verfassungsbeschwerden gegen den Rundfunkbeitrag anhängig. Das BVerfG wird voraussichtlich Anfang nächsten Jahres jedenfalls darüber entscheiden, ob der Rundfunkbeitrag für Wohnungen und Betriebsstätten grundsätzlich verfassungsgemäß ist. Das BVerwG hat diese Frage bisher und auch in seinem aktuellen Urteil bejaht. Sollte das BVerfG hingegen zu einem anderen Ergebnis kommen, wäre auch die Erhebung des Beherbergungsbeitrags hinfällig.
Es ist gut möglich, dass die Verfassungsrichter den Rundfunkbeitrag insgesamt kippen. Denn die Rechtsprechung des BVerwG stößt auch auf grundsätzliche Kritik. Insbesondere die Qualifizierung des Rundfunkbeitrags als nichtsteuerliche Abgabe ist nicht haltbar. Denn hierfür ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG erforderlich, dass die Abgabepflicht unmittelbar im Gesetz mit einer öffentlichen Leistung verknüpft ist. Im RBStV ist indes an keiner Stelle normiert, dass die Abgabe für die Möglichkeit des Rundfunkempfangs erhoben wird. §§ 2 und 5 RBStV schreiben lediglich vor, dass im privaten Bereich "für jede Wohnung" und im nicht privaten Bereich "für jede Betriebsstätte" ein Rundfunkbeitrag zu entrichten ist.
Der zweite Schritt vor dem ersten
Hätte das Gericht die Rechtsprechung des BVerfG beachtet und die Regelungen des RBStV herangezogen, hätte es den Rundfunkbeitrag als Steuer einordnen müssen. Für die Erhebung einer solchen Rundfunksteuer besitzen die Länder jedoch nach dem Grundgesetz keine Gesetzgebungskompetenz. Auch in Bezug auf den Beherbergungsbeitrag stellen die Richter darauf ab, dass er einen "besonderen Vorteil der Rundfunksempfangsmöglichkeit" abgelte, der nicht bereits vom Betriebsstättenbeitrag erfasst wird.
Der Gedanke des Vorteilsausgleichs mag zwar grundsätzlich zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Rundfunkbeitrags herangezogen werden können. Dies setzt jedoch voraus, dass zunächst einmal überhaupt formal, also nach Maßgabe des Abgabegesetzes, eine nichtsteuerliche Abgabe vorliegt, die gerade anders als eine Steuer gegenleistungsbezogen ausgestaltet ist. Erst wenn also unmittelbar aus den Regelungen des RBStV hervorgehen würde, dass der Rundfunkbeitrag eine nichtsteuerliche Abgabe darstellt, könnte das BVerwG in einem zweiten Schritt Erwägungen dazu anstellen, ob und welche Vorteile durch den Rundfunkbeitrag ausgeglichen werden sollen und ob diese Vorteile den Beitragsschuldnern individuell zuzurechnen sind. Das BVerwG stellt aber schon zur Qualifizierung des Rundfunkbeitrags auf den abzugeltenden Vorteil der Rundfunknutzungsmöglichkeit ab und macht damit sozusagen den zweiten Schritt vor dem ersten. Aus diesem dogmatischen Fehlverhalten resultiert letztlich seine unzutreffende Einordnung des Rundfunkbeitrags als nichtsteuerliche Abgabe.
Zusätzlicher Vorteil für Betriebsstätteninhaber
Die Verwaltungsrichter gehen sogar so weit, den Inhabern von Hotel- und Pensionsbetrieben sowie Ferienwohnungen einen zusätzlichen Vorteil zuzurechnen, der neben den – mutmaßlichen – Vorteil tritt, den diese Personen bereits dadurch haben, dass sie in ihrer Betriebsstätte Rundfunk nutzen können. Schließlich sei die Möglichkeit des Rundfunkempfangs ein preisbildender Umstand. Da die Gäste für ein Zimmer mit Rundfunk- bzw. Internetempfang mehr bezahlen, müsse dieser Vorteil vom Inhaber abgegolten werden. Angesichts einer solchen Argumentation stellt sich die Frage, wo dann noch die Grenzen einer Vorteilsabschöpfung zu ziehen sind.
Zu wünschen bleibt jedenfalls, dass in Karlsruhe demnächst ein Machtwort gesprochen und der Gesetzgeber insbesondere kompetenzrechtlich klar in seine Schranken gewiesen wird. Denn es spricht alles dafür, dass es sich beim Rundfunkbeitrag um eine steuerliche Abgabe handelt, die nicht von der Sachgesetzgebungskompetenz der Länder für das Rundfunkrecht gedeckt ist. Mit guten Gründen kann deshalb davon ausgegangen werden, dass das BVerfG den Rundfunkbeitrag nicht nur materiell, sondern vor allem auch formell für verfassungswidrig erklärt.
Prof. Dr. iur. Thomas Koblenzer, RA/FAStR ist Gründer der Koblenzer-Kanzlei für Steuerrecht in Düsseldorf und Zweigniederlassungen in München und Zürich, sowie Honorarprofessor an der Universität Siegen. Seit Einführung des Rundfunkbeitrags beteiligt er sich an der wissenschaftlichen Diskussion über dessen Verfassungsmäßigkeit und vertritt derzeit mehrere Beschwerdeführer in ihren Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen den Rundfunkbeitrag vor dem BVerfG.
Prof. Dr. iur. Thomas Koblenzer, BVerwG zum Rundfunkbeitrag: Es gibt auch Hotelzimmer ohne Fernseher . In: Legal Tribune Online, 28.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24769/ (abgerufen am: 16.04.2024 )
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