Urteilsgründe zum Compact-Verbot: BVerwG lässt wenig Raum für ver­eins­recht­liche Medi­en­ver­bote

Gastbeitrag von Dr. Paula Rhein-Fischer

05.11.2025

Im Juni hob das BVerwG das Compact-Verbot auf. Die nun vorliegenden Urteilsgründe zeigen Sensibilität für das Problem, das Vereinsrecht für Medienverbote einzusetzen, analysiert Paula Rhein-Fischer. Auch die AfD muss ihre Lehren ziehen.

Im Juni kassierte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) das Compact-Verbot in der Hauptsache. Wer die Urteilsverkündung verfolgte und die Pressemitteilung las, konnte den Eindruck gewinnen: Das Compact-Verbot scheiterte vor allem an den Einzelfallumständen. Für die Zukunft schien das Gericht das Vereinsrecht in seinem Potenzial als Instrument für faktische Medienverbote dagegen eher bestätigt zu haben. Denn es bekräftigte, dass Medienunternehmen auf Grundlage des Vereinsrechts verboten werden können.

Die nun veröffentlichten Urteilsgründe nuancieren diesen Eindruck: Das Urteil enthält grundsätzliche Maßgaben für das Verbot von Medienunternehmen, die die Hürden für faktische Medienverbote erhöhen – und das ist auch gut so.

Das Bundesinnenministerium (BMI) untersagte im Juni 2024 auf Grundlage des Vereinsgesetzes die Compact-Magazin GmbH und ihre Teilorganisation, die eine Reihe von Medienprodukten verlegen, darunter die rechtsextreme Monatszeitschrift "Compact-Magazin". Folge des Vereinsverbots war ein Tätigkeitsverbot, sodass faktisch auch die weitere Verlegung der Compact-Medien verboten war. Bereits im Eilverfahren gab das BVerwG Compact überwiegend recht, weil es Zweifel daran hatte, dass die verbotsrelevanten Inhalte die Compact-Magazin GmbH ausreichend "prägten". 

Diese Linie setzte das Gericht in seiner Hauptsacheentscheidung fort, mit der es das Vereinsverbot aufhob, weil Compact nicht ausreichend vom Verbotsgrund "geprägt" sei. Die nun veröffentlichte Urteilsbegründung zeigt: Das Gericht ist sensibel für das Störgefühl vieler Beobachter dabei, dass es dem Staat möglich sein soll, am Presse- und Medienrecht vorbei faktische Medienverbote herbeizuführen. So muss das BMI auch in Zukunft vorsichtig sein, wenn es das Verbot von Medienunternehmen hauptsächlich auf die Inhalte der Publikationen stützen will.

Wann ist das Vereinsrecht anwendbar?

Ein erster Knackpunkt des Falls war die Frage, ob das Verbot eines Medienunternehmens überhaupt auf das Vereinsrecht gestützt werden kann. Bei der Frage geht es im Kern um die Gesetzgebungskompetenz: Das Vereinsrecht kann nur als Grundlage für das Verbot dienen, wenn die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Vereinsrecht nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 Grundgesetz (GG) auch das Verbot von Medienunternehmen umfasst. Handelt es sich hierbei dagegen um eine Frage des Presse- und Medienrechts, die nach der Grundregel des Art. 70 Abs. 1 GG in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt, wäre das Vereinsrecht nicht anwendbar. 

Die Zuordnung ist maßgeblich für die Zulässigkeit eines solchen Verbots: Ordnet man das Verbot von Medienunternehmen nicht dem Vereinsrecht, sondern dem Presse- und Medienrecht zu, wäre es von vornherein rechtswidrig. Denn das Presserecht kennt keine staatliche Aufsicht über Presseunternehmen. Die Behörden könnten hier nur gegen einzelne Äußerungen aufgrund des Äußerungsstrafrechts – etwa gegen beleidigende oder volksverhetzende Inhalte – vorgehen. Für die elektronischen Medien von Compact, wie zum Beispiel dessen Online-Nachrichtenportal, könnten die Landesmedienanstalten zwar einzelne Angebote beanstanden, untersagen oder sperren. Zudem kann die Medienanstalt eine Rundfunklizenz entziehen (§ 109 Abs. 1 S. 1 und 2 Medienstaatsvertrag). Auch der Medienstaatsvertrag kennt aber kein Verbot von Medienunternehmen. 

Das BVerwG bleibt im Compact-Urteil, wie bereits im Eilbeschluss, bei seiner Position: Das Medienrecht greife nur, wenn sich das Verbot unmittelbar gegen das Medienerzeugnis richte. Richte sich das Verbot aber gegen die dahinterstehende Gruppierung, sei das Vereinsrecht anwendbar. Das Vereinsrecht ist laut BVerwG dabei "blind" für den von der Gruppierung verfolgten Zweck und umfasst damit auch Medienunternehmen. Weil das BMI die Compact-Magazin GmbH und nicht (jedenfalls nicht unmittelbar) das Magazin verbot, beanstandete das Gericht die Wahl des Vereinsrechts als Grundlage für das Compact-Verbot nicht.

Zurück ins Kaiserreich

Der Senat begründet diese Auffassung nun ausführlich. Dabei misst er dem "geschichtlichen Zusammenhang deutscher Gesetzgebung" – gemeint ist vor allem die Reichweite der Gesetzgebungskompetenzen in den früheren deutschen Verfassungen – besonderes Gewicht bei. 

Das öffentliche Vereinsrecht sei seit jeher als "Vereins-Polizeirecht" für die spezifischen Gefahren durch Kollektive aufgefasst worden. Sowohl die Reichsverfassung von 1871 als auch die Weimarer Reichsverfassung verstanden den Begriff der Vereinigung nach Auffassung des BVerwG weit und maßen dem von ihr verfolgten Zweck keine Bedeutung bei. Daher habe die Gesetzgebungskompetenz für das Vereinsrecht schon immer auch Medienunternehmen in den Blick genommen.

Für die Gesetzgebungskompetenz für Presse und Medien zieht das BVerwG aus der Verfassungsgeschichte demgegenüber den Schluss, dass sich diese Kompetenz auf pressespezifische Gegenstände beschränke. Das Verbot des hinter einem Presseprodukt stehenden Personenzusammenschlusses sei aber nicht pressespezifisch und das Presserecht daher nicht einschlägig.

Doch keine Ausnahme für reine Medienunternehmen?

Diese Argumentation überzeugt nicht in dieser Absolutheit. Zum einen lässt das Gericht unberücksichtigt, dass es für den historischen Verfassungsgeber gerade nicht auf eine Abgrenzung zwischen Vereins- und Presserecht ankam, weil – wie der Senat selbst hervorhebt – beides in die Reichskompetenz fiel. Zum anderen stößt die doch sehr formelle Abgrenzung zwischen Verbot der Gruppierung und Verbot des Mediums jenseits des Compact-Falls an ihre Grenzen. Auf die Frage, ob das BMI ein reines Medienunternehmen verbieten könnte, liefert das BVerwG nämlich keine befriedigende Antwort. Man hätte sich gewünscht, dass das Gericht dem Versuch, ein Vereinsverbot allein auf die Inhalte der Publikationen zu stützen, eine klare Absage erteilt. Denn hier läge eine pressespezifische Wirkung des Verbots gerade nahe. Das Vereinsrecht würde in diesem Fall gewissermaßen zweckentfremdet. 

Dagegen hatte sich die Pressemitteilung des BVerwG vom Juni noch so lesen lassen, als zöge das BVerwG eine solche Grenze für die Anwendung des Vereinsrechts bei reinen Medienunternehmen. Dort hatte das Gericht hervorgehoben, dass die Compact-Magazin GmbH nicht nur Medien verlege, sondern auch mit politischer Agenda weiteren Aktivitäten nachgehe. Die schriftlichen Urteilsgründe leiten diese Ausführungen nun aber ein mit dem Satz: "Ungeachtet vorstehender Ausführungen zur generellen Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf Presse- und Medienunternehmen handelt es sich bei der Klägerin zu 1 ohnehin nicht um ein Unternehmen, das sich auf die Herausgabe von Presse- oder Medienprodukten beschränkt." Das "ohnehin" klingt nun eher danach, als sähe das Gericht in diesem Punkt eine bloße Hilfsüberlegung und keine tragende Erwägung. Trotzdem begründet das Gericht die nicht-pressebezogenen Aktivitäten von Compact für ein Hilfsargument sehr ausführlich, sodass es immer noch nicht ausgeschlossen erscheint, dass sich das Gericht eine Hintertür für anders gelagerte Fälle offenlässt.

Meinungs- und Pressefreiheit erhöhen die Hürde maßgeblich 

Während das BVerwG das Vereinsrecht also grundsätzlich auch für faktische Medienverbote öffnet, schränkt es die Befugnisse des BMI an anderer Stelle wieder ein. Obwohl Teile der Compact-Magazin GmbH gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen und nach dem BVerwG auch kämpferisch-aggressiv dagegen gerichtet sind, lässt das Gericht das Verbot im Ergebnis scheitern. Denn die Vereinigung sei nicht ausreichend von den verbotsrelevanten Tätigkeiten geprägt. Die Anforderungen, die das Gericht an den Nachweis einer solchen Prägung stellt, sind hoch. Sie werden es dem BMI auch in Zukunft erschweren, Verbote von Medienunternehmen primär auf die Inhalte von Publikationen zu stützen.

Der Senat wirft hier maßgeblich die betroffenen Grundrechte – primär die Kommunikationsgrundrechte – in die Waagschale. So spreche vorliegend vor allem gegen eine ausreichende Prägung, dass Compact seine verfassungsfeindlichen Botschaften hauptsächlich in seinen Medien äußere; das Verbreiten verfassungsfeindlicher Ideen auch in Medienerzeugnissen überschreite aber noch nicht die Grenze der freien politischen Auseinandersetzung. Zudem sei nur ein Teilbereich der Äußerungen und Tätigkeiten verfassungsfeindlich. "Größtenteils" und "weit überwiegend" ließen sich die im Verbotsbescheid angeführten Äußerungen noch als verfassungsrechtlich unbedenklich deuten. 

Auch wenn das Gericht die genauen Anforderungen noch klarer hätte ausbuchstabieren sollen, steht damit fest: Wird das Verbot in erster Linie auf Inhalte von Medienerzeugnissen gestützt, spricht dies maßgeblich dagegen, dass das Medienunternehmen vom Verbotsgrund "geprägt" wird und somit verboten werden kann.

Damit zieht das Gericht die Voraussetzungen für Verbote von Medienunternehmen mit Blick auf Meinungs- und Pressefreiheit bedeutsam an und findet so immer noch einen vernünftigen Kompromiss, der die Gefahr reduziert, dass sich das BMI über das Vereinsrecht dauerhaft zu einer Medienaufsicht aufschwingt. 

Menschenwürde und Demokratieprinzip versus Meinungsfreiheit

Interessant ist die Urteilsbegründung noch aus einem anderen Grund: Die Abgrenzung, welche ausländerkritischen Äußerungen im "Elsässer-Kreis" gegen die verfassungsmäßige Ordnung – hier konkret die Menschenwürde und das Demokratieprinzip – verstoßen und bei welchen dagegen die Meinungsfreiheit überwiegt, gibt einen Fingerzeig für ein mögliches AfD-Verbotsverfahren. Dort hätte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) viele vergleichbare Äußerungen einzuordnen. 

Statt wie hier Meinungs-, Presse,- Rundfunk,- und Vereinigungsfreiheit wären beim Parteiverbot zwar vor allem Meinungs- und Parteienfreiheit zu berücksichtigen. Die Überlegungen des BVerwG dazu, welche Aussagen überhaupt gegen Menschenwürde und Demokratieprinzip verstoßen, lassen sich aber durchaus auf das Parteiverbot übertragen. Denn für diese konkrete Frage ist vor allem die Meinungsfreiheit maßgeblich.

In Anknüpfung an das NPD-Urteil des BVerfG von 2017 zieht das BVerwG die Grenze in Bezug auf die Menschenwürde bei Äußerungen, die Menschen rechtlich abwerten oder demütigende Ungleichbehandlungen enthalten. Das BVerwG grenzt dies ab von Äußerungen, die "lediglich allgemein die Bewahrung einer geistig-kulturellen Homogenität oder die Erhaltung des Abstammungsprinzip" fordern. Dort überwiege die Meinungsfreiheit. Bei Deutungszweifeln gebiete es die Meinungsfreiheit zudem, die nicht verbotsrelevante Deutung zu unterstellen. Dies gelte "auch und erst recht" für das vereinsrechtliche Verbot von Presse- und Medienunternehmen. Das BMI hatte das offenbar anders gesehen.

Reagiert die AfD?

So sieht das BVerwG einen Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie und das Demokratieprinzip insbesondere im "Remigrationskonzept" des österreichischen Rechtsextremen Martin Sellner. Es bestätigt damit seine Rechtsprechung zur Identitären Bewegung (Urt. v. 19.04.2024, Az. 2 WD 9.23). Dieses Konzept, nach dem sich deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund assimilieren sollen und sie andernfalls durch Druck zur "Remigration" in ihre Herkunftsländer bewegt werden sollen, ist in der Tat eine offensichtliche rechtliche Abwertung dieser Menschen und damit ein Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz und Menschenwürdegarantie. 

Dass sich Compact mit diesem Konzept identifiziert, folgert der Senat unter anderem daraus, dass Compact Sellner seit Jahren einen breiten Raum in seinen Print- und Online-Medien gebe. Ausführlich geht der Senat zudem auf Compact-Publikationen und Reden der Mitglieder des Elsässer-Kreises ein, in denen ein "völkisches Weltbild" durchscheine. 

Ob das BVerfG die Grenzen genauso ziehen würde wie das oberste deutsche Verwaltungsgericht, ist nicht gesichert, aber auch nicht unwahrscheinlich. Urteile wie das Compact-Urteil machen es daher jedenfalls gefährlicher für die AfD-Führungsriege, weiterhin "Remigration" zu fordern. Deshalb hat der rechtsextreme AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah nun seine Forderung bekräftigt, den Begriff "Remigration" nicht mehr bzw. nur mit der Klarstellung zu verwenden, dass deutsche Staatsbürger davon nicht erfasst seien. Auch mit Sellner solle man nicht mehr zusammen auftreten. Einigkeit herrscht innerhalb der Partei darüber jedoch nicht.

Foto: NRW AWK| Engel-AlbustinDie Autorin ist Habilitandin an der Akademie für europäischen Menschenrechtsschutz der Universität zu Köln. Sie forscht zum Verfassungs-, Verwaltungs-, und Völkerrecht, insbesondere zur wehrhaften Demokratie, zur Meinungsfreiheit und zum Verhältnis zwischen Recht und Zeit.

Zitiervorschlag

Urteilsgründe zum Compact-Verbot: . In: Legal Tribune Online, 05.11.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58544 (abgerufen am: 14.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag

LTO Karriere - Deutschlands reichweitenstärkstes Karriere-Portal für Jurist:innen

Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen